EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 13 (1999)

EUCOR - Europäische Konföderation der Oberrheinischen Universitäten

Dr. Bernhard Schröder (Akademisches Auslandsamt der Universität Freiburg)


Schon das Akronym EUCOR, welches ja keine eigentliche Abkürzung einer längeren Kette von Wörtern ist (allenfalls die deutsche Bezeichnung liesse sich schon aufgrund der Wortstellung "Adjektiv vor Substantiv" - Europäische Conföderation/Ober Rhein - hier wiederfinden, würde man auch im Deutschen das Wort Conföderation mit C schreiben), sondern der gelungene Versuch, die EUCOR-Sprachen Französisch und Deutsch in einem griffigen und wohlklingenden Begriff zu verschmelzen, zeigt den guten Willen und die hohe Motivation der Gründerväter und ihrer Universitäten, ueber nationale und geographische Grenzen hinweg eine deutsch-französischsprachige Plattform für eine Kooperation der am Oberrhein liegenden Universitäten zu schaffen. Da für humanistisch Gebildete sich in der ersten Silbe, "eu", eine griechische Vorsilbe mit der Bedeutung "gut" erkennen liess, in der zweiten Vorsilbe, "cor",das lateinische Wort für "Herz", war an diesem Akronym überhaupt nichts mehr auszusetzen.

So konnte also am 13. Dezember 1989 in Anwesenheit von Regierungsvertretern der Kantone Basel-Stadt und Basel-Land, der Französischen Republik und des Landes Baden-Württemberg von den Rektoren der beteiligten Universitäten Basel, Haute Alsace, Strasbourg (USHS, Robert Schuman und Louis Pasteur), Karlsruhe und Freiburg eine Konvention unterzeichnet werden, die einen wichtigen Schritt zum Abbau der Grenzen im Bildungsbereich darstellte.

Natürlich gab es schon seit langem vielfältige wissenschaftliche Beziehungen, gemeinsame Kolloquien und Symposien und – besonders zwischen Freiburg und Basel - eine gewisse, verkehrstechnisch relativ leicht zu realisierende studentische Mobilität zwischen den genannten Universitäten, Beziehungen, die zum Teil ausgelöst, sicherlich aber gefördert und vorangetrieben wurden durch eine "table ronde regionale" des Europarats im November 1983 zum Thema "Les politiques de l'enseignement superieur et de la recherche a l'approche de l'an 2000 dans les regions du bassin du Rhin Superiour".

Aber erst durch die Konstituierung einer Konferenz der Rektoren und Präsidenten der oberrheinischen Universitäten - auf Initiative von Pierre Deyon, dem "Recteur de l'Academie de Strasbourg et Chancelier des Universités d'Alsace" - im Februar 1984 kommen festere Strukturen in die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die später, im Januar 1987, in der "Gemeinsamen Erklärung der Rektoren und Präsidenten der Oberrheinischen Universitäten" ihre genaueren Konturen erhalten.

Diese "Gemeinsame Erklärung" ist gleichsam der direkte Vorläufer der EUCOR-Vereinbarung, welche die Mitglieder der Konferenz der Rektoren und Präsidenten in ihrer neunten Sitzung im Oktober 1989 in Basel abgeschlossen und am 13. Dezember 1989 dort auch unterzeichnet haben.

EUCOR besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit, die Selbständigkeit der beteiligten Universitäten, ihre gesetzlichen Grundlagen und die Zuständigkeit hochschulpolitischer Instanzen bleiben gewahrt. Organ der Konföderation ist das Präsidium, das sich aus den Rektoren und Präsidenten der 7 beteiligten Universitäten zusammensetzt. Sie wählen aus ihrer Mitte einen Präsidenten der Konföderation für jeweils 2 Jahre. Das Präsidium von EUCOR kommt in der Regel viermal jährlich zusammen. Es legt die Richtlinien für die Arbeit von EUCOR fest. Die Arbeit des Präsidiums wird von einem Sekretariat betreut, dessen Standort mit dem Präsidenten wechselt.

Der Wunsch, mit dieser Vereinbarung der Zusammenarbeit der oberrheinischen Universitäten eine verbindlichere Grundlage zu geben, hatte durchaus auch ein politisches Ziel, nämlich "einen räumlich und institutionell überschaubaren, konstruktiven Beitrag zur Verständigung und gegenseitigen Öffnung der Länder und Regionen Europas zu leisten".

Dazu gehört der Abbau der Grenzen im Bildungsbereich, dem sich die Konföderation mit Energie widmet. Ihr Ziel ist die verstärkte Ausnutzung des wissenschaftlichen und kulturellen Potentials des oberrheinischen Raumes, der "Regio", als eines historisch gewachsenen Ganzen. Die Vereinbarung will die dafür nötigen Bedingungen schaffen, indem sie durch neue Regelungen dazu beiträgt, die Mobilität der Forscherinnen und Forscher, der Lehrenden und Studierenden über die Landesgrenzen hinweg zu erhöhen.

Erfolgreiche Resultate dieser Bemühungen sind - um nur einige zu nennen -

Weiterbildungsveranstaltungen in Form von Videokonferenzen zwischen Basel, Strassburg, Freiburg und anderen europäischen Partnern).

Jetzt, im 10. Jahr ihres Bestehens kann durchaus bemerkt werden, dass die EUCOR ihren Zielen viele Schritte näher gekommen ist, in einigen Bereichen mehr, in anderen Bereichen weniger.

Durch die EUCOR-Kooperation haben sich zusätzlich zu den schon vorhandenen Bindungen und Verbindungen zwischen den Wissenschaftlern der beteiligten Universitäten viele neue wissenschaftliche und menschliche Kontakte und Kooperationsgemeinschaften ergeben, so dass die Absicht der EUCOR-Väter

zu erleichtern und zu stimulieren, durchaus erfolgreich war. Schaut man die Jahresberichte der EUCOR durch, findet man eine Fülle von gemeinsamen Treffen, Seminaren, Symposien und Kolloquien, die über die jeweiligen Geschäftsjahre verteilt eine rege, vielfältige Zusammenarbeit widerspiegeln, z.B. im Bereich der Kognitionswissenschaften, der Linguistik (Circle of Upper Rhine Linguists), der Anglistik und Amerikanistik (Upper Rhine Scholars in English and American Literature), der Mathematik, der Wirtschaftswissenschaften, der Klassischen Philologie, der Orientalistik, der Ethnologie, der Theologie, der Rechtswissenschaften, der Chemie, der Biologie. Regelmässige Tagungen und Treffen von Arbeitsgruppen wie die der EUCOR-Universitätsbibliotheken, der Weiterbildung, der Informatik signalisieren eine lebendige Kooperation.

Wissenschaftliche Aktivitäten in der Pharmazeutischen Chemie (European Course in Pharmaceutical Medicine) in der Mathematik (EUCOR-Arbeitsgruppe ueber Partielle Differentialgleichungen), der Andrologie, der Krebsforschung (European Cancer Center), der Telechirurgie, der Geschichte der Medizin (etwa im "Centre européen d'Histoire de la Médécine" in Strasbourg) -, ein Dozentenaustausch in den Disziplinen Soziologie, Orientalistik, Geschichte - um nur einige Facetten der Zusammenarbeit zu nennen - zeigen die Spannweite und Vielfältigkeit der Kooperation.

Trotz der positiven Bilanz mit den zahlreichen Aktivitäten, der lebendigen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in vielen Disziplinen, darf sich EUCOR nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Begrüßenswert ist daher - im Rahmen der EUCOR - die Gründung des Verbundes altertumswissenschaftlicher Institute der Universitäten Basel, Freiburg, Mulhouse und Straßburg (Marc Bloch) mit den fachlichen Schwerpunkten in Römischer Geschichte und Provinzialrömischer Archäologie mit dem Namen Collegium Beatus Rhenanus, das sich neben anderen Forschungsvorhaben im Rahmen des CNRS-Forschungsprogramms mit der literarischen Konstruktion des Bildes "Großer Männer" im frühen Rom befaßt. Gemeinsame Grabungstätigkeit führt die Spezialisten der Provinzialrömischen Archäologie im elsässischen Binsheim-Kuenheim zusammen. Die bei diesen Ausgrabungen gewonnenen Ergebnisse werden die Kenntnisse der römischen Geschichte "vor Ort" beträchtlich vorantreiben.

Von großer Bedeutung ist ebenfalls die Errichtung eines trinationalen Netzwerks der Neurowissenschaften durch Neurowissenschaftler aus Basel, Freiburg und Straßburg, NEUREX. Dieses von der EUCOR unterstützte Netzwerk mit den Bereichen Grundlagenforschung, Klinische und Angewandte Neurowissenschaften dürfte gegenwärtig das größte weltweit sein.

Ein weiteres in die Zukunft weisendes Forschungsprojekt ist URGENT, Upper Rhine Graben: Evolution and Neotectonis, das auf Initiative des Geologisch-Paläontologischen Instituts der Universität Basel zusammen mit diesem von den Geologischen, Geophysikalischen und Petrologischen Instituten der EUCOR-Universitäten Basel, Freiburg und Karlsruhe Anfang dieses Jahres gestartet wurde. Es ist ein auf fünf Jahre angelegtes multidisziplinäres Forschungs- und Studienvorhaben, das in Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen und Behörden genauere Erkenntnisse über das seismische Risiko, die Neotektonik und die Entwicklung des Rheingrabens und seiner Umgebung sowie über das Management der Wasserressourcen erbringen soll.

Im Entstehen ist ein Forschungsverbund "Interkulturalität in Theorie und Praxis" der aus dem Frankreichzentrum der Universität Freiburg und den Soziologischen, Romanistischen (Freiburg, Basel USHS) sowie Literaturwissenschaftlichen Instituten (Universität Karlsruhe) bestehen wird.

Angestrebt wird, soweit wie möglich und sinnvoll, die studentische Mobilität, besonders auch die in den "Kleinen Fächern" (hinter denen ja grosse Kulturräume stehen), zu stimulieren. Dazu ist eine Zusammenstellung dieser Fächer mit ihren Sprachen in Arbeit ("Carte des langues rares").

Wie dem auch sei - EUCOR ist zu Beginn des zehnten Jahres ihres Bestehens lebendig und voller Ideen und Inititativen für die nächsten zehn Jahre - dank des Interesses und Engagements ihrer Wissenschaftler und Studierenden.



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