VORWORT

Für das Verständnis der folgenden Untersuchung mag es nützlich sein, wenn ich in einigen Zügen den Weg skizziere, der zu ihrer vorliegenden Gestalt geführt hat.

Den ersten Anstoß zu dieser Arbeit gab eine nähere Beschäftigung mit den thomanischen Gottesbeweisen. Zumindest zwei Dinge blieben von dorther für meine Fragestellung bestimmend: Es gibt eine berechtigte - und für den Theologen unausweichliche - Frage nach Gott, die philosophisch, in der dieser Wissenschaft eigenen Methodik und Stringenz, durchgeführt werden muß. Und zu dieser Frage gehört unabweisbar die nach der sinnlich begegnenden Realität, nach seiner Möglichkeit, dem Geiste Gott zu vermitteln. Anders ausgedrückt, weder von dem "Deum esse ... probari potest" noch dem "Certum est enim et sensu constat ... (S Th 1 2, 3 c) bin ich seither losgekommen.

Bald wurde mir allerdings klar, daß ein Nachvollzug der "quinque viae" nur innerhalb eines je neu unternommenen Entwurfs von Metaphysik möglich ist. Gustav Siewerth führte mich in jenes "transzendentale" Philosophieren ein, das von Kant und dem "Deutschen Idealismus" her thomistische Metaphysik neu zu begreifen suchte. Für meinen weiteren Weg wurde der Gegensatz zwischen Siewerth einerseits und Joseph Maréchal und seiner "Schule" (K. Rahner, J. B. Lotz, E. Coreth, A. Marc, B. J. F. Lonergan u. a.) andererseits bestimmend. Zunächst suchte ich mir Rechenschaft darüber zu geben, warm ich dem Maréchalschen Ansatz nicht folgen konnte: Hiervon ist der erste Abschnitt des Hauptteils in seiner negativen Abgrenzung weitgehend geprägt - und sollte unter dieser Perspektive verstanden werden, nicht etwa als eine Gesamtwürdigung der kritisch diskutierten Arbeiten.

Doch auch Siewerths "positiver" Ansatz schien mir zu unvermittelt. Im zweiten Abschnitt des Hauptteils habe ich schließlich versucht, einen Einstieg in die transzendentale Reflexion zu finden, der den Maréchalschen mit dem Siewerthschen Ansatz verbinden könnte, doch war ich in diesem

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systematischen Entwurf zugleich bemüht, meine Fragestellung nicht auf die Diskussion mit dem "transzendentalen Thomismus" zu beschränken. Das philosophische Fragen entsprang von Anfang an einem Studium der Theologie. Je mehr mir klar wurde, daß man nur von der Inkarnation her - Gott nahm den Menschen so ernst, daß er seine Erlösung nur als Akt seiner Freiheit wollte - rechtens etwas über die Offenheit der "Philosophie" zur "Theologie" sagen kann, wurde mir deutlich, daß die alte Frage der "Gottesbeweise" sinnvoll nur innerhalb der Frage nach der Möglichkeit von Offenbarung (im transzendentalen Sinne, wie sie etwa seit M. Blondel bewußt ist) gestellt werden kann, und daß diese philosophische Frage selbst nur dann gelingen kann, wenn zugleich der theologische Kontext (nämlich das Verständnis von Offenbarung) miterhellt wird, aus dem sie erwächst. Hierzu habe ich im einleitenden Teil einiges zu sagen versucht. Es bedürfte einer eigenen Arbeit, das Verhältnis von Philosophie und Theologie in der Gottesfrage klarer herauszustellen (und damit auch deutlicher werden zu lassen, wohin das Ergebnis dieser philosophischen Untersuchung führt), einer "Hermeneutik", die aufzeigt, wie sich Offenbarung so vermittelt, daß das menschliche Verstehen auf den in der Geschichte sprechenden Gott hin erweckt wird, so zwar, daß es das je schon zur Offenbarung eröffnete Hören bleibt.

Ich habe an dieser Stelle vielen zu danken, insbesondere meinen Lehrern in der Theologie und Philosophie in Bonn, Freiburg, Köln, Münster und Tübingen. Vor allem schulde ich Dank Herrn Professor Dr. Joseph Ratzinger, der mein Arbeiten von den Anfängen her ermuntert und geleitet hat. Für manchen guten Rat und freundschaftliche Hilfe danke ich besonders Herrn Dr. Hans Urs von Balthasar und Pater Dr. Paulus Engelhardt O.P. Ohne die großzügige Unterstützung durch das Cusanuswerk und die Stiftung Volkswagenwerk wäre mir diese Arbeit kaum möglich geworden. Nicht zuletzt danke ich dem Patmos-Verlag für sein freundliches Entgegenkommen beim Druck dieses Buches.

Notre Dame, Indiana, im September 1968

Hansjürgen Verweyen

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QUELLENANGABEN

Die Stellenverweise auf Augustinus beziehen sich auf Migne, Patrologia Latina.

Die "Summa theologiae" des Thomas von Aquin wird nach den Ed. Paulinae (abgek.: z. B. I 1,1 = pars Ia, quaestio 1, articulus 1), seine übrigen Werke werden nach der Marietti-Ausgabe zitiert.

Die Verweise auf Descartes beziehen sich auf die Ausgabe von Adam-Tannery.

Kants Werke werden nach der Paginierung der Originalausgaben zitiert. Wir benutzten für die

Kritik der reinen Vernunft: Phil. Bibl. 37a, Hamburg 1956 (= Ausg. v. R. Schmidt, 2. Aufl., 1930)

Kritik der praktischen Vernunft: Reclam 1111-13 (Hrsg. v. J. Kopper)

Kritik der Urteilskraft: Reclam 1026-30/30a (Hrsg. v. G. Lehmann)

Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft: Phil. Bibl. 45, Hamburg 1956 (Hrsg. v. K. Vorländer)

Hegels "Wissenschaft der Logik" zitieren wir nach der Ausgabe von G. Lasson (Phil. Bibl. 56/57, Hamburg 1963 = 1934)

Von Husserl werden nur Werke zitiert, die in den "Husserliana" (Den Haag 1950 ff; abgek.: Hua) erschienen sind.

ABKÜRZUNGEN

Im Literaturverzeichnis angeführte Werke werden in der Arbeit in einer verständlichen Abkürzung zitiert, die nicht eigens ein Abkürzungsverzeichnis nötig macht. Zur besseren Übersicht werden bei Verweisen auf Stellen innerhalb der eigenen Arbeit die Seitenzahlen durch "S. ...." eingeführt - entgegen der Zitation von Werken anderer Verfasser, die wie üblich erfolgt.


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