GRENZ - ÜBER - SCHREITUNGEN


Künstlerinnen in der Region
um 1900

Eine Ausstellung in der
Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.
vom 10. J uni bis 12. Juli 1996
Montag bis Freitag 10-13 Uhr und 14-17 Uhr
Samstag auf Anfrage

Unter dem Motto "Grenzüberschreitungen" hat das Literaturprojekt Künstlerinnen um 1900 unter der Leitung von Prof. Dr. Irmgard Roebling im Deutschen Seminar der Universität Freiburg i. Br. eine Ausstellung über das Kulturschaffen von Frauen der Regio um 1900 konzipiert, die vom 10. Juni bis 12. Juli 1996 im Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. zu sehen ist.

Dokumentiert werden Leben und Werk von etwa 15 Schriftstellerinnen, Bildenden Künstlerinnen und Komponistinnen, die zwischen 1870 und 1918 im Dreiländereck, d.h. im südbadischen Raum, in der deutschsprachigen Schweiz und im Elsaß, k&u uml;nstlerisch aktiv waren.

Das Thema Grenzüberschreitungen stellt in mehrfacher Hinsicht den zentralen Bezugspunkt der Ausstellung dar:

Sozialhistorisch: Frauen als Grenzgängerinnen

Wurde die Frau im traditionellen Rollenhaushalt der Geschlechter auf die Rolle der Ehefrau und Mutter reduziert, so kam ihr in der Kunst die zum Objekt funktionalisierte Rolle der Muse zu. Künstlerische Eigenständigkeit war kreativen Frauen in d er vorwiegend männlich besetzten Domäne der Kunst nur vereinzelt und unter erschwerten Umständen möglich, obwohl sich um 1900 ein gesellschaftlicher Wandel abzuzeichnen begann.

Im Spannungsfeld zwischen traditioneller Rollenzuschreibung und kreativer Eigenständigkeit befanden sich Künstlerinnen - materiell und intellektuell - in einer doppelten Grenzsituation in Hinblick auf Geschlecht und Berufsstand. Daß Frauen in dieser sozial marginalisierten Position trotz massiver gesellschaftlicher Widerstände eigene künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten entfaltet haben, es ihnen gelang, die Grenzen der ihnen zugeschriebenen Rollen zu überschreiten und s ich kreative Freiräume zu erobern, dokumentiert diese Ausstellung.

Das emanzipatorische Bestreben der Frauen ist im Zuge der ersten Frauenbewegung auf eine im ausgehenden 19. Jahrhundert gesamtgesellschaftliche Umbruchsphase zurückzuführen. Die Frage nach der Selbstbestimmung des Subjekts in der Moderne wird f& uuml;r das Individuum im allgemeinen und für Frauen im besonderen virulent.

Interdisziplinäre Künste: Vielfalt kulturellen Schaffens

Anhand einzelner biographischer Portraits von Künstlerinnen unterschiedlicher Disziplinen soll zunächst Einblick in die vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen gegeben werden. Mit dem Schwerpunkt auf der Schriftstellerei wird die l iterarische Selbstdarstellung und Selbstreflexion der Frauen über ihre eigene Rolle als Künstlerin akzentuiert, aber durch die literarische Darstellung von Malerinnen und Musikerinnen auch der Bezug zu den angrenzenden Künsten, der Malerei und der Musik, berücksichtigt.

Regionale Grenzen überschreiten: Kultur im Dreiländereck

Das Leben und Werk bekannter und weniger bekannter Künstlerinnen, die im Dreiländereck gelebt und gewirkt haben, Frauen aus dem Elsaß, der deutschsprachigen Schweiz und Südbaden werden erstmals unter einer gemeinsamen Thematik vorgest ellt. Neben Gemeinsamkeiten werden jeweilige Charakteristika der Regionen herausgestellt, wie z.B. die Rolle des Badischen Frauenvereins und der Malerinnenschule Karlsruhe, die literarische Verarbeitung der politischen Situation der F rau im Elsaß zwischen 1870 und 1918 und die Bedeutung der ersten Studentinnen in der Schweiz an den dort bereits vor der Jahrhundertwende für Frauen zugänglichen Universitäten.

Das Spektrum der vorgestellten Frauen reicht von so schillernden Persönlichkeiten wie der Emmendinger Ärztin und Schriftstellerin Harriet Straub über die Tochter der Dramatikerin Charlotte Birch-Pfeiffer Wilhelmine von Hillern bis zur musikalischen Neuentdeckung wie der Komponistin Luise Adolpha Le Beau aus Baden-Baden. Auch vergessene Texte der Schwarzwalddichterinnen Hermine Villinger und Augusta Bender werden neu entdeckt.

Zur Diaspora der Elsässer in Deutschland gehören die Schriftstellerinnen Lina Ritter und Marie Hart, die in ihren Texten auch die politische Situation der Frau im Elsaß schildern. Des weiteren werden die französische Dic hterkollegin Elsa Koeberlé präsentiert als auch die Komponistin Marie Jaëll.

In der Schweiz machte die Philosophin und Nietzsche-Brieffreundin Meta von Salis-Marschlins auf sich aufmerksam. Während die Dichterin und Redakteurin Maria Waser als Mutter der Nation und Sophie Haemmerli-Marti mit ihren Kinderg edichten sich der eher traditionellen Rolle der Frau verpflichtet sahen, waren die verhalteten, aber dennoch ausdrucksstarken Töne der expressionistischen Lyrikerin und Malerin Francisca Stoecklin aus Basel bereits ganz entschieden ein Aufbruc h in die Moderne.

Marie Jaëll (1846 - 1925).......Harriet Straub (1872 - 1945).............Francisca Stoecklin (1894 - 1931)

Neben der Präsentation von Schriften und Partituren vermitteln vielfältige Materialien wie Photos, biographische Informationen, Zeitungsartikel und historische Gegenstände des täglichen Gebrauchs einen Einblick in das Lebens- und Scha ffensumfeld der Künstlerinnen; Tondokumente sowie Zeichnungen und Gemälde aus Privatbesitz ergänzen die Ausstellung.

Im Rahmen des Begleitprogramms sind diverse Veranstaltungen geplant*:

Mittwoch, 12.6.96, 16.30 Uhr:
Kaffeehausnachmittag mit Akkordeonmusik Valse Musette.

Mittwoch, 19.6.96, 17 Uhr:
Vortrag: Lina Ritter - Eine Regio-Schriftstellerin vom Oberrhein. Adeline Clisson, Mulhouse.

Freitag, 21.6.96, 20 Uhr:
Kammerkonzert: Clara Schumann: Trio für Klavier, Violine u. Cello, op. 17.
Luise Adolpha Le Beau: Werke für Violine u. Klavier;
Schloßbergsaal Südwestfunk.**

Mittwoch, 26.6.96, 16 Uhr:
Kaffeehausnachmittag mit Klaviermusik.

Freitag, 28.6.96, 17 Uhr:
Dialektlesung: Texte von Schriftstellerinnen um 1900 gelesen von Liesl Meier, Amélie Lieby und Claire-Paulette Lichtle.

Mittwoch, 3.7.96, 18 Uhr:
Vortrag: Alles, was auf der Grenze liegt, fasziniert mich am tiefsten." Francisca Stoecklin.
Beatrice Mall-Grob, Basel.

Donnerstag, 4.7.96, 20 Uhr:
Orchesterkonzert: Robert Schumann: Violinkonzert d-Moll (1853);
Clara Schumann: Klavierkonzert d-Moll, op. 7;
Festsaal der Freien Waldorfschule Wiehre**.

Mittwoch, 10.7.96, 18 Uhr:
Vortrag: Leben und Werk Harriet Straubs.
Ludger Lütkehaus, Freiburg i. Br.

* Die Veranstaltungen finden, wenn nicht anders vermerkt, im Ausstellungsraum statt.

** In Zusammenarbeit mit der Vortrags- und Konzertreihe des Musikwissenschaftlichen Seminars, Universität Freiburg.

Die Ausstellung wird durch eine Projektfinanzierung des Ministeriums für Familie, Frauen, Weiterbildung und Kunst und des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, Baden-Württemberg, ermöglicht und von Sonja Dehning gestaltet.

Öffnungszeiten der Ausstellung in der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br.:

10. Juni bis 12. Juli 1996

Montag bis Freitag von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr,

Samstag auf Anfrage.

Bei Rückfragen und Bitten um Sonderführung bitte wenden an:

Prof. Dr. Irmgard Roebling oder Sonja Dehning

Deutsches Seminar II, Universität Freiburg i. Br., Tel. 0761/203-3277 und 3278.

Stand: 22. April 1996