![]() Bergkristallpokal Augustinermuseum Freiburg |
"Natur und Kunst beisammen haben"Sonderausstellung des Augustinermuseums 4.6. - 27.7.1997
im Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek
Öffnungszeiten:
Eintritt:
Führungen in der Ausstellung:
Zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag ein Katalog bearbeitet von Günther Irmscher, hrsg. vom Augustinermuseum, Freiburg und der Kulturstiftung der Länder, Berlin |
![]() Bergkristallschale, sog. Drachenschale Stuttgart, Landesmuseum
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Neben Achat und später auch Granat war Bergkristall
das wichtigste Material, das künstlerisch bearbeitet wurde.
Hergestellt wurden vor allem Kristalle für Leuchter, Kreuze,
Besteckhefte, Ketten und Rosenkränze, später auch Pokale und
Schalen. Die Rohkristalle wurden fast ausschließlich aus den Schweizer Alpen bezogen. Im Breisgau wurde der Bergkristall an tonnenschweren, senkrecht rotierenden Sandsteinrädern, die mittels Wassermühlen angetrieben wurden, bearbeitet. Zur Bearbeitung der Halbedelsteine bildeten sich schon früh zwei Berufsgruppen heraus: die Bohrer und die Balierer (Polierer). Die Bohrer durchbohrten die Steine und die Balierer facettierten und polierten sie, brachten sie also in ihre endgültige Form. Bereits im 15. Jahrhundert schlossen sich die beiden edelsteinverarbeitenden Berufe zur Bruderschaft der "Bohrer und Balierer" zusammen. Sie regelten die Organisation des Gewerbes sowie den Kauf und Verkauf der Steine. Im frühen 16. Jahrhundert kamen Balierer in den Breisgau, die sich auf das "Hohlwerk" verstanden, das heißt, auf das aushöhlende schleifen von Gefäßen, insbesondere solchen aus Bergkristall. Die durchbohrten und geschliffenen Bergkristalle wurden hauptsächlich von fremden Fernhändlern auf die großen europäischen Messen oder in weiterverarbeitende Zentren wie Augsburg, Nürnberg, Paris, Amsterdam oder Mailand gebracht, wo sie von Goldschmieden zu Gefäßen oder Geraäten gefaßt und montiert wurden. Nur ein geringer Teil der Bergkristalle wurde von einheimischen Freiburger Goldschmieden gefaßt oder montiert. Allerdings produzierte man nicht nur für den anonymen Markt, sondern man arbeitete gelegentlich auch auf Bestellung. Da der Breisgau zu Vorderösterreich gehörte, waren es vor allem Habsburger Landesherren und Kaiser, die direkt im Breisgau Aufträge vergaben; die fertigen Kristalle wurden dann in Innsbruck, Prag oder Wien nicht nur von Hofgoldschmieden prachtvoll gefaßt, sonder nicht selten auch mit figürlichen und ornamentalen Dekors weiterveredelt. Der Höhepunkt der Bearbeitung von Bergkristallen für Gefäße und Geräte fiel in den Zeitraum von der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts bis in die Zeit des 30jährigen Krieges, der die Edelsteinbearbeitung besonders in Freiburg sehr beeinträchtigte und die Abwanderung bedeutender Balierer in andere Städte, zum Beispiel nach Augsburg, Salzburg oder ins Badische, in die Schweiz und an Habsburgerhöfe, beispielsweise Salzburg, bewirkte. Nach dem großen Krieg verlagerte sich die Bearbeitung des Bergkristalls hauptsächlich nach Waldkirch. Unter Kaiserin Maria-Theresia kam es in der Mitte des 18. Jahrhunderts noch einmal zu einem Aufschwung der Bergkristallbearbeitung im gesamten Breisgau einschließlich des "Hohlwerks". Seit dem späten 18. Jahrhundert begann allerdings der Niedergang des Gewerbes auf ganzer Linie und versank im Verlauf des 19. Jahrhundert dann zur Bedeutungslosigkeit. Das Freiburger Augustinermuseum trägt erstmals in einem umfassenden Überblick - mit mehr als 40 Leihgaben aus bedeutenden Sammlungen in Deutschland, Holland, Frankreich und den USA - im 16. und 17. Jahrhundert hauptsächlich im Breisgau entstandene und von Goldschmieden verschiedener Städte gefaßte und montierte Bergkristallgefäße und -geräte in einer Ausstellung zusammen. |
Zur Ausstellung
Zum ersten Mal nun ist in Feiburg eine profunde Ausstellung erarbeitet
worden zum Thema des Breisgauer Bergkristallschliffs der Frühen
Neuzeit, womit zugleich die Blütezeit dieser Kunstindustrie
umschrieben ist.
Ein solches Vorhaben drängte sich für das Augustinermuseum mit
seinen reichen Beständen zur Kunst- und Kulturgeschichte des
Oberrheins geradezu auf, zumal in seinen Sammlungen die schänsten
Bergkristallobjekte des Freiburger Münsterschatzes geborgen sind, wo
sie die geschliffenen Bergkristalle der städtischen Sammlung
hervorragend ergänzen.
Im Vergleich zur Bedeutung, die die Breisgauer Steinschliffarbeiten für die oberrheinische Region und für nahezu alle höfischen Zentren des ehemaligen habsburgischen Reiches innehatten, ist die geschichtliche und künstlerische Betrachtung dieser Steinschliff-Produktion in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich kaum in Erscheinung getreten.
Auf der Grundlage eines relativ reichen Quellenmaterials galt es nun einen möglichst gesicherten Bestand von noch vorhandenen Bergkristallobjekten für den Breisgau ausfindig zu machen. Dabei war es unerlässlich, Kriterien zu erarbeiten, mit deren Hilfe die Breisgauer Steinschliffarbeiten von denjenigen der zahlreichen anderen Herstellungszentren in Deutschland, Österreich und Italien in dieser Zeit zu unterscheiden waren.
Dank eines von der Kulturstiftung der Länder, Berlin, dem
Augustinermuseum gewährten Werkvertrages konnte die Bearbeitung
dieses Themas einem national ausgewiesenen Fachmann im Beriech des
Kunsthandwerks und der Goldschmiedekunst übertragen werden: Was Dr.
Günter Irmscher aus Köln im Rahmen dieses Auftrages an Fakten zu
Herstellungsprozess, Handwerks- und Kunstgeschichte des für den
Oberrhein so wichtigen Bergkristallschliffs zusammengetragen hat, verdient
höchste Anerkennung. Seine Erkenntnisse sind in dem die Ausstellung
begleitenden Kataloghandbuch niedergelegt, das eine sachdienliche
Strukturierung und eine Neuordnung aller auf den Breisgau zu beziehenden
Bergkristallobjekte bringt.
Der Katalog, der nicht nur von der internaitonalen Fachwelt mit
großem Interesse erwartet wird, hat als Handbuch zur
Steinbearbeitung zu gelten, das auch die geplante Bearbeitungen der
anderen Steinschliffzentren beinflussen wird.
Für den reichen hier ausgebreiteten Fundus war eine vorherige
Suchaktion an über 100 Museen und privaten Sammlugen in Europa und
den Vereinigten Staaten, sowie in kirchlichen Schatzkammern und
Denkmalämtern in Süddeutschland, im Elsaß, in
Österreich und in der Schweiz vorausgegangen , deren Ergebnisse
für Ausstellung und Katalgog ausgewertet wurden.
Die Ausstellung, in der die repräsentativsten Bergkristallobjekte aus
dem Breisgau zu sehen sind, wäre nicht möglich gewesen ohne die
kollegiale und großzügige Unterstützung, die das
Augustinermuseum von bedeutenden deutschen und ausländischen Museen,
seien es staatliche, kommunale oder kirchliche Sammlungen, erfahren
hat.
Angesichts der wissenschaftlichen Bedeutung der in Feiburg geplanten
Ausstellung trennten die Kollegen der anderen Sammlungen sich von den
fragilen und oftmals kostbarst gefaßten Gefäßen und
Geräten, um sie den Gefahren einer Reise auszusetzen.
So faszinieren in der Ausstellung des Augustinermuseums wertvolle
Bergkristallobjekte aus fürstlichen und kirchlichen Sammlungen, die
ursprünglich in Freiburg für bestimmte Auftraggeber gefertigt
wurden und nun im Kontext der Produktionsvielfalt miteinander verglichen
werden können.
Die wertvollen Leihgaben stammen aus kirchlichen und profanen Sammlungen
und Museen Deutschlands (Altötting, Augsburg, Dresden, Hamburg,
Karlsruhe, München, Stuttgart, Wilflingen), Österreichs (Graz,
Innsbruck, Wien), der Schweiz (Landesmuseum Zürich, der Klöster
Mariastein und Sarnen) und des Elsaß; zudem wurden
Bergkristallgefäße aus dem Rijksmuseum in Amsterdam und der
National Galery in Washington als Leihgaben zur Verfügung
gestellt.
Die Eröffnung findet am Dienstag, 3. Juni 1997, 19 Uhr statt (im Ausstellungsraum der Universitätsbibliothek, Freiburg i. Br., im 2. OG). Es sprechen Dr. Saskia Durian-Ress, Direktorin des Augustinermuseums, Thomas Landsberg, Kulturbürgermeister der Stadt Freiburg und Dr. Günter Irmscher, Köln.