89. Deutscher Bibliothekartag 1999 in Freiburg im Breisgau

Kurzreferate

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Donnerstag, 27.5.
14.00 – 18.00 Uhr

KG I, HS 1010


Themenkreis XIV: Das alte Buch – Erschließung und Archivierung

Die Rettung unseres kulturellen Erbes in Bibliotheken und Archiven
Dr. Joachim Liers, Leipzig

Inkunabelkatalogisierung in Baden-Württemberg
Dr. Armin Schlechter, Heidelberg

"The copy in hand – Erschließung physischer Merkmale von Büchern in MARC am Beispiel der Provenienz"
Dr. Jürgen Weber, Weimar

Initiierung einer landesweiten Bestandserhaltung als landesbibliothekarische Aufgabe
Dr. Wolfgang Frühauf, Dresden

Moderation: Dr. Gerd Brinkhus, Tübingen

Die Rettung unseres kulturellen Erbes in Bibliotheken und Archiven – Wunschdenken oder Handlungskonzept?

Dr. Joachim Liers, Leipzig

Bibliotheken sehen sich mit einem Massenproblem ungeheuren Ausmaßes konfrontiert - dem Zerfall ihres Sammlungsgutes. Nach statistischen Erhebungen haben bereits 10% der Buchbestände in den Bibliotheken Westeuropas und den USA solche schweren Schäden, daß sie nicht länger benutzt werden können, 30% der Bestände sind geschädigt und 50% vom sauren Zerfall gefährdet.

Die Frage ist, inwieweit die Möglichkeit besteht, die Sammlungen in unseren Bibliotheken zu retten. Dies wird sehr oft als eine Illusion bezeichnet. Der Grund für diese Behauptung liegt hauptsächlich darin, daß sich die handwerkliche Papier- und Buchrestaurierung traditionell mit dem Einzelobjekt beschäftigt. Zwar wird dabei eine qualitativ hochwertige Arbeit geleistet, die Produktivität ist jedoch relativ niedrig und die Kosten sind dementsprechend hoch. Aus diesem Grund wird Bestandserhaltung oftmals weitestgehend auf Verfahren wie Verfilmung, Digitalisierung, Verpackung oder Magazinklimatisierung beschränkt. Ungeachtet ihrer Notwendigkeit, sind solche Methoden aber nur in der Lage, einen Teilaspekt der Bestandserhaltung zu realisieren, niemals jedoch das Hauptanliegen - die Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Originals.

Aus diesem Grund ist die Anwendung von Massenverfahren zur Papierkonservierung und Papierrestaurierung der Schwerpunkt der Arbeit des ZFB’s. Durch Einsatz modernster Technik, wie z.B. einer vollautomatischen Papierspaltmaschine oder einer Massenentsäuerungsanlage, ist man in der Lage, Bücher in einer Größenordnung zu konservieren bzw. restaurieren, was die Erhaltung von Beständen ganzer Bibliotheken realistisch erscheinen läßt. So erlaubt die Papierspaltmaschine die Restaurierung von bis zu 5.000 schwerst geschädigter Blätter pro Tag, während die Massenentsäuerungsanlage ca. 200.000 Bücher pro Jahr durch eine Entsäuerungsbehandlung konservieren kann.

Die Lösung der Bestandserhaltungsprobleme einer Bibliothek läßt sich jedoch nicht auf die Anwendung von zwei technischen Verfahren reduzieren. Aus diesem Grund bietet das ZFB eine Komplettdienstleistung im Bereich Bestandserhaltung an. Neben den genannten Verfahren zur Massenkonservierung und Massenrestaurierung werden daher handwerkliche Methoden zur Papier- und Buchrestaurierung ebenso angeboten wie rein präventive Bestandsschutzmaßnahmen und umfassende Gutachter- und Beratungstätigkeiten.

Nur so ist man in der Lage, für einen individuellen Sammlungsbestand einer einzelnen Einrichtung ein eigenes Bestandserhaltungskonzept zu entwickeln und zu realisieren.


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Inkunabelkatalogisierung in Baden-Württemberg

Dr. Armin Schlechter, Heidelberg

In Baden-Württemberg werden etwa 16.000 Inkunabeln vor allem in den Universitätsbibliotheken Freiburg, Heidelberg und Tübingen sowie in den Landesbibliotheken Karlsruhe und Stuttgart aufbewahrt. Der größte Einzelbesitzer des Landes und - nach der BSB München - der zweitgrößte Besitzer in Deutschland überhaupt ist die WLB Stuttgart mit etwa 7.000 Einheiten. Mit Ausnahme der Stuttgarter Bestände, die zum Teil schon Ende des 18. Jahrhunderts als Folge besonderen Sammlungsinteresses von Herzog Karl Eugen gebildet worden sind, handelt es sich von der Provenienz her zum großen Teil um Säkularisationsbestände, die bei der Aufhebung fast aller Klöster im Westen Deutschlands von Hof- und Universitätsbibliotheken übernommen werden konnten. Da man zu dieser Zeit den Bibliotheken geistlicher Einrichtungen keinen Ensemblewert beimaß, wurden die einzelnen Bücher auf mehrere Institutionen verteilt. Diese Bücherwanderungen fanden innerhalb der historischen Länder Baden und Württemberg unabhängig voneinander statt.

Erschlossen sind von den Beständen der großen Bibliotheken bisher lediglich die Inkunabeln der UB Freiburg. Als Kompetenzzentrum für die Inkunabelkatalogisierung hat sich im Lande mit personeller Unterstützung durch die Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg die UB Tübingen etabliert, von der aus die Bestände der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Katalog ist bereits erschienen) sowie der Gymnasien in Konstanz und Rastatt bearbeitet worden sind; inzwischen konnten auch zwei Drittel der eigenen Inkunabelbestände verzeichnet werden. Zur Zeit katalogisiert die UB Heidelberg ihre eigenen Bestände; im Anschluß sollen hier nach Tübinger Vorbild die Inkunabeln der UB Mannheim bearbeitet werden. Auch in den beiden Landesbibliotheken Karlsruhe und Stuttgart ist mit Engagement im Bereich ihrer Bestände nach Tübinger Vorbild zu rechnen. Hohen landeshistorischen Wert hat die heute übliche Inkunabelkatalogisierung vor allem aufgrund der Verzeichnung der Provenienzen.

Die zeitlich und inhaltlich koordinierte Katalogisierung bietet die Gelegenheit, nach und nach einen internetgestützten, gemeinsamen Inkunabelkatalog aller baden-württembergischen Bibliotheken zu gestalten. Ein solches Projekt liefert nicht nur den erst in der Anfangsphase befindlichen Bibliotheken Fremdleistungen, es ermöglicht auch in flächendeckendem Maß zumindest für den Inkunabelbereich die Rekonstruierung der zu Beginn des 19. Jahrhunderts zerrissenen Bibliothekszusammenhänge über die einzelnen Einrichtungen hinweg.


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The copy in hand - Exemplarspezifische Erschließung in MARC am Beispiel der Provenienz

Dr. Jürgen Weber, Weimar

Seit Mitte der 80er Jahre erscheint unter der Aufsicht der Association of College and Research Libraries eine Reihe von Thesauri, die ein kontrolliertes Vokabular zur Erschließung der physischen Eigenschaften von Büchern anbieten, z.B. Printing and Publishing Evidence (1986), Binding Terms (1988), Type Evidence (1990). Anlaß war die Idee, diese Eigenschaften in einem maschinenlesbaren Format (MARC) über recherchierbare Felder umfassend bibliographisch zu beschreiben. Damit wird eine Entwicklung eingeleitet, die einigermaßen aufsehenerregend ist. Hier vollzieht sich die Abkehr von der Fixierung auf die Titelbeschreibung hin zur Betrachtung des individuellen Exemplars. Das Buch wird als physisches Objekt entdeckt.

Die exemplarspezifische Erschließung lag bislang nicht in der Perspektive der gängigen Regelwerke für die Formal- und Sacherschließung. Am Beispiel der Provenienz soll die Wirksamkeit der nun geschaffenen Instrumente für die Erforschung der Buchgeschichte sowie von Produktion, Gebrauch und Verteilung von Texten gezeigt werden.

Vorgestellt wird die Übersetzung des Thesaurus Provenance Evidence (1988) ins Deutsche sowie seine Anwendung bei der Katalogisierung in lokalen PICA-Kategorien durch die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Dabei wird auch auf die Frage eingegangen, wie Ermittlung und Dokumentation von Provenienzen in vertretbarem Aufwand in die Geschäftsgänge der Buchbearbeitung und Bestandserhaltung integriert werden können.


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Landesweite Koordinierung der Bestandserhaltung in Sachsen

Dr. Wolfgang Frühauf, Dresden

Der Beitrag umreißt das bisherige Konzept und die gegenwärtige Praxis der Bestandserhaltung an den wissenschaftlichen Bibliotheken in Sachsen. Dabei wird die koordinierende Funktion der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden in der seit 1995 landesweit angelegten Bestandserhaltung erläutert und in besonderer Weise die Aufgaben der ihr zugeordneten Landesstelle für Bestandserhaltung dargestellt. Auf den funktionalen Zusammenhang von landesbibliothekarischen Aufgaben und Bestandserhaltung wird eingegangen wie auch auf einige in der Klärung befindliche Probleme, z.B.

  • das Verhältnis von Universitätsautonomie und zentraler Lenkung der bestandserhaltenden Maßnahmen,

  • das Verhältnis von zu erhaltenden und nicht zu erhaltenden Beständen in einer Region,

  • die Einbeziehung nichtstaatlicher Institutionen in die staatlich finanzierte Konvertierung historischer Zeitungen und in andere Maßnahmen der Bestandserhaltung,

  • das Verhältnis von Bestandserhaltung und Bestandserschließung,

  • die Abstimmung der Landesprogramme für Bestandserhaltung mit anderen regionalen und nationalen Bibliotheksprojekten.


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http://www.ub.uni-freiburg.de/bibtag99/abstract/14.html
Letzte Änderung: 29.04.1999

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