EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 11 (1997)

Zukunftsoffensive Junge Generation Baden-Württemberg
"Programmteil Wissenschaftliche Bibliotheken"

Harald Gall

(Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg)


Zusammenfassung:

Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat im April 1997 beschlossen, für die Modernisierung der wissenschaftlichen Bibliotheken insgesamt 40 Mill. DM bis zum Jahre 2001 im Rahmen des Programms "Zukunftsoffensive Junge Generation" bereitzustellen.
Diese zusätzlichen Mittel sollen vor allem für die Beschaffung neuer Hard- und Software, für den Aufbau von lokalen elektronischen Beständen, für die Einrichtung regionaler Datenbankserver und für die Verlängerung der Öffnungszeiten in den Bibliotheken ausgegeben werden.




In der Vereinbarung über die Bildung einer Koalitionsregierung für die zwölfte Legislaturperiode des Landtags von Baden-Württemberg haben sich die Koalitionspartner unter anderem auf das Programm "Zukunftsoffensive Junge Generation" verständigt.

Im Rahmen dieses Programms wurde vorgesehen, für die Modernisierung der wissenschaftlichen Bibliotheken einen Betrag von 40 Millionen DM aus Landesmitteln bereitzustellen. Dieser Betrag soll nach Ansicht der Landesregierung in die Ausweitung der Öffnungseiten, zusätzliche Buchbeschaffungen, die weltweite Vernetzung der Hochschulbibliotheken und in die Verfügbarkeit von Dienstleistungen am Arbeitsplatz und in der Bibliothek investiert werden.

Wesentliches Ziel ist es hierbei, Wissenschaftlern und Studierenden eine optimale Versorgung bei den wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Baden-Württemberg zu gewährleisten.

Berücksichtigt wurde hierbei, daß die wissenschaftlichen Bibliotheken mit der zur Zeit vorhandenen Ausstattung nicht in der Lage sind, auf diese Herausforderungen zu reagieren.

In der Universität Freiburg beispielsweise gab es 1995 ca. 38.000 Nutzer, davon cirka 10.000 Privatbenutzer. Die Leseräume der Zentralbibliothek mit fast 800 Leseplätzen sind stark frequentiert, häufig erhält man keinen Platz mehr. Trotzdem werden aus der Zentralbibliothek jährlich über 1,6 Millionen Bände am Ort nach Hause entliehen, über 40.000 Fernleihbestellungen schickt sie jährlich an andere Bibliotheken, über 45.000 Fernleihbestellungen erhält sie von anderen.

Derart große Datenmengen können nur durch eine elektronische Datenverarbeitung auf dem aktuellen Stand der Technik bewältigt (transportiert) werden.

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien erweitern sprunghaft die Möglichkeiten der Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung von Informationen. Die zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit von Informationen ist künftig für die Wissenschaft, Wirtschaft und andere Bereiche unabdingbar.

Nicholas Negroponte, der Gründer des Medienlabors am MIT, hat in seinem Büchern ein beeindruckendes, ja teilweise auch beunruhigendes Szenario entworfen. Wenn er recht behält, werden wir über kurz oder lang weltweit Zugang haben zu 15.000 Fernsehkanälen, zu mehreren hundert Millionen Büchern im Volltext und zu Milliarden von Zeitungsseiten. Ein solches Ausmaß an verfügbarem Wissen, und zwar unabhängig von Ort und Zeit, hat es bisher in der Menschheitsgeschichte nicht gegeben.

Die wissenschaftlichen Bibliotheken spielen hierbei auf dem Weg zur Informationsgesellschaft eine wesentliche Rolle; es ist daher eine umfassende und grundlegende neue usrichtung der wissenschaftlichen Bibliotheken im Bereich der Informationsversorgung nötig. Die wissenschaftlichen Bibliotheken befinden sich derzeit in einem Wandel hin zu "Infotheken", die neben klassischen Medien wie Büchern und Zeitschriften auch Daten und Publikationen in elektronischer Form zugänglich machen. Das Tor zur "virtuellen Bibliothek" soll daher mit diesem Programm aufgestoßen und die Entwicklung stark beschleunigt werden.

Mit der zur Zeit vorhandenen Ausstattung sind die Bibliotheken nicht in der Lage, auf diese Herausforderungen zu reagieren. Es besteht deshalb dringender Investitionsbedarf, andere Bundesländer wie Hessen und Bayern haben daher ebenfalls bereits entsprechende Initiativen ergriffen und Investitionsmittel bereitgestellt.

Um diese Defizite zu beheben und die notwendigen strukturellen Änderungen einzuleiten, hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg die Arbeitsgruppe "Zukunftsoffensive Wissenschaftliche Bibliotheken" um die Erarbeitung eines Programmpapiers gebeten. Diese Arbeitsgruppe hat diese Aufgabe dankenswerterweise in kürzester Zeit bewältigt, sie setzte sich aus Spezialisten aus dem Bereich der Bibliotheken und der Universitätsrechenzentren zusammen.

Bei der Erarbeitung dieses Berichts wurden folgende Vorgaben des Bibliotheksausschusses für Datenverarbeitung und der Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit berücksichtigt:

"Bei den im Einsatz befindlichen Systemausstattungen sind

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat die Arbeitsgruppe Zukunftsoffensive dann folgende Empfehlungen ausgesprochen:

Um ein hohes Maß an Verfügbarkeit der lokalen Systeme zu erreichen, sind die wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes Baden-Württemberg in den kommenden 5 Jahren mit neuer Hard- und neuer Software auszustatten. Die Kosten für die neue, innovative Software betragen 4,0 Mio. DM, die Hardware-Investitionen rund 16 Mio. DM. Die Bereitstellung der Mittel für die Software soll aus dem Zukunftsoffensive-Programm, die Bereitstellung der Mittel für die Hardware-Investitionen muß aus den allgemeinen Haushaltstiteln erfolgen.

Durch den Aufbau von lokalen elektronischen Beständen sowie der vorgesehenen Nutzung in der Bibliothek und für die Universität müssen für die Bereithaltung von Multimedia-Dokumenten sowie für die Nutzung derselben die Bibliotheken ausgestattet werden, die Investitionskosten betragen hierfür 4,5 Mio. DM.

Das im Jahr 1982 beschaffte Bibliotheks-Verbundsystem muß an die modernen Anforderungen und die gewachsene Infrastruktur der Hochschulen angepaßt werden, für die neue Hard- und der Software fallen Kosten in Höhe von 3,5 Mio. DM an.

Für die Verbesserung des Zugangs zu überregionalen und internationalen Datenbanken, für die Einrichtung regionaler Server, für den Aufbau von Fach- und Literaturinformationszentren, für den Aufbau von Volltexten und Hochschulpubl ikations-Datenbanken und für die Dokumentlieferung und Fernleihe durch vernetzte Dienstleistungrechner werden in den nächsten 5 Jahren Personal-, Hard- und Softwarekosten in Höhe von 11,3 Mio. DM benötigt. Zur Verbesserung der elektron ischen Bestandsnachweise, der Informationsdienstleistungen und der verbesserten Erschließung sind 4,4 Mio. DM erforderlich.

Ein wesentlicher Schwerpunkt der Informationsversorgung für die wissenschaftlichen Bibliotheken ist die Literaturbeschaffung, insbesondere für elektronische Medien. Hierfür sind Mittel in Höhe von 13,55 Mio. DM vorgesehen.

Um einen erfolgreichen Studien- und Arbeitsablauf der Lehrenden, der Lernenden und der wissenschaftlich Tätigen zu gewährleisten, ist eine - immer noch angedachte - Ausweitung der Öffnungszeiten erforderlich. Hierfür sollen in den nächsten 5 Jahren zusätzlich 2,5 Mio. DM bereitgestellt werden.

Diese Empfehlungen basieren auf dem derzeitigen Organisations-, Hardware- und Softwarestand. Da sich die Bibliothekslandschaft aber weiter entwickeln wird, ist vorgese hen, die oben vorgeschlagenen Maßnahmen jährlich zu überprüfen und gegebenenfalls fortzuschreiben.

Insbesondere sollen im Rahmen der Fortschreibung des Programms auch die Möglichkeiten geprüft werden, Universitätsbibliotheken, die baulich dafür geeignet sind, in 24-Stunden-Bibliotheken umzuwandeln. Voraussetzung ist dafür, daß die elektronischen Möglichkeiten für Rechercheangebote in sämtlichen maschinenlesbaren Verbundsystemen in Deutschland, in der Bestellung von Literatur, in der Verlängerung von telefonischen Leihfristen usw. für 24 Stunden täglich geschaffen werden.

Die zur Umsetzung dieses Programms notwendige Kabinettsvorlage wurde erfreulicherweise am 7. April 1997 vom Ministerrat des Landes Baden-Württemberg beschlossen.

Der Ministerrat hat damit die Voraussetzungen geschaffen, daß die zukunftsweisenden Investitionen für die wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes umgesetzt werden können.



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