EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 16 (2000)

UB-Lehrveranstaltung zur wissenschaftlichen Informationsbeschaffung im Pharmaziestudium

Von Dr. Simon Geiger, Universitätsbibliothek Basel

Ausgangslage
Das Berufsbild der Pharmazeutin hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Das Hauptziel des Studiums ist nicht mehr die Befähigung zur Leitung einer Apotheke und die Herstellung von Präparaten. Der Schwerpunkt hat sich vielmehr in Richtung der Entwicklung von Medikamenten unter Einsatz neuer Technologien, etwa dem 'Molecular Modeling' an spezialisierten Grafikcomputern, verlagert und entspricht so den Anforderungen der universitären und industriellen Forschung.

In der Stadt Basel, in der die Hauptsitze der globalen Pharmakonzerne Novartis und Hoffmann-La Roche angesiedelt sind, kommt dieser Ausbildung spezielle Bedeutung zu. Dennoch ist es für die mit knapp 8000 Studierenden recht kleinen Unviersität nicht einfach, die Mittel für teure High-Tech Departemente bereitzustellen. Sie ist deshalb auf die Unterstützung Dritter angewiesen, etwa auf den Beitrag des Bundes (d.h. der Schweizer Regierung) an den Neubau des inzwischen in Betrieb genommenen Pharmazentrums, welches das unter Denkmalschutz stehende historische Institutsgebäude in der Innenstadt ersetzt.

Die Vergabe der Subventionen war keineswegs selbstverständlich, denn der Bund strebt eine Reduktion der Pharmaziestandorte mit Vollstudiengang und Forschung an. Die enge Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich und die dadurch erzielten Synergien waren dabei für Basel äusserst nützlich. In naher Zukunft wird das eidgenössische Pharmaziediplom nur noch in Basel, Zürich und Genf erlangt werden können.

Pharmaziestudium
In diesem Umfeld des Wandels und der harten Konkurrenz musste das Studium möglichst attraktiv im Sinne einer qualitativ hochstehenden Ausbildung gestaltet werden. Bestens ausgestattete Labors, individuelle Betreuung, neue Lerntechnologien und moderne Ausbildungsinhalte sind dabei wichtige Faktoren. Nicht zu unterschätzende Komponenten des ausserordentlich intensiven Studiums sind auch Kurse über das Internet und über die Handhabung der Fachinformationsmittel, sowie didaktische Lehrveranstaltungen zum effizienten Lernen.

Die zuständige Fachreferentin und ihre Kollegen wurden vom Departement Pharmazie gebeten, den neu gestalteten Ausbildungsgang mit zwei Staffeln von Lehrveranstaltungen zu Beginn des Studiums und im vierten Jahreskurs zu unterstützen. Sie haben diese Aufgabe sehr gerne übernommen, denn die offizielle Integration in den Vorlesungsplan erhöht die Beachtung der Veranstaltungen bei den Studierenden und vereinfacht die Organisation beträchtlich.

Studienbeginn
Die Studienanfänger/innen lernen das zweischichtige Bibliothekssystem der Universität Basel, den Online-Katalog und das Web-Portal für pharmazeutische und medizinische Fachinformation kennen. Dabei werden als Mittel Führungen in den Bibliotheken und eine Kurzschulung an PC-Arbeitsplätzen eingesetzt. Ein Vorlesungsteil in Form einer Power-Point Präsentation leitet die Veranstaltung ein, die zu Semsterbeginn in drei Lektionen an zwei Tagen abgehalten wird.

Fortgeschrittenes Studium
Im Sommersemester des vierten Jahreskurses, kurz bevor die Studierenden selbständige Forschungsprojekte übernehmen, wird ein Praktikum 'Wissenschaftliche Informationsbeschaffung' angeboten, welches in vier Blöcke gegliedert ist:

Diese Kurse werden von externen Dozierenden aus der Industrie, von einem Mitarbeiter des Rechenzentrums und von einem Team der Universitätsbibliothek (Fachreferate Medizin und Naturwissenschaften) durchgeführt.

Jeder der vier Blockkurse umfasst 3-4 Halbtage. Jede Veranstaltung wird dreimal abgehalten, damit eine optimale Betreuung in Gruppen von höchstens 15 Studierenden gewährleistet ist. Zur Verfügung stehen Übungsräume mit einem Bildschirmprojektor und 16 PC-Arbeitsplätzen.

Der Block 'Informationsbeschaffung über Bibliotheken' umfasst Veranstaltungen im Pharmazentrum, in der Universitätsbibliothek und in der Medizinbibliothek.
Gezeigt und erklärt wird das Angebot der an der Universität zugänglichen Fachinformationsmittel. Dazu gehören:

Ausbildungsziele
Die Studierenden sollen selbständige Recherchen mit Hilfe der jeweils geeigneten Instrumente vollständig und präzise durchführen können. Nach der Auswahl der für die Fragestellung relevanten Datenbanken ist die spezifische Umsetzung der Suchstrategie besonders wichtig. Moderner ausgedrückt soll das zielsichere Navigieren im Wissensraum vermittelt werden.

Aufgezeigt werden auch die möglichst rationelle Beschaffung der ermittelten Dokumente in ihren verschiedenen Erscheinungsformen und die Wahrung der Übersicht in den sich im Verlaufe der Zeit anhäufenden Recherchenergebnissen.

Information Literacy (*)
Die vermittelten Fähigkeiten werden von Studienabgängern erwartet, denn Datenbankrecherchen werden immer häufiger von den Forschern auch in der Industrie selbst durchgeführt. Die effiziente und erfolgreiche Anwendung der relevanten Informationsmittel ist zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Forschungstätigkeit geworden.
Das serielle Suchen und Beschaffen von Dokumenten weicht dabei zunehmend dem Navigieren in den gerade im Bereich Pharmazie sehr kostspieligen Informationsquellen. Dass dabei dank der pauschalen Campus-Lizenzen kein Gebührenzähler mehr mitläuft, ist von unschätzbarem Wert, gerade in der Ausbildung.

Fazit
Es ist zu hoffen, dass das obige Modell auch auf andere Studiengänge übertragen werden kann, denn es trägt in nicht unerheblichem Masse zur Qualitätssteigerung in der Ausbildung bei.

Die Lehrveranstaltungen sind auch für die beteiligten Fachreferenten/innen ein grosser Gewinn, weil im direkten Kontakt die Bedürfnisse und die versteckten Schwierigkeiten der Nutzer/innen noch deutlicher werden. Diese Erkenntnisse fliessen in die Auswahl und Präsentation der von der Universitätsbibliothek vermittelten Informationsmittel und Dienstleistungen ein.

Die Erfahrungen auch in anderen Fachgebieten zeigen, dass sich die Hochschulbibliotheken nicht mehr auf die Erwerbung und die Erschliessung von Medien beschränken können. Deren übersichtliche und fachgerechte Präsentation im Internet, sowie ein flächendeckendes und abgestuftes Angebot von Schulungen sind ebenso wichtig. Mit Hilfe dieser Komponenten können die Studierenden den entscheidenden Schritt vom unverbindlichen Surfen zum zielgerichteten Navigieren in der wachsenden Vielfalt der Fachinformationen bewältigen.



(*) Information literacy is a set of abilities requiring individuals to "recognize when information is needed and have the ability to locate, evaluate, and use effectively the needed information." Aus: http://www.ala.org/acrl/ilintro.html



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