3. Offene Probleme in der bisherigen Behandlung der Frage. Das Ziel unserer Untersuchung

1. Nach einem ersten, grundlegenden Ansatz der neueren (transzendentalen) Fundamentaltheologie und "christlichen Philosophie", der herausstellte, daß die menschliche Freiheit aufgrund ihrer inneren Struktur notwendig auf die rückhaltlose Bestimmung durch Gott transzendiere (M. Blondel), galten die Bemühungen in den letzten Jahrzehnten vor allem dem Versuch, diese Transzendenz als einen Entwurf auf Geschichte hin aufzuweisen - um die Formulierung K. Rahners in "Hörer des Wortes". aufzunehmen: "Der Mensch ist jenes Seiende, das in seiner Geschichte auf die möglicherweise im menschlichen Wort kommende geschichtliche Offenbarung Gottes horchen muß" (1). Mehr und mehr trat schließlich eine Frage in den Vordergrund, die in "Hörer des Wortes" (wie weitgehend im Umkreis des von M. Heidegger beeinflußten christlichen Philosophierens) nicht genügend geklärt erschien: die nach der (inter-)personalen Vermittlung von Offenbarung (2). Es ist das Verdienst E. Simons', dieses Problem nun in einer eigenständigen transzendentalen Untersuchung, im Zusammenhang mit einer präzisen Kritik von "Hörer des Wortes", von Grund auf neu angefaßt zu haben (3).

Bei dem Versuch, die Möglichkeit von Offenbarung aufzuweisen, bezieht man sich oft auf Lessing, dessen Behauptung, "zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftswahrheiten nie werden" (4), sich wie ein Manifest der bis heute wirksamen rationalistischen und aufklärerischen Ablehnung von Offenbarung als einer die menschliche Freiheit nicht betreffenden Größe ausnimmt.

Lessing selbst hatte noch unterschieden: "Ein andres sind Wunder, die ich mit meinen Augen sehe und selbst zu prüfen Gelegenheit habe: ein andres sind Wunder, von denen ich nur historisch weiß, daß sie andre wollen gesehen und geprüft haben" (5). Kierkegaard verschärfte die Fragestellung im Sinne der neuzeitlichen erkenntnistheoretischen Problematik, indem er den Unterschied zwischen dem "Schüler erster" und dem "zweiter Hand" aufhob: beide sind nach ihm grundsätzlich in der gleichen Lage hinsichtlich der geschichtlichen Vermittlung des Ewigen und Absoluten. In dieser Fassung steht das Problem bei der Behandlung der Frage nach der Möglichkeit von Offenbarung heute zur Debatte [De-

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batte] (6): Kann eine aposteriorische, nicht notwendige Realität in ihrer sinnlich-geschichtlichen Vermitteltheit überhaupt Grundlage eines Engagements werden, in dem der Mensch sein Verhältnis zum Absoluten entscheidet?

Ist dieses Problem schon hinreichend damit gelöst, daß man die notwendige Angewiesenheit des (auf Gott transzendierenden) Menschen auf Geschichte aufzeigt? Die heutige Diskussion der Frage erweckt tatsächlich den Eindruck, daß man mit dem Aufweis dieser beiden notwendigen Bedingungen der Möglichkeit von Offenbarung - nämlich der Transzendenz des Menschen auf Gott und der geschichtlichen Verfaßtheit seiner Freiheit - bereits die Möglichkeit von Offenbarung hinreichend erwiesen glaubt.

"Nur wenn in einer metaphysischen Anthropologie gezeigt ist, daß die Begründung der geistigen Existenz des Menschen durch geschichtliche Ereignisse und so das Fragen nach geschichtlichen Vorkommnissen von vornherein zum Wesen des Menschen und damit zu seinen unabdingbaren Pflichten gehört, ist ein Subjekt für die Annahme des Beweises einer bestimmten geschichtlichen Tatsache geschaffen und die Schwierigkeit einer rationalistischen und aufklärerischen Philosophie, etwa eines Lessing, grundsätzlich überwunden, die Schwierigkeit nämlich, daß für die Begründung 'notwendiger' Wahrheiten, das heißt von für die Existenz', für das 'Heil' des Menschen grundlegenden Wahrheiten, eine geschichtliche Tatsache von vornherein nicht in Betracht kommen könne" (7).

"... gerade intellektuelle Redlichkeit kann selbstkritisch verstehen, daß echte Geschichte nicht durch Theorie über Geschichtlichkeit ersetzt werden kann und daß die konkrete, nie adäquat reflektierte Geschichte die notwendige Vermittlung für die geistig-transzendentale Geistigkeit und Freiheit des Menschen ist, daß man also dem endlichen Raumzeitlichen sich anvertrauen muß, um das Ewige nicht nur im abstrakten Begriff, sondern in ihm selbst zu haben" (8).

.. . die geschichtlich-rationale Erkenntnis der Existenz Christi, des wesentlichen Inhaltes seiner Botschaft und seines Selbstzeugnisses; die geschichtlich glaubwürdige Bezeugung seiner Wunder als des Ausweises seines wirklichen Einverständnisses mit Gott und vor allem seiner Auferstehung; alles dieses ist genügend mit jener rationalhistorischen (analytischen) Sicherheit aufweisbar, mit der jeder Mensch in tausend wichtigen Entscheidungen seines Lebens sich begnügen muß und begnügen darf, zumal wenn deutlich ist, daß eine gegenteilige Entscheidung in ihrem Inhalt (der skeptischen Trostlosigkeit) und ihren 'Gründen' (die letztlich nur in der Nichterzwingbarkeit der ersten Entscheidung bestehen) keine wirklich bessere logische und sittliche Rechtfertigung hat" (9).

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Lessing hatte nicht bezweifelt, daß man für seine Lebensentscheidungen überhaupt auf historische Wahrheiten angewiesen ist. Aber er hatte nach dem Grund gefragt, warum der Mensch ein absolutes Engagement auf Wahrheiten gründen solle, die ihm gemeinhin nur relative, überholbare Entscheidungen abverlangen.

"Wir alle glauben, daß ein Alexander gelebt hat, welcher in kurzer Zeit fast ganz Asien besiegte. Aber wer wollte auf diesen Glauben hin irgend etwas von großem dauerhaften Belange, dessen Verlust nicht zu ersetzen wäre, wagen? Wer wollte diesem Glauben zufolge aller Kenntnis auf ewig abschwören, die mit diesem Glauben stritte? Ich wahrlich nicht" (10).

Gegenüber dieser Argumentation könnte man zwar einwenden, was ein Anselm oder Descartes den Gegnern des "ontologischen Gottesbeweises" entgegengehalten haben: Der Begriff einer gedachten "Insel" (wie aller endlichen Realitäten) impliziert nicht die Notwendigkeit ihrer Existenz, welche hingegen mit dem Begriff Gottes notwendig verbunden ist. Das Faktum "Alexander" fordert mir keine absolute Existenzentscheidung ab, wohl aber das Ereignis Jesus Christus. Wie aber gelange ich von der "logischen" zur "ontologischen" Ebene? Wie kann ich (was die einzig ausreichende Gründung für eine absolute Glaubensentscheidung wäre) gewiß sein, daß nicht ich selbst es bin, der die apriorische Eingefordertheit seines Geistes durch das Absolute willkürlich mit dem historischen Phänomen "Jesus" verbindet, außer wenn sich Absolutes in "endlich-geschichtlicher" Realität wirklich vermitteln, wenn der "historische Jesus" selbst diese absolute Einforderung meiner Freiheit sein kann?

Die Frage ist gerade, wie das "endlich Raumzeitliche" Grund genug sein kann, sich ihm anzuvertrauen, "um das Ewige ... in ihm selbst zu haben". Was sonst rechtfertigt den Übergang von den "tausend wichtigen Entscheidungen des Lebens" zu der absolut einmaligen Entscheidung, sich an ein singuläres raumzeitliches Ereignis vorbehaltlos und endgültig zu binden, was anders als die Evidenz, daß in diesem Ereignis Absolutes und Endgültiges erscheint, eine Evidenz, mit der nicht ich dieses Ereignis überkleide, sondern die ich aus ihm selbst gewinne?

Die Frage nach der Möglichkeit solcher Evidenz scheint mir bislang nicht hinreichend thematisch geworden zu sein. Sowohl in K. Rahners "Geist in Welt" wie in "Hörer des Wortes" wird nicht gefragt, wie das "andere" des Geistes (die "materia"), in dem der Geist zu sich selbst kommt und so auf Sein überhaupt vorgreift, von sich her den Geist bestimmen kann

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(nicht nur: notwendige Möglichkeitsbedingung der Selbstbestimmung dieses Geistes ist) (11). An der einzigen Stelle, wo K. Rahner die leere Möglichkeit "des anderen" (neutral) in eine mögliche Begegnung anderer Menschen übersteigt, verläßt er den transzendentalphilosophischen Ansatz. Die Behauptung, "daß der Mensch auf Grund seiner Wesensverfassung als eines materiellen Wesens in seiner Washeit, seiner Natur wiederholbar ist" (12), wird nicht transzendental begründet, noch wird die Möglichkeit interpersonaler Bestimmung deutlich gemacht (13).

Selbst wenn man eine "transzendentale Deduktion der Intersubjektivität" als möglich voraussetzt, bleibt die entscheidende Frage offen, wie sich mir im begegnenden Menschen Gott offenbaren kann.

So bleibt das Problem der Vermittlung des Absoluten durch ein geschichtlich Begegnendes auch in B. Weltes Aufsatz "Vom historischen Zeugnis zum christlichen Glauben" (14) bestehen, wo der Verfasser gegenüber der Lessingschen Frage auf das Wesen personaler Vermittlung hinweist, die grundsätzlich von anderer und höherer Qualität sei als die bloß historische Approximation an ein Ereignis. Doch auch die personale Begegnung, in ihrer generellen anthropologischen Struktur, bleibt immer nur ein "Modell", ein noch so hohes Analogon für jene personale Begegnung, in der sich Gott im Menschen absolut übereignet und deren Möglichkeit es zu erweisen gilt. Die Frage bleibt bestehen, wie denn das - aufgrund der Zeugenschaft glaubwürdige - "Widerfahrnis" (glaubwürdig als subjektives Erlebnis des Du) als eine wirkliche Begegnung Gottes erkannt werden kann. Das Christuszeugnis stellt mich (zunächst) doch nur vor die subjektive Überzeugung des anderen von Christus. Daß im menschlichen Zeugnis die Wirklichkeit Gottes wirklich präsent werden kann, ist damit noch nicht aufgewiesen (15).

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Die an den genannten Stellen mehr vorausgesetzte als geleistete transzendentale Deduktion der Intersubjektivität hat nun E. Simons in "Philosophie der Offenbarung" nachgeholt, indem er menschliche Freiheit in ihrer interpersonal-geschichtlichen Gegründetheit als Ereignis des absoluten Logos transzendental-kritisch aufweist. Aus der besonderen Thematik dieser Untersuchung ergibt sich allerdings, daß die uns hier beschäftigende Problematik keine Beantwortung erfährt.

Einerseits entfaltet Simons das Vorverständnis des in seiner Arbeit befragten Offenbarungsbegriffs methodisch nicht aus der Christologie, sondern der vergleichenden Religionsphilosophie.

"In dieser Arbeit ... wird - wie aus der Geschichte nicht nur der christlichen Überlieferung, sondern auch anderer Offenbarungsreligionen entnommen werden kann - in historischem Vorverständnis unter Offenbarung das Sichzeigen eines verborgenen überweltlichen, aber personalen Wesens, nämlich Gottes, verstanden, der als Urheber der Welt über der Geschichte der Menschen steht und dessen konkretes (mittel- oder unmittelbares) Erscheinen in dieser Geschichte für das Leben und Heil der Menschen von entscheidender Bedeutung ist" (16).

Befragt man Offenbarung so, daß das Ereignis in Jesus Christus auf gleicher Ebene mit anderen Offenbarungsereignissen betrachtet werden kann, dann wird sich das Problem der möglichen geschichtlichen Erscheinung des Absoluten nie in jener Schärfe stellen, in der es durch die Behauptung gestellt ist, daß Jesus Christus allein die einzige absolute und endgültige Erscheinung Gottes ist.

Dem entspricht, daß bei Simons die Frage nach der Gültigkeit geschichtlicher Bestimmung nicht thematisch wird. Fragt man nach Offenbarung als der letztgültigen Bestimmung menschlicher Freiheit durch ein begegnendes Du, dann genügt es nicht, die Möglichkeit von Interpersonalität als Wahrheitsereignis überhaupt zu erhellen. Aus der Erfahrung der Zwiespältigkeit und Überholbarkeit faktischen interpersonalen Geschehens ergibt sich gerade die Frage, wie - wenn Geschichte überhaupt als Ereignis von Offenbarung begriffen werden muß - solche Offenbarung möglich ist, in der Gott sich in einem geschichtlichen Ereignis absolut gültig vernehmen läßt.

Darüber hinaus klammert Simons die sinnliche Vermittlung interpersonaler Vollzüge aus der Thematik seiner Untersuchung aus. So sehr er die

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notwendige objektive Vermitteltheit der sich interpersonal ereignenden Freiheit betont (17), ist die Rolle, die die sinnlich erfaßte Realität für die Erkenntnis des personal Begegnenden spielt, nicht eigens in den Blick genommen (18). Insofern aber die sinnliche Medialisation interpersonalen Geschehens von erkenntnistheoretischem Belang ist, ergibt sich auch von hierher die Frage, wie interpersonale Wahrheit gültig erkannt werden kann, wenn gerade die sinnliche Vermittlung gültige Erkenntnis von Wahrheit zum Problem macht.

2. Bevor wir das Ziel unserer Arbeit näher umgrenzen, soll zunächst der Offenbarungsbegriff bestimmt werden, wie er sich nach den vorausgeschickten Bemerkungen stellt.

In Jesus von Nazareth ist Gott in seinem absoluten und endgültigen Heilszuspruch vernehmbar und sichtbar geworden. Sichtbar zwar nicht im Sinne von "objektiv faßbar", als ob der Mensch außerhalb seiner freien Entscheidung für Gott sich Gottes anhand von Sinnesdaten und Fakten vergewissern könnte, aber doch so, daß nicht der Mensch es ist, der, weil er Gott will, aus dem "historischen Jesus" einen "Christus des Glaubens" macht, eine in sich endlich bleibende geschichtliche Realität aufgrund seiner absolut von Gott erleuchteten apriorischen (oder faktisch schon früher aufgelichteten) Transzendenz absolut aufwertet. Entgegen allem Doketismus und Gnostizismus ist festzuhalten, daß es die leibhaftige Person dieses Jesus von Nazareth ist, die Gott wirklich vermittelt, und nicht der (wie immer gedachte) Geist des Glaubenden, der Gott in Jesus hineinprojiziert; daß dieser Jesus nicht nur zum (wie auch immer einmaligen) okkasionellen Anlaß geworden ist, an dem der Mensch Gottes inneward, sondern Gott wirklich im Fleische die menschliche Freiheit ansprach.

So formal man dieses Geheimnis auch fassen muß, um Philosoph zu bleiben, man kann, um Christ zu bleiben, nicht daran vorbei, daß hier das sinnlich und einmalig geschichtlich Gegebene "das Absolute" wirklich vermittelte. In einer sinnlich-geschichtlich begegnenden Realität (nicht bloß okkasionell an ihr) hat sich Gott so dem Menschen übergeben, daß dieser - im freien Ja - seinem sich sinnlich-geschichtlich vollziehenden Sein einen absoluten Sinn gewinnen kann (Jesus als Weg zur Auferstehung des Fleisches).

Die Frage nach der Möglichkeit von Offenbarung kann innerhalb einer christlichen Philosophie also nur dann zureichend gelöst werden, wenn der Nachweis erbracht wird, daß sinnlich-geschichtlich Begegnendes wirklich so auf Gott hin transparent werden kann, daß es dem Menschen

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einen absolut gültigen Vollzug seines ganzen (leib-seelischen) Daseins vermittelt.

Nun steht die transzendentale Frage nach der Möglichkeit von Offenbarung, vom philosophiegeschichtlichen Ursprung der Transzendentalphilosophie her, gerade in dem Dilemma, das auch die Schwierigkeit der Frage ausmacht, ob ein sinnlich-geschichtlich Begegnendes auf Gott hin transparent ist. Wieweit man auch "anthropozentrische" Denkformen schon bei mittelalterlichen Philosophen entdecken kann, es dürfte kaum zu bestreiten sein, daß die eigentliche "Wende" zur radikalen Anthropozentrik und transzendentalen Fragestellung mit dem Zusammenbruch antik-mittelalterlicher Realitätserfahrung einhergeht, in dem der Seinssinn des sinnlich-geschichtlich Begegnenden als "vestigia Dei" von Grund auf fraglich wurde. Ein Prozeß, der sich früher mehr "punktuell" in der Existenz einzelner Philosophen ereignet hatte (daß bei Zerstörung naiver Realitätsgewißheit der radikal Wahrheitsuchende auf sein Ich bzw. reine Bewußtseinsgehalte zurückging), wurde damit zum "Geschick" neuzeitlichen Fragens überhaupt.

So sehr die Frage nach der Möglichkeit absolut gültiger Erkenntnis eines sinnlich Begegnenden nur einen bestimmten Aspekt der Frage nach der Möglichkeit von Offenbarung hervorhebt, scheint sich also schon aus der Geschichte des transzendentalen Fragens die Notwendigkeit zu ergeben, diesen Aspekt so anzugehen, daß zugleich das Problem der Offenheit des Menschen auf Offenbarung von Grund auf überdacht wird.

Wir wollen dies in zwei Schritten versuchen.

a) Über die vorausgegangenen Andeutungen hinaus gilt es, die Verengung der bisherigen Fragestellung aus dem systematischen Ansatz zur Untersuchung der Möglichkeit von Offenbarung zu erklären. Da wir in unserer Arbeit unmöglich die Gesamtheit der gemachten Versuche - etwa von M. Blondel bis E. Simons - analysieren können, beschränken wir uns auf jenen transzendentalphilosophischen Ansatz, der in der letzten Zeit wohl am stärksten die genannte Fragestellung bestimmt hat: das Denken der sogenannten "Maréchalschule".

Auch hier muß weiter eingegrenzt werden. Es kann in unserer Untersuchung nicht das gesamte Werk jener Autoren in den Blick kommen, die sich Maréchal verpflichtet wissen. Eine Einschränkung fällt deswegen leichter, weil kürzlich zwei detaillierte Untersuchungen hierüber erschienen sind, die ausdrücklich die ganze Systematik thematisch machen. O. Muck ("Die transzendentale Methode in der scholastischen Philosophie der Gegenwart") geht es dabei mehr um eine positive Darstellung der verschiedenen Ansätze innerhalb dieses Philosophierens. H. Holz ("Transzendentalphilosophie und Metaphysik") erstrebt - in einem "system-

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morphologischen Vergleich" dieses Denkens (vor allem) mit dem Ansatz H. Wagners - eine mehr kritische Gesamtwürdigung.

Sachlich bestimmt sich die Fragestellung für unsere Auseinandersetzung aus der besonderen Thematik unserer Arbeit: Wir fragen nach der Transparenz des sinnlich begegnenden Seienden auf Gott. Obwohl das Problem der Möglichkeit von Offenbarung selbst in der "Maréchalschule" selten eigens zur Sprache kommt (im deutschen Sprachraum systematisch nur bei K. Rahner), ist der "Ort" dieses Problems jeweils im Zentrum der transzendentalen Grundlegung von Metaphysik gegeben, wie sie von diesen Autoren verstanden wird: Insofern Erkenntnismetaphysik aus der Transzendenz des menschlichen Geistes auf das absolute Sein entfaltet wird, dieser Aufweis aber nie auf einer isolierten Subjektivität, sondern stets auf dem subjektiven Vollzug in seiner Vermitteltheit durch begegnende Realität gründet, ergibt sich hier ein innerer Zusammenhang zwischen der Problematik, inwieweit das materiell Vermittelte transparent auf Gott ist, und der erkenntnismetaphysischen Systematik selbst. Wir werden lediglich auf J. Maréchal selbst (mit einem kurzen Hinweis auf den wohl kürzesten Abriß eines "Gottesbeweises" innerhalb der "Maréchalschule" bei J. Defever) und auf J. B. Lotz und E. Coreth als die neben K. Rahner wohl bedeutendsten Vertreter dieses Denkens im deutschen Sprachraum eingehen. K. Rahner glaubten wir hier deswegen nicht gesondert heranziehen zu sollen, weil einerseits sein transzendentaler Ansatz beim Fragevollzug in der Besprechung E. Coreths mitberücksichtigt werden kann und "Geist in Welt" gerade bezüglich der von uns gestellten Frage nichts grundsätzlich von dem Verschiedenes erbringt, was in den übrigen Arbeiten behandelt wird, andererseits "Hörer des Wortes" durch E. Simons eine Kritik erfahren hat, der wir im wesentlichen zustimmen, wenn auch ihr Ausgangspunkt von dem unsrigen verschieden ist.

b) Im zweiten Abschnitt des Hauptteils unserer Arbeit soll dann die Frage nach der Möglichkeit von Offenbarung, wie sie sich uns nach den vorausgeschickten Erörterungen stellt, systematisch untersucht werden. Methodische Überlegungen hinsichtlich der transzendentalen Reduktion und Deduktion erübrigen sich hier, da die Legitimation jedes systematischen Denkschrittes am jeweiligen Orte selbst gegeben wird. Lediglich unser Versuch, systematische Entfaltung und philosophiegeschichtliche Auseinandersetzung zu verbinden, muß kurz begründet werden.

Jede Einsicht wird in einer bestimmten Gesprächssituation gewonnen. Auch eine transzendentale Ableitung, der es um unbedingte Evidenz geht, bleibt hinsichtlich des Sinnes der gemachten Aussagen von der jeweiligen Auseinandersetzung bestimmt, aus der sie erwachsen sind. Die

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Frage, wie geschichtliche Bestimmtheit und unbedingte Gültigkeit von Wahrheit überhaupt zusammengehen können, bildet das Thema dieser Untersuchung und ist also nicht im voraus zu beantworten.

Wenn wir daher versucht haben, die systematische Denkbewegung im Dialog mit den Autoren, die diese Bewegung mitbestimmt haben, zu entfalten, so sind wir uns zwar der Nachteile einer solchen Darstellungsweise bewußt: Die Fülle des Details erschwert oft die Übersicht. Andererseits wird derjenige, der sich der Mühe des Weges mitunterzieht, den Sinn der Aussagen am ehesten am Ort der Auseinandersetzung, aus der sie erfolgt sind, verstehen.

ANMERKUNGEN

1 200.

4 Vgl. etwa J. B. Metz in den Anmerkungen zu der von ihm besorgten zweiten Auflage von "Hörer des Wortes", bes. ebd. 175 f. A 2.

3 Philosophie der Offenbarung. In Auseinandersetzung mit "Hörer des Wortes" von Karl Rahner, Stuttgart 1966.

4 Über den Beweis des Geistes und der Kraft I, Lessings Werke, hrsg. v. G. Witkowski, Leipzig, Bd. 7, 82.

5 A.a.O., 79 f.

6 Ob die Unterscheidung zwischen dem "Schüler erster und zweiter Hand" auf einer anderen Frageebene nicht doch ihre Bedeutung hat, lassen wir hier außer acht.

7 K. Rahner, Hörer des Wortes 36.

8 Ders., Intellektuelle Redlichkeit und christlicher Glaube, Schriften VII, 74.

9 K. Rahner/H. Vorgrimler, Kleines theologisches Wörterbuch, art. "Praeambula fidei" 297. - Die Belege ließen sich beliebig vermehren. Außerhalb Rahnerscher Theologie vgl. etwa H. Bouillard, Logik des Glaubens: "Da die Geschichtlichkeit ein wesentliches Merkmal [Merk-$36$mal] des menschlichen Daseins selber ist, ist es nicht erstaunlich, daß das Verhältnis des Menschen zum Absoluten seine konkrete Bestimmung in einer kontingenten Geschichte finden muß" (27, s. auch ebd. 26 mit A 6).

10 A.a.O., 83.

11 Auch das 13. Kapitel von "Hörer des Wortes", das erklären soll, wie Gott "durch das Wort im Horizont der welthaften Erscheinung zur Gegebenheit gebracht werden" kann (vgl. ebd. 185), führt nicht weiter. Damit, daß im Wort durch Verneinung der (notwendig begrenzten) Erscheinung Transmundanes ausgedrückt werden kann, ist noch nichts gewonnen. Wie kann "ein in der Geschichte ergangenes menschliches Wort als das des überweltlichen Gottes erkannt werden" (ebd. 200)? Auf die Beantwortung dieser Frage, die Rahner nur "anhangsweise" (vgl. ebd.) stellt, kommt alles an. Die Auskunft: "Da das menschliche Wort ein außerweltliches Seiendes dadurch treffen soll, daß eine Erscheinung durch Verneinung zum Hinweis wird auf dieses überweltliche, muß sich diese Verneinung als objektiv gültige, als nicht bloß auf einer willkürlichen Setzung des Menschen beruhend erweisen" (ebd. 200 f.), präzisiert nur die Frage, gibt aber keinen Hinweis auf die Möglichkeit solchen Erweisens und damit einer innerweltlichen Erscheinung des Absoluten. Vgl. E. Simons, Philosophie der Offenbarung 53-55, 169-173.

12 Hörer des Wortes 163.

13 Vgl. die Anmerkung von J. B. Metz, ebd. 164 A 2; s. bes. E. Simons, a.a.O., 137.

14 Auf der Spur des Ewigen 337-350.

15 Auch die eingehendere Untersuchung B. Weltes zur Möglichlkeit von Offenbarung ("Heilsverständnis") führt in dieser Frage nicht weiter. Auch hier bleibt die entscheidende $38$ Frage unbeantwortet, wie mir in dem begegnenden anderen das absolute Heil begegnen, wie das nur endlich begegnende Seiende Unendliches wirklich vermitteln kann. Ist der Satz Weltes: "darum sagt 'ein Seiendes sein' zugleich: endlich sein und bedingt sein" (ebd. 15), allgemeingültig, dann scheint es gerade unmöglich, "daß diese mögliche Offenbarung der transzendenten Huld in der Immanenz des Daseins begegne als ein gegenwärtiges Dieses" (ebd. 16).

16 E. Simons, a.a.O., 61.

17 A a. O., 116 f. u. ö.

18 Vgl. ebd. 91, 116 A 5.


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