§ 2. Die Urteilsanalyse

Maréchal sucht den Phänomenalismus und Agnostizismus Kants dadurch zu überwinden, daß er dessen bloß formalistische Konzeption der Urteilsanalyse auf dem von Kant selbst anerkannten Wege in eine dynamistische Konzeption übersteigt.

Er weist auf, daß die Setzung des Objekts als Objekt ("objectivation") nicht dann schon hinreichend erklärt ist, wenn man sie mit Kant als eine reine Synthese von Begriffen beschreibt, sondern daß sie wesentlich als "Affirmation" verstanden werden muß (1). Diese Affirmation ist jedoch keine bloße Kategorie innerhalb der Komposition von Bewußtseinsgehalten (im Sinne Kants), sondern eine Aktivität des Subjekts, in der es seine Denkgehalte auf einen außerhalb des subjektiven Denkens liegenden "Punkt" bezieht: Im "Ist-Sagen" setzt sich das Subjekt für die

Seite 48:

Geltung des Gegenstandes ein, indem es ihn auf das absolute Sein bezieht, und setzt so erst den Gegenstand als solchen ("objectivation") (2).

Diese Bezugsetzung des Bewußtseinsgehaltes (der synthetischen Verstandeseinheit) auf das absolute Sein ist Ausdruck der finalen Hinordnung der Vernunft auf ihr letztes Ziel, die absolute Wahrheit. Die Objektivation geschieht dergestalt, daß der Geist seine Einzelgegebenheiten in die Perspektive dieses letzten Zieles "projiziert" (3). Die Affirmation der partikulären Gehalte ist eine transzendente Antizipation" der erstrebten absoluten Wahrheit (4). Von dieser affirmierten absoluten Realität her beziehen erst die Einzelgehalte ihre reale Geltung.

Die Hauptfrage ist nun, ob dieses unendliche Sein - als absolute Wahrheit das letzte Ziel der Vernunft - nur ein subjektiv postuliertes Ideal ist oder eine "absolute objektiv notwendige Realität" (5).

ANMERKUNGEN

1 Cah. V, livre II, sect. II, chap. V, §§ 1-3.

2 Ebd. § 4 (s. bes. p. 307).

3 "N'est-ce point là exactement le mécanisme de l'affirmation? et n'est-ce point en vertu de ce mécanisme qu'elle est nécessairement 'objectivante'? Considérée comme un moment dans l'ascension de l'intelligence vers la possession finale du 'vrai' absolu, qui est le 'bien' de l'esprit, elle projette implicitement ('exercite') les données particulières dans la perspective de cette Fin dernière, et par la même les objective devant le sujet" (Cah. V 313 f.).

4 Ebd. 314.

5 "Mais ce terme suprême, où s'oriente l'obscure 'poussée en avant' qui soutient nos affirmations, n'est-il qu'un Idéal subjectivement postulé? Est-il au contraire ... une Réalité absolue objectivement nécessaire?' (Cah. V 315).


Zur Fortsetzung

Zum Inhaltsverzeichnis