Die Bibliothek des Arbeitsbereichs Quellenkunde der Theologie des Mittelalters
(Raimundus-Lullus-Institut) der Albert-Ludwigs-Universität

"Raimundus Lullus (1235-1316) gehört zu den universalsten, aber auch umstrittensten Persönlichkeiten des Mittelalters. G. Sarton charakterisiert ihn als 'katalanischen Philosophen, Apostel und Schriftsteller, einen der größten volkssprachlichen Autoren des mittelalterlichen Europas, den Patriarchen der katalanischen Sprache und Literatur, christlichen Erzieher und Missionar, Vater des westlichen Orientalismus, Vorkämpfer gegen den Averroismus, Erfinder einer Art universaler Logik, der Ars magna (George Sarton: Introduction to the History of Science. Washington 1950, Bd. II, 2, S. 900). Eine genaue doxographische und historische Einordnung leidet aber daran, daß eine kritische Gesamtedition seines umfangreichen literarischen Nachlasses immer noch fehlt. Trotz seines rastlos bewegten Lebens, das ihn von Mallorca bis nach Kleinarmenien, von Paris bis nach Tunis führte, entfaltete er eine staunenswerte literarische Produktivität. Wir wissen, daß er etwa 280, zum Teil sehr umfangreiche Schriften verfaßt hat; davon sind uns heute etwa 240 erhalten. Von diesen sind 105 noch ungedruckt und nur handschriftlich überliefert."

So schrieb Friedrich Stegmüller 1960 in den Spanischen Forschungen der Görresgesellschaft. Er konnte dabei schon auf drei Jahre Arbeit des Raimundus-Lullus-Instituts an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zurückblicken und auch schon von den ersten Editionen berichten.
Sechs Jahre später faßte der Stegmüller-Schüler Alois Madre in den Freiburger Universitätsblättern den Stand der Dinge zusammen. Knüpfen wir gleich aus seinem Aufsatz bei der Beschreibung der literarischen Produktion des Katalanen an, wobei wir den Text kürzen und die Zahlen aktualisieren:

"Raimundus verfaßte seine Schriften in arabischer, katalanischer und lateinischer Sprache. Da von den arabischen Werken bis jetzt noch keines wiedergefunden werden konnte, hat es die Gesamtüberlieferung des Corpus Lullianum sowohl mit katalanischen wie mit lateinisch überlieferten Schriften zu tun.
Die Edition der katalanischen Werke ist vor allem geknüpft an die Namen Mateu Obrador y Bennàssar (1853-1909) und Salvador Galmés y Sancho. Zwischen 1906 und 1950 sind 47 katalanische Schriften in 21 Bänden erschienen. In diesem Jahr (1990) ist die Edition wieder in Gang gekommen. Dr. Fernando Domínguez Reboiras vom Raimundus-Lullus-Institut Freiburg gab den ersten Band der Fortsetzung heraus. Die katalanischen Werke zeigen Lull als Schöpfer einer philosophischen katalanischen Schriftsprache.
Den bedeutendsten Platz in Lulls Schaffen nehmen aber seine lateinischen Werke ein. Über 200 seiner Schriften sind nur lateinisch, fast alle seine katalanischen Werke sind auch lateinisch erhalten. Die Edition dieses Corpus Lullianum Latinum ist daher eine große und drängende Aufgabe der Mediaevistik. Einen ersten Versuch einer solchen Edition stellt die achtbändige Mainzer Ausgabe (Moguntina) (1721-1742) dar. In ihr wurden 48 lateinische Werke, meistens zum ersten Mal ediert. Aber diese Edition blieb Torso; über 200 Werke Lulls sind in ihr nicht enthalten und die von ihr gebotenen 48 Werke legt sie in einem zwar doxographisch benutzbaren, aber nicht in einem kritische Text vor.
Bei dieser Sachlage war eine kritische Edition des gesamten Lullus Latinus eine unabweisbare Aufgabe.
Die Vorgeschichte des Raimundus-Lullus-Instituts beginnt eigentlich schon im Jahre 1952. Damals suchten der leider früh verstorbene Freiburger Lullus-Forscher Ludwig Klaiber (1896-1952) und der erste Rektor der Maioricensis Schola Lullistica, Francisco Sureda Blanes (1888-1955), Univ.-Prof. Dr. Friedrich Stegmüller in Freiburg i. Br. für die Mitarbeit an der Festschrift für S. Galmés und darüber hinaus für den Plan einer Edition des Corpus Lullianum Latinum zu interessieren. Prof. Stegmüller gab zunächst eine Probeedition von acht Lullusschriften (unter Mitarbeit von H. G. Bender, P. Gálszécs, J. Giers und Th. Schneider), wofür die Schola Professor Stegmüller die Goldene Medaille des Jahres 1954 verlieh und ihn als Magister in ihre Korporation aufnahm. Die Pläne konkretisierten sich dann im Herbst 1955 und führten zu der formellen Abmachung vom 18. Oktober 1956, in der der Akademische Rat der Maioricensis Schola Lullistica und ihr Rector magnificus, Prof. Dr. S. Garcías Palou, Herrn Prof. Stegmüller die gesamte wissenschaftliche Leitung der kritischen Edition der lateinischen Werke des Raimundus Lullus übertrug und seine Grundsätze für die Gesamtedition billigte. Aufgrund des Berichtes von Prof. F. Stegmüller beantragte die Theologische Fakultät in Freiburg i. Br., die ja auf eine lange Tradition von spanischen Wissenschaftskontakten zurückblicken konnte (vgl. J. Vincke: Die Universität Freiburg und ihre spanischen Beziehungen. In: Freiburger Universitätsblätter. H. 9 [1965], S. 43-52), die Errichtung eines Raimundus-Lullus-Instituts an der Universität Freiburg i. Br. Der Akademische Senat unter dem Rektorat von Prof. E. von Caemmerer machte diesen Antrag am 5. Dezember 1956 zu eigen. Das Kultusministerium Baden-Württemberg errichtete mit Erlaß (OF 148.51-H 152) vom 24. Januar 1957 das Raimundus-Lullus-Institut zunächst als eine Abteilung des Dogmatischen Seminars und teilte dem Institut am 1. September 1957 einen wissenschaftlichen Assistenten zu. Die Theologische Fakultät stellte dem Institut eine wissenschaftliche Hilfskraft zur Verfügung. Das Institut konnte seine Arbeit aufnehmen. Sie wurde erleichtert durch die Zuteilung einer eigenen Schreibkraft (1. Mai 1961).

Die Arbeit an der Edition der lateinischen Werke des Raimundus Lullus stellte das Institut in zunehmendem Maße vor die Notwendigkeit, sein Arbeitsgebiet auf die Quellenkunde der Theologie des Mittelalters auszudehnen. Daher beantragte Prof. F. Stegmüller am 18. November 1963 eine Erweiterung der Aufgaben des Instituts und eine entsprechende Umbenennung. Mit Erlaß vom 8. Januar 1964 (H 3638/2) stimmte das Kultusministerium diesem Antrag zu. Seitdem wird das Institut als Raimundus-Lullus-Institut (Institut für Quellenkunde der Theologie des Mittelalters) geführt."

Soweit der Artikel von Prof. Madre.

Seit 1984 lautet der korrekte Name "Arbeitsbereich Quellenkunde der Theologie des Mittelalters" im Institut für Systematische Theologie. Die Hauptaufgabe - die Edition - ist zu einem großen Teil bewältigt. Von den lateinischen Werken liegen inzwischen 30 Bände und ein Supplementband vor (Stand 2005).

Inzwischen erscheinen zu den Bänden auch die Hefte der Instrumenta lexicologica latina als ein Ergebnis des Computerzeitalters: eine Aufschlüsselung der Formen mit einer Microfiche-Konkordanz zu den einzelnen Bänden.

Die Bände sind zudem weitgehend in der Library of Latin texts (CLCLT) des Verlags Brepols Publishers (http://www.brepolis.net/) elektronisch vorhanden.

Unter den Herausgebern der Ausgabe finden sich die Leiter (die Professoren H. Riedlinger, A. Madre, Ch. Lohr, P. Walter) und Mitarbeiter (Dr. F. Domínguez Reboiras) des Instituts in den letzten Jahrzehnten.

Die Spezialbibliothek des Arbeitsbereichs wird laufend weitergeführt und ist insbesondere durch Dauerleihgaben von Professor Lohr, aber auch durch Unterstützung aus dem zentralen Bibliotheksfonds und aus Sondermitteln der Theologischen Fakultät zu einem gut geführten Arbeitsinstrument geworden. Neben der gängigen (und auch weniger gängigen) Literatur dieses Jahrhunderts umfaßt sie auch einen historischen Bestand. Seine Beschreibung hat Prof. Charles Lohr verfaßt.

            Albert Raffelt - Viola Tenge-Wolf

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