EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 11 (1997)

Das Lokale Elektronische Aufsatzliefersystem LEA

- ein erfolgreiches Pilotprojekt zur Einführung der elektronischen Dokumentlieferung an der Universität Karlsruhe

Diana M. Tangen; Günter Radestock
(UB Karlsruhe)


Zusammenfassung:

Das von der Universitätsbibliothek Karlsruhe(UB) entwickelte Aufsatzliefersystem LEA (http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/docdel/) wird seit dem 1. August diesen Jahres den Mitarbeitern der Universität angeboten. Über das Internet können kostenlos Artikel von Zeitschriften der UB bestellt und empfangen werden. Es kann angenommen werden, daß LEA sich als erfolgreiche Dienstleistung etablieren wird. Über erste Erfahrungen mit dem elektronischen Aufsatzliefersystem wird berichtet.




Einführung

Der Dokumentlieferdienst LEA (Lokales Elektronisches Aufsatzliefersystem) ist ein vollautomatisches Bestell- und Liefersystem für Zeitschriftenaufsätze. Diese Eigenentwicklung der Universitätsbibliothek ermöglicht es Wissenschaftlern der Universität Karlsruhe, kostenlos Artikel von Zeitschriften der UB via Internet zu bestellen und zu empfangen.

Die Entwicklung des Dokumentlieferdienstes bot sich aus folgendem Grund an:
Die Literaturversorgung der Universität Karlsruhe wird traditionell von einem zweischichtigen Bibliothekssystem geprägt, das neben der Zentralbibliothek noch über 140 weitere Fakultäts- oder Institutsbibliotheken umfaßt. Folglich können wichtige Zeitschriften mehrfach im gesamten Bibliotheksbestand der Universität vorhanden sein. Die zunehmend angespannte Haushaltslage der Institute zwingt sie jedoch in immer stärkeren Maße, ihre eigenen Zeitschriftenabonnements zu reduzieren. Daher besteht die Gefahr, daß die Versorgung vor Ort mit aktueller wissenschaftlicher Literatur geschwächt wird. Hier greift der Dokumentlieferdienst LEA ein. Er bietet den Wissenschaftlern einerseits die Möglichkeit, unmittelbar und direkt auf die Zeitschriftenressourcen der Zentralbibliothek und ihrer Außenstellen zuzugreifen. Mit Hilfe eines WWW-Browsers kann jeder Mitarbeiter von seinem Arbeitsplatz aus Aufsätze bestellen, die Bestellung überwachen, den gelieferten Aufsatz lesen, ihn lokal abspeichern oder ausdrucken.

Die UB hat sich andererseits verpflichtet, die bestellten Dokumente möglichst schnell bereitzustellen. Das Einscannen erfolgt möglichst noch am Tag der Bestellung, jedoch spätestens nach drei Arbeitstagen. Zur Bearbeitung der großen Nachfrage reicht die Scanneinrichtung in der Zentralbibliothek auf Dauer nicht aus, weshalb die Einrichtung zwei weiterer Scannzentren in den Außenstellen und zwar in der Fachbibliothek für Chemie (FBC) und Fachbibliothek für Physik (FBP) angestrebt wird. Die Inbetriebnahme einer zusätzlichen Scanneinrichtung ist in der Bibliothek des Forschungszentrums Karlsruhe geplant, um den dort befindlichen Zeitschriftenpool in den Dokumentlieferdienst LEA mit einbeziehen zu können.

Die UB strebt die Einbeziehung eines möglichst großen Zeitschriftenbestands für ihre Dienstleistung LEA an und sucht weitere Kooperationspartner.

Trotz schrumpfendem Literaturbudget kann die UB in Zukunft eine optimale Nutzung ihrer Zeitschriftenbestände garantieren und damit die Wissenschaftler in Forschung und Lehre mit einer effizienten Dienstleistung unterstützten.




Charakterisierung von LEA

Der Dokumentlieferdienst LEA steht Mitarbeitern der Universität Karlsruhe kostenlos zur Verfügung. Zur elektronischen Bestellung genügt ein Benutzerausweis und der Statusvermerk "Mitarbeiter der Universität Karlsruhe" im Ausleihsystem OLIX. Die UB bietet zur Zeit für eine Bestellung insgesamt ca. 4000 Zeitschriften an. Hiervon werden 2431 Zeitschriften laufend gehalten.

Der Zugang zu einer LEA-Bestellung eröffnet sich sowohl über den OPAC, der alle Zeitschriften der UB verzeichnet, als auch über den Zeitschrifteninhaltsdienst (ZID).

Diese umfangreiche Datenbank (Basis Swetsscan) enthält die Inhaltsverzeichnisse von 14.000 Zeitschriften und wird seit 1994 von der UB bezogen. Der ZID kann als Aufsatzdatenbank ab Erscheinungsjahr 1994 zur komfortablen Recherche nach Titelstichworten und/oder Autor eines Artikels herangezogen werden. Da in der Zeitschrifteninhaltsdatenbank mehr Zeitschriften verzeichnet sind als in der UB vorhanden, wird vor einer elektronischen Bestellung automatisch geprüft, ob die gewünschte Zeitschrift im UB-Bestand geführt wird. Für die Bestellung eines Zeitschriftenaufsatzes vor 1994 sowie für Zeitschriften, die die UB führt, die aber nicht im ZID enthalten sind, bietet sich als Einstiegssystem zur elektronischen Bestellung der OPAC der UB an.

Nach Auswahl der gewünschten Zeitschrift im OPAC bzw. des Aufsatzes im ZID kann in der WWW-Maske mit Hilfe der Funktion "Elektronisch Bestellen" der Dokumentlieferdienst LEA aufgerufen werden. Es erscheint das Bestellformular, in das die recherchierten bibliographischen Daten übernommen werden. Wenn als Einstiegssystem der ZID gewählt wurde, werden alle Angaben des gewünschten Aufsatzes automatisch übernommen und der Besteller muß lediglich seine Bibliotheksbenutzernummer und Paßwort eintragen. (Vergl. Abbildung 1)


Abbildung 1: LEA-Bestellmaske mit Datenübernahme aud dem Zeitschrifteninhaltsdienst (ZID).


Stammt die Recherche hingegen aus dem OPAC, müssen noch die Daten zu dem gewünschten Aufsatz manuell ergänzt werden. Hierbei sind insbesondere Angaben zu Titel und Erscheinungsjahr des Artikels sowie die Seitenangaben auszufüllen. Als weitere optionale Felder gelten Autor-, Band- und Heftangaben. Diese erleichtern bei Falschangaben des Bestellers die Aufsatzsuche. Mit der Authentifizierung über Bibliotheksbenutzernummer und Paßwort besteht die Möglichkeit, über die eigentliche Bestellung hinaus eine Email-Adresse anzugeben. Über die Adresse erhält der Benutzer dann automatisch Benachrichtigungen und Informationen zum Ergebnis seiner Bestellung. Alternativ gibt es eine Kontoabfragefunktion.

Nach Eingang der Bestellung in der UB werden die Aufsätze herausgesucht, eingescannt und auf dem FTP-Server der UB bereitgelegt. Der Besteller wird sodann bei Vorliegen einer Email-Adresse informiert.

Die einzelnen Seiten eines gescannten Aufsatzes liegen im Graphikformat TIFF und mit WWW-Browsern direkt darstellbaren GIF-Format vor. Zur besseren Übersichtlichkeit beim Lesen des Dokumentes am Bildschirm werden zusätzlich HTML-Seiten mit den eingebetteten GIF-Bildern erzeugt. So kann der Besteller den Aufsatz mit seinem Browser am Bildschirm einsehen und lesen oder er kann sich die TIFF-Dateien auf seinen Rechner kopieren und von dort ausdrucken. Zum einfacheren technischen Handling wird von der UB frei zugängliche Software und eine ausführliche Anleitung bereitgestellt. Eine Bestelldemonstration findet man unter http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/docdel.




Technische Daten zu LEA

Die Softwarekomponenten von LEA sind Scannprogramm, Auftragsverwaltung, Bildaufbereitung und Web- (CGI) basierte Benutzerschnittstelle sowie ein FTP- und ein HTTP-Server. Als Hardware wird ein Pentium-PC mit angeschlossenem PS-3000-Scanner der Firma Minolta zum Einscannen der Bilder, sowie eine Unix-Workstation zur Auftragsverwaltung, Bildaufbereitung und als Server eingesetzt.

Zum Scannen der Dokumente wird der Buchscanner PS-3000 von Minolta verwendet. Dieses Gerät "fotografiert" die Seiten von oben, ohne das sie dabei an eine Glasplatte angedürckt werden müssen. Dies ist zum einen schonend für die gebundenen Zeitschriftenbände und zum anderen einfacher in der Handhabung als ein herkömmlicher Flachbettscanner. Die Software kann mehrere hintereinander eingescannte Seiten einem Dokument zuordnen, was zügiges Arbeiten ermöglicht. Um den Arbeitsablauf weiter zu beschleunigen, ist ein Barcode-Lesegerät angeschlossen, mit dem die Dokumentnummern direkt von den Bestellzetteln gelesen werden können.

Gelegentlich treten Probleme mit der Qualität beim Scannen auf, vor allem bei hochglänzendem Papier. Auch bei farbigen Abbildungen oder dunkel hinterlegten Text können zum Teil keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden. Ähnliche Effekte sind auch beim Fotokopieren zu beobachten, wie zum Beispiel bei sehr dunklen Abbildungen, die gerne schwarz dargestellt werden. Beim Nachstellen des Kontrastes wird aber der Text zu blaß und unleserlich.

Die Auftragsverwaltung ist eine Eigenentwicklung der UB auf der Basis des Datenbanksystems ORACLE. Teil der Auftragsverwaltung ist auch die Web-basierte Administrationssoftware, mit der das Bibliothekspersonal die vom Benutzer gewünschten Dokumente zunächst intern bestellen muß, da aus den Bestellungen der Standort des Dokumentes nicht automatisch ermittelt werden kann.

Bei der Bildverarbeitung wird ein einheitliches Lieferformat angeboten, das sowohl zum Anschauen am Bildschirm, als auch zum Erzeugen von Ausdrucken in hoher Qualität geeignet ist, ohne daß sich der Benutzer bereits bei der Bestellung festlegen muß. Geliefert werden neben den TIFF-Dateien (FAX Gruppe 4 Kompression), die die Scannsoftware erzeugt, auch GIF-Dateien in bildschirmgerechter Auflösung sowie Miniaturen zum schnellen Anwählen einer Seite. Diese Bildverarbeitung geschieht mit Hilfe des frei erhältlichen Grafikpaketes Netpbm auf der Unix-Workstation.

Die Auslieferung der Dokumente geschieht durch Ablegen auf einem FTP-Server der UB und paralleler Benachrichtigung des Benutzers per Email. Vom direkten Versand der Dokumente per Email wurde abgesehen, weil durch die großen Datenmengen viele Probleme mit unterschiedlichen Mailsystemen zu erwarten sind. FTP erlaubt neben der Möglichkeit, beliebig große Datenmengen an unterschiedliche Plattformen zu transferieren auch den direkten Zugriff auf die Dokumente mit einem Web-Browser.




Statistische Daten zu LEA

Bereits wenige Wochen nach der erstmaligen Bereitstellung des Lokalen Elektronischen Aufsatzliefersystems LEA der Universitätsbibliothek Karlsruhe, hatte es sich zu einer festen Serviceleistung für die Universität etabliert. So wurden in den ersten 8 Wochen insgesamt 3222 Bestellungen verzeichnet. Dies entspricht einem durchschnittlichen Bestellaufkommen von rund 80 Bestellungen pro Arbeitstag.


Abbildung 2:Entwicklung der Anzahl der LEA-Bestellungen über den Zeitraum der ersten acht Wochen seit Einführung des elektronischen Aufsatzlieferdienstes.


Insgesamt wurde der Dienst von 370 verschiedenen Mitarbeitern der Universität in Anspruch genommen. Obwohl sich die UB eine maximale Lieferzeit von 3 Arbeitstagen vorbehält, konnten mehr als 1/3 der Bestellungen noch am gleichen Tag bearbeitet und bereitgestellt werden. Die durchschnittliche Bereitstellungszeit beträgt 1,5 Tage (incl. Wochenende).

Die Bestellungen erfolgen zu fast 70% auf Zeitschriftenbände der letzten vier Jahre. Ein durschnittlicher Aufsatz enthält 9 Seiten.

Die Scannquote der Bestellungen liegt bei rund 90%. Die verbleibenden 10 % konnten aus folgenden Gründen nicht erledigt werden:

Der Besteller wird in diesen Fällen noch am gleichen Tag benachrichtigt.

Über 94 % der zur Verfügung gestellten Dateien werden von den Bestellern bearbeitet oder abgeholt, obwohl die Dokumente nur kurze Zeit auf dem FTP-Server bereitliegen.




Fazit

Das elektronische Aufsatzliefersystem LEA hat sich als fester Bestandteil der Literaturversorgung in der Universität etabliert. Es liefert damit einen weiteren Baustein zur Entwicklung der virtuellen Bibliothek der Zukunft. Die mit dem elektronischen Dokumentliefersystem gemachten Erfahrungen bilden eine wichtige Grundlage zur Unterstützung der der Bund-Länder-Initiative SUBITO zur Beschleunigung der Fernleihe, die am 1. Oktober mit dem Testbetrieb der bundesweiten Lieferung elektronischer Dokumente begonnen hat. Diese Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Fernleihe mittels EDV-Einsatz zu Beschleunigen. Auch in diesem Projekt wird die UB Karlsruhe als Pilotbibliothek mit ihren positiven Erfahrungen in der elektronischen Dokumentbereitstellung wichtige Inpulse geben können.



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