EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 15 (2000)

Musikalien der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen jetzt in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe

Martina Rebmann (BLB Karlsruhe)

Die Musikaliensammlung der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek Donaueschingen wird künftig in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe verwahrt. Das Land Baden-Württemberg hat die Sammlung Ende Oktober für 2,9 Mio. DM erworben. Finanziert wurde die Erwerbung überwiegend aus Mitteln der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg und mit Beiträgen der Kulturstiftung der Länder und der Badischen Bibliotheksgesellschaft e.V., Karlsruhe.

Die Donaueschinger Musikalien bilden eine der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art im süddeutschen Bereich aus fürstlichem Besitz. Mit 3.612 Handschriften und 3.920 Drucken zählt die Sammlung zu den umfangreichen – neben den Musikalien der Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek in Regensburg (2.900 Musikhandschriften) und denjenigen der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek, die heute in der UB Augsburg verwahrt werden (1.787 Musikhandschriften, 604 Musikdrucke). Durch ihre Geschlossenheit und die ausgewogene Mischung nahezu aller musikalischen Gattungen (Kirchenmusik, Kammermusik, Konzerte, Opern usw.) stellt die Donaueschinger Sammlung insgesamt eine einmalige Quelle für die Musikpflege an einem regional bedeutenden Hof dar.

Zur Entstehung der Musiksammlung am Fürstlich Fürstenbergischen Hof in Donaueschingen

Die Entstehung der umfangreichen Musikaliensammlung in der FF Hofbibliothek Donaueschingen hängt eng mit der großen Musikliebe der Fürstinnen und Fürsten zusammen. In der Regel waren die Angehörigen des Fürstenhauses musikalisch gebildet, spielten selbst ein Instrument und sangen, bei Opernaufführungen des 18. und 19. Jahrhunderts führten Angehörige des Fürstenhauses bisweilen auch Regie.

Ein Höhepunkt musikalischen Lebens fiel in die Regierungszeit des Fürsten Joseph Wenzel (1728-1783). Er gründete sofort nach seinem Regierungsantritt 1762 eine Hofkapelle, die dreimal wöchentlich Kammermusikkonzerte veranstaltete. Häufig stellten dabei auch durchreisende Künstler ihr Können unter Beweis. So waren im November 1766 der 10jährige Wolfgang Amadeus Mozart, sein Vater und seine Schwester auf der Rückreise von Zürich kommend Gast in Donaueschingen. Fast jeden Tag während des zwölftägigen Aufenthaltes der Familie Mozart wurde von nachmittags fünf bis abends neun Uhr im Schloss musiziert. Auch nach der Abreise blieb W. A. Mozart mit dem Fürstenberger Hof in Verbindung und sandte immer wieder Noten nach Donaueschingen.

Brief von Wolfgang Amadeus Mozart (Mus. Autogr. 44)

Brief von Wolfgang Amadeus Mozart an Sebastian Winter in Donaueschingen, Wien, 8. August 1786 (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, ehemals Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Mus. Autogr. 44).

Mozart bietet dem Fürstenbergischen Kammerherrn Winter, der ehemals Friseur im Dienste der Familie Mozart gewesen war, verschiedene Werke auf einer gesonderten Liste an, aufgrund der dann eine Bestellung bei dem Komponisten erfolgte.

1775 wurde eine Schauspiel-Liebhaber-Gesellschaft aus Kavalieren des Hofes und Angehörigen der Fürstenbergischen Beamten- und Dienerschaft gegründet, die Aufführungen von Schauspielen, deutschen Singspielen und deutschen Operetten in der Hofreitschule veranstaltete. Im Jahr 1784 wurde diese Reitschule dann in ein richtiges Hoftheater umgebaut, das 555 Personen Platz bot. Die darin aufgeführten Liebhabervorstellungen mit Opern und Singspielen wurden in der Regel bei freiem Eintritt gegeben, so dass die Donaueschinger Bevölkerung ebenfalls zuschauen konnte. Teilweise fanden auch Benefizveranstaltungen statt, bei denen der Erlös den Armen und Bedürftigen des Fürstentums zugute kam.

Aus der Zeit bis zur Jahrhundertwende gehören als herausragender Teil die Materialien zur Aufführung von etwa 420 verschiedenen Opern, Operetten und Singspielen, die sich noch heute in der Sammlung befinden. Überraschend schnell kam der Notentext dabei an den Donaueschinger Hof – oft nur wenige Monate nach der Uraufführung in den großen Musikhauptstädten Europas. Beispiele dafür sind Mozarts Oper Figaros Hochzeit (Uraufführung: Wien, 1.5.1786, Donaueschingen: 23.9.1787) und die Oper Così fan tutte (Uraufführung: Wien 1790), die in Donaueschingen bereits 1791 (zum ersten Mal in einer deutschen Fassung) aufgeführt wurde.

Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni

Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, KV 527, Opera buffa in 2 Akten. (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, ehemals Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, verschiedene Signaturen).

Vollständiges Aufführungsmaterial der Oper: Partitur, Stimmen, Klavierauszug, Arrangements.

Einen Neuanfang der Fürstenbergischen Hofmusik machte Fürst Carl Egon II. (1796-1854), der bei seinem Regierungsantritt 1817 den in Meßkirch geborenen Conradin Kreutzer (1780-1849) zum Hofkapellmeister bestellte. Dieser schrieb 1818 in einem Brief: "Frembde, die hier durchreisen, und unsere Concerte besuchen, sind über die Praecision und den grossen Effect dieses kleinen Orchesters ganz erstaunt!" Dennoch war Kreutzer an seinem Donaueschinger Wirkungsort nur vier Jahre: Er fühlte sich in der relativ kleinen, abseits gelegenen Residenz nicht wohl. 1821 kam er von einer Konzertreise nicht mehr nach Donaueschingen zurück, worauf ihn Carl Egon II. schließlich verärgert aus dem Dienst entließ.

1822 übernahm der junge Johann Wenzel Kalliwoda (1801-1866), ein gebürtiger Prager, das Amt des Hofkapellmeisters. Kalliwoda war ein vielseitiger Musiker; er galt als begabter Dirigent, war zu seiner Zeit ein geschätzter Komponist und vor allem ein ausgezeichneter Geigenvirtuose. Jeden Sommer unternahm er ausgedehnte Konzertreisen durch ganz Europa, wobei er mit einer vom Fürsten Carl Egon II. geschenkten Stradivari konzertierte. Er bekam viele Angebote, an anderen Höfen zu arbeiten (Mannheim, Dessau, Leipzig, Köln oder Prag), doch lehnte er alle aus Treue zu seinem Donaueschinger Dienstherrn ab. Von Kalliwoda haben sich allein über 200 Kompositionen in der Musikaliensammlung erhalten. Dies stellt nun eine hervorragende Ergänzung zu dem bereits in der Badischen Landesbibliothek verwahrten Teilnachlass des Komponisten dar. –

Auch durchreisende Künstler besuchten gern die musikalische Residenz in der Baar. Ein besonderes Ereignis am Fürstenberger Hof war dabei das Auftreten von Franz Liszt (1811-1886) im November 1843. Während seines Aufenthaltes schrieb er eigens einen Ländler für die Fürstin Amalie Christine Caroline (1795-1869), die Gemahlin Carl Egons, eine geborene Prinzessin von Baden. Dieser findet sich noch heute unter den Donaueschinger Musikalien.

Franz Liszt, Ländler (Mus. Autogr. 39)

Franz Liszt, Ländler (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, ehemals Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Mus. Autogr. 39).

Der Ländler ist der Fürstin Amalie von Fürstenberg gewidmet und datiert auf den 25.11.1843.

Im 19. Jahrhundert erweiterten sich die musiktheatralischen Möglichkeiten durch die Anstellung von Sängern und Instrumentalisten beträchtlich und so wurden selbst große Opern aufgeführt wie diejenigen von Gioachino Rossini, Daniel François Esprit Auber und Vincenzo Bellini, deren Aufführungsmaterialien dann Teil der Musiksammlung geworden sind.

Der verheerende Brand des Hoftheaters im Jahr 1850 bereitete dem regen Musikleben in Donaueschingen, besonders den Opernaufführungen, ein jähes Ende. Zum Glück konnten jedoch die Musikalien des Hoftheaters aus dem brennenden Gebäude gerettet werden. 1863 wurde schließlich die Hofkapelle aufgelöst.

Erst 1913 wurde unter Fürst Maximilian Egon II. (1863-1941) wieder musikalisches Leben nach Donaueschingen geholt. Er förderte bis 1926 die von Musikdirektor Heinrich Burkhard (1888-1950) ins Leben gerufene Gesellschaft der Musikfreunde. Seit dem Jahr 1921 wurden Kammermusikaufführungen zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst veranstaltet, die vom Fürstenhaus finanziell großzügig unterstützt wurden. Den Ehrenvorsitz dabei hatte Richard Strauss inne. 1927 wurden die Konzerte nach Baden-Baden verlegt, ab 1930 fanden sie in Berlin statt. Seit 1950 finden die Musiktage für Zeitgenössische Tonkunst wieder in Donaueschingen statt, nach wie vor gefördert vom Fürstenhaus. In den Donaueschinger Konzerten erlebten Werke von Paul Hindemith, Ernst Krenek, Philip Jarnach, später auch von Alban Berg, Bela Bartok, Arnold Schönberg, Anton von Webern, Wolfgang Fortner und Wolfgang Rihm ihre Uraufführung. Den zunächst meist jungen und unbekannten Künstlern wurde durch die Aufführungsmöglichkeit in Donaueschingen ein Podium geboten, das sie dann teilweise recht schnell bekannt machte. Die Verbundenheit des Fürstenhauses mit diesem Unternehmen kommt durch zahlreiche Widmungsexemplare an Noten zum Ausdruck.

Bedeutung der Donaueschinger Musikaliensammlung

Neben den Namen bekannter und bedeutender Komponisten haben in der Donaueschinger Musikaliensammlung zahlreiche heute relativ unbekannte, lokale Komponisten ihre Spuren hinterlassen: Johann Abraham Sixt (1757-1797, ab 1784 in Donaueschingen), Joseph Fiala (1748-1816, ab 1792 in Donaueschingen), Carl Keller (1784-1855), Heinrich Joseph Wassermann (1791-1838) oder Carl Leopold Böhm (geb. 1806) spielten für Donaueschingen zu ihrer Zeit jeweils eine große Rolle. Eine Vielzahl ihrer Werke findet sich in der Donaueschinger Musiksammlung singulär überliefert, da die Kompositionen zumeist ungedruckt blieben. Dieses Phänomen ist bei Musikhandschriftenbeständen allgemein zu beobachten und stellt für die Musikgeschichtsforschung ein schier unerschöpfliches Reservoir an Stücken dar. Auch für die Wiederentdeckung und -aufführung von alten Werken ist in der Sammlung einiges Wertvolle erhalten.

Rezeptionsgeschichtlich ist der Musikalienbestand besonders deshalb interessant, weil die Tradition der Opernaufführungen zwischen 1762 und 1850 fast nie abriß. Der Musikgeschmack befand sich am Hof in Donaueschingen stets auf der Höhe der Zeit, durch den Bestand zeigt sich, wie große Opernmusik in der Provinz zur Aufführung kam, oft mit primitiven bühnentechnischen Mitteln und unausgebildetem Personal. Darüber hinaus ist der Bestand an Kammermusik – vor allem Lieder und Streichquartette –, Jagdmusik und Huldigungsmusiken voll von Raritäten, die sich nur hier erhalten haben; ein Beispiel also auch für "private" Musikausübung an einem Fürstenhof des 18. und 19. Jahrhunderts.

Die Musikaliensammlung in der Badischen Landesbibliothek

Die Bestände der Donaueschinger Musikaliensammlung sind durch einen handschriftlichen Katalog erschlossen. Der größte Teil der Handschriften ist außerdem in RISM verzeichnet (recherchierbar mit der CD-ROM "RISM, Serie A/II, Musikhandschriften nach 1600" sowie über die Internetseite von RISM http://www.rism.harvard.edu/rism/DB.html).

Am 19. September 2000 wird in der Badischen Landesbibliothek eine Ausstellung eröffnet, bei der bis zum 25. November 2000 einige der schönsten und interessantesten Stücke der Donaueschinger Musikalien gezeigt werden. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.



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