EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 15 (2000)

Die Nutzung elektronischer Dienste im Bibliothekssystem - am Beispiel der Fakultätsbibliothek Theologie

Dr. Albert Raffelt (UB Freiburg)

Die Situation

Die "Fakultätsbibliothek Theologie" ist ein typischer Fall des Freiburger Bibliothekssystems, nicht spektakulär, aber in vielen Einzelheiten ein Beispiel geduldiger Arbeit und erreichter Teilerfolge. Ende der 60er Jahr war es unumgänglich, aus ca. 15 Teilbibliotheken einen funktionierenderen Zusammenhang durch Schaffung übergreifender Strukturen zu bewerkstelligen. Das geschah durch Zusammenfassung unter eigener Aufsicht, durch die Einrichtung eines gemeinsamen Lesesaals, die Einrichtung eines Zeitschriftenpools und durch Zentralisierung in verwaltungsmäßiger Hinsicht (eigenes Bibliothekspersonal, zentrale Erwerbung und Katalogisierung). In der Folgezeit wurden die internen Strukturen verbessert, vor allem durch ein System der Erwerbungsinformation und -absprache (vgl. http://www.ruf.uni-freiburg.de/theologie/biblioth/fakbibl.htm).

Probleme baulicher Art hinderten ein engeres Zusammenwachsen der Teilbibliotheken und mangels der Möglichkeit einer systematischeren Aufstellung auch ein konsequenteres Dublettenausscheiden etc. 1989 wurde ein Gesamtplan für die Schaffung einer einheitlich strukturierten Fakultätsbibliothek in den bestehenden Räumen skizziert, der auch von der Fakultät akzeptiert und vom Bauamt genehmigt wurde. Diese Lösung scheiterte faktisch jedoch am damaligen Professorengremium, das - verständlicherweise - vor allem die Beschwernisse des Umbaus und das Verzichten auf Vertrautes scheute, - doch wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch: Die Folgen der osteuropäischen Revolution mit dem Abzug der französischen Truppen aus Freiburg ermöglichte der Universität, ihre Räume zu erweitern und dabei auch die Institutsbibliotheken besser auzustatten, was im Falle der Theologie zur getrennten Unterbringung zweier Spezialbibliotheken führte: "Quellenkunde und Theologie des Mittelalters" (früher prägnanter "Raimundus Lullus-Institut") und "Christliche Archäologie und Kunstgeschichte" wurden 1998/99 in neue Räume verlegt. Im Frühjahr 1999 wurde eine exegetisch-historischen Teilbibliothek eingerichtet, die im zweiten Halbjahr um eine neue Unterabteilung "Theologiegeschichte" [der Neuzeit] ergänzt wurde, eine Zusammenführung von Beständen aus verschiedenen Arbeitsbereichen der Fakultät.Der elektronische Katalog als "fundamentaler" elektronischer Dienst

Der Einstieg in die elektronische Verbundkatalogisierung erfolgte im Freiburger Bibliothekssystem 1991, also vergleichsweise spät. Dennoch konnten die über 150.000 Bände der Fakultätsbibliothek Theologie bis Juni 1999 vollständig erfaßt werden. Das konnte nur erreicht werden durch Ausnutzung aller vereinfachenden Offline- (ISBN-Abruf) und Online-Verfahren (Interims-Katalogisierung; Anhängen der Lokaldaten an bestehende Datensätze durch Hilfskräfte etc.). Damit ist an allen Eckpunkten der Fakultätsbibliothek und in allen Arbeitszimmern des wissenschaftlichen Personals der volle Datenbestand im Freiburger Online-Katalog abrufbar. Das macht die durch die neue Entwicklung wieder etwas disparatere Raumsituation für die zwei räumlich ausgelagerten Bibliotheken wiederum erträglich.

 

  1. Zeitschriftenaufsatzerschließung
  2. Auch wenn das Problem des Monographiennachweises online gelöst ist, bleibt dies für die Aufsatzliteratur zu leisten. Hier war die Fakultätsbibliothek jedoch in der glücklichen Situation, daß die Universitätsbibliothek Tübingen seit mehreren Jahren ihren "Zeitschrifteninhaltsdienst Theologie" (ZID) in elektronischer Form anbietet und diesen seither auch nach rückwärts elektronisch konvertiert (derzeit ab Jahrgang 1991 enthalten). Es sind sozusagen alle gängigen theologischen Zeitschriften einer mitteleuropäischen Theologischen Fakultät in diesem Nachweisinstrument für die 90er Jahre erschlossen. Das ersetzt der Fakultät praktisch einen entsprechenden Formal- und Sachkatalognachweis für Zeitschriftenaufsätze (Spezialhilfsmittel wie die Zeitschriftenaufsatzerschließung der Bibliothek des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg kommen für andere Bereiche hinzu). Der Bedeutung dieses Instruments halber, wird der ZID auf einem eigenen PC im traditionellen Katalogbereich der Fakultät angeboten. Es sei daran erinnert, daß der "Mehrwert" an nicht in Freiburg vorhandenen Zeitschriften durch den SSG-Lieferdienst der UB Tübingen günstig und schnell in Freiburg erhältlich ist. - Da neben dem ZID die "ATLA religion database" im Universitätsnetz aufliegt, diese Datenbank gleichzeitig die Verbindung zu den Lokalbeständen im Katalog gewährt und Suchergebnisse aus der ATLA-Datenbank per e-Mail auf den eigenen PC überspielt werden können, ist die Bibliothek in dieser Hinsicht derzeit fast optimal ausgestattet.

     

  3. Möglichkeiten sachlicher Erschließung
  4. Der Südwestdeutsche Bibliotheksverbund erschließt seine Bestände kooperativ durch Beschlagwortung nach den RSWK. Da die deutschen Titel durch die DDB als Fremdleistung eingespielt werden, wird auch für hinsichtlich der Sacherschließung nur passiv teilnehmende Bibliotheken ein Großteil der Neuerwerbungen beschlagwortet und somit erschlossen. In der Fakultätsbibliothek Theologie wird zudem alle neuerworbene ausländische Literatur beschlagwortet, so daß das gesamte Neuerwerbungsspektrum abgedeckt ist. Die retrospektive Beschlagwortung konnte bislang nur symptomatisch vorgenommen werden. Schwerpunkte: systematisch-theologische und philosophische Literatur sowie lokalhistorische Arbeiten. Durch Stichproben zeigte sich, daß es Bereiche gibt, die hohen Zugang an Erschließungen durch Fremdleistungen haben und relativ leicht als Projekt ganz erschlossen werden könnten, etwa die Exegese. Im zweiten Halbjahr 1999 wurde daher mit einem Projekt der Beschlagwortung der exegetischen Teilbibliothek begonnen, das inzwischen schon relativ weit gediehen ist (vgl. die Signaturübersicht mit z.T. vorformulierten Schlagwortabrufen in: http://www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/fakultaet/156exe.htm. Gerade für weitere Spezialbereiche - wie die Christliche Archäologie - wären solche Projekte zweifellos besonders nützlich, allerdings auch schwieriger durchzuführen; beim "Raimundus Lullus"-Bestand als dem zweiten bedeutenden Spezialbestand der Fakultät ist es einfacher und daher auch schon zu einem guten Teil durchgeführt.

    Die als Ergänzung unabdingbare klassifikatorische Erschließung wird nur als Fremddatenübernahme denkbar sein, was allerdings für die Fakultätsbibliothek nicht so sehr ins Gewicht fällt, da bei systematisch aufgestellten Beständen ohnehin eine klassifikatorische Aufschlüsselung gegeben ist, wenn auch nach einem "selbstgestrickten" Muster und nur innerhalb von Teilbereichen, die aus historischen Gründen nicht immer im Gesamten abgestimmt sind. Die Möglichkeiten über die Standnummern systematische Abfragen durchzuführen sind dabei im Internet optimiert worden, so daß der Benutzer hier nur Suchanfragen per Mausklick abzusenden hat (vgl. http://www.ruf.uni-freiburg.de/theologie/biblioth/einzel.htm). Es ist sehr zu hoffen, daß das schon vor Jahren angekündigte und immer wieder verzögerte neue Verbundssystem im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund bessere sachliche Recherchemöglichkeiten bieten wird (Einschränkung auf bestimmte Bestände, Schlagwort-Kettensuche, später hoffentliche auch die klassifikatorische Suche mit Notationen der Dewey Decimal Classification....).

     

  5. Internet-Repräsentation der Bibliothek
  6. An die eben genannte nützliche Funktion des Internet soll sogleich eine weitere angeschlossen werden: Das Internet als Schaufenster. Die Freiburger Theologische Fakultät hat sich schon relativ früh sehr gut in diesem Medium dargestellt. In diesen Rahmen konnte dankenswerter Weise schon von Anfang an auch die Fakultätsbibliothek Theologie eingebracht werden. Dies bietet neben der Repräsentation auch Möglichkeiten für die internationale Kommunikation. Ich möchte als Beispiel das vormalige "Raimundus Lullus-Institut" (Arbeitsbereich Quellenkunde und Theologie des Mittelalters) nennen, das mit katalanischen und anderen ausländischen Partnerinstitutionen zusammenarbeitet und entsprechend seine Präsentation auch sprachlich ausgeweitet hat (vgl. http://www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/fakultaet/156ma.htm). Die Spezialbestände bieten hier auch die Möglichkeit einer optisch erweiterten Selbstdarstellung (vgl. den Punkt zur lullianischen Ikonographie und die schöne - mit Erlaubnis der besitzenden Bibliothek wiedergegebene - Karlsruher Handschrift des "Breviculum"). Das soeben angegangene Projekt einer Digitalisierung aller Lullus-Handschriften wird eine völlig neue Dimension der Nutzung des Mediums über die Selbstpräsentation hinaus bieten.

     

  7. Internet-Ressourcen
  8. Die Fakultätsseiten bieten aber noch weitere Chancen, die auch mit bibliothekarischen Fragestellungen zu tun haben. Wir haben insbesondere versucht, bibliographische Beiträge zur Geschichte der Fakultät ins Netz zu stellen. Bibliothekarisches Angebot, Fakultätsgeschichte und Gegenwart verbinden sich auf diese Weise. Das löst auch wissenschaftliche e-Mail-Korrespondenzen aus und ist insgesamt eine sinnvolle Ergänzung bibliothekarisch-bibliographischer Dienste (vgl. etwa die Bibliographien zur Fakultätsgeschichte, Systematische Theologie: http://www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/freisyst.htm).

     

  9. Lokale (und regionale) Ressourcen im Netz
  10. Mit der obigen Nennung der "ATLA religion database" ist schon das Gebiet von Dienstleistungen der Universitätsbibliothek für die Fakultät genannt worden. Durch die lokalen (und regionalen) Netzdienste, die in Freiburg bzw. durch die Universitätsbibliothek Freiburg federführend angeboten werden (IB+, ReDI, Freiburger Volltextserver, Freidok für Dissertationen), ist das Spektrum an Volltexten für die Fakultät nicht unerheblich. Ich möchte vor allem die "Patrologia latina database" nennen oder auch den "Corpus des oeuvres de philosophie en langue française" als Beispiel für Volltext-Quellensammlungen; als Beispiel für Enzyklopädien und Nachschlagewerke sei noch auf die "Routledge encyclopedia of philosophy" hingewiesen - das "Lexikon der Theologie" wäre wünschenswert, ist aber elektronisch bislang noch nicht zugänglich, aber ein wenig vorausgeschaut wird das auch möglich sein...; die letzte abgeschlossene (3.) Auflage von "Die Religion in Geschichte und Gegenwart" ist zumindest angekündigt. Auf diese Weise könnte in absehbarer Zeit grundlegendes Quellen-, Referenz- und Nachschlagematerial neben den Bibliographien per Netz angeboten werden, was m.E. die Hauptfunktionen der Elektronisierung abdeckt, wenn man noch die e-journals hinzunimmt.

    Ein noch relativ neuer Dienst ist das Angebot zur Veröffentlichung von Dissertationen in elektronischer Form über den Volltextserver Freidok. Die theologische Fakultät ist auch hier schon mit Arbeiten vertreten, z.T. auch mit älteren, die zur Freiburger Fakultätsgeschichte (z.B. über Bernhard Welte) oder zu noch gängigen Freiburger Forschungsschweprunkten einen Bezug haben, aber in einem Falle auch aus der Notwendigkeit einer Fernleihe nach Australien entstanden sind – die billiger durch Einstellung eines elektronischen Dokuments zu leisten war! Ein ganz anderes Beispiel ist die Veröffentlichung der unveröffentlichten Dissertation eins Freiburger Professors: Die ungedruckte und mit ihren 1.500 Seiten fast auch auf traditionelle Weise undruckbare Arbeit des früheren Dogmatikers und jetzigen Honorarprofessors der Fakultät, Bischof Karl Lehmann, über Martin Heidegger, die zudem noch intensiv mit der Freiburger Universitätsgeschichte zu tun hat (Heidegger, Husserl, Eugen Fink, Welte, Siewerth, Max Müller...).

     

  11. Aufbau eigener Datenbanken
  12. Die Übernahme fremder Datenbanken ist nicht das einzige. Seit längerem arbeitet die Universitätsbibliothek Freiburg an anderen Projekten mit, von denen ich hier das EU-Projekt "Liberation" nennen möchte, in dem Bibliotheken und Verlage zusammen elektronische Datenbanken aufbauen wollten. In unserem Fall kam dabei die Hansjürgen Verweyen-Datenbank zustande, in der vergriffene Werke des Freiburger Fundamentaltheologen zur Verfügung gestellt wurden (http://hyperw.ub.uni-freiburg.de/verweyen). Das Projekt ist inzwischen ergänzend durch eine pdf-Publikationen des Hauptwerks von Verweyen fortgesetzt worden, das ebenfalls vergriffen war, dessen bearbeitete Neuauflage aber noch auf sich warten ließ (http://www.ub.uni-freiburg.de/referate/04/verweyen/golewo00.html).

    In diesem Zusammenhang möchte ich als andere Beispiele neben einer im Aufbau befindlichen Anselm von Canterbury-Datenbank vor allem die Edition der "Notes philosophiques" von Maurice Blondel nennen, die Peter Henrici über Jahrzehnte sachlich in Rom erarbeitet hat und die nun in Freiburg elektronisiert wurde. Das Projekt ist insofern hochinteressant, als die Vorbereitungsmaterialien für Blondels Meisterwerk "L’Action" in einer Vollständigkeit erhalten geblieben sind, wie dies wohl für keine Werk dieses Ranges in der philosophischen Weltliteratur gegeben ist. Die "Notes" sind die erste Stufe der Erarbeitung von "L’Action", die weiteren Manuskriptstufen werden in der elektronischen Gesamtedition hinzukommen, die zusammen mit Institutionen in Mainz (Katholische Akademie) und Louvain (Centre d’Archives Maurice Blondel) geplant sind. Eine erste Probe-CD der "Notes" ist Mitte 1999 fertig geworden und auf dem Internationalen Blondelkongress Anfang Juni in Mainz vorgestellt worden. Auf dem Server in Freiburg ist dieses Projekt derzeit nur unter Paßwort zugänglich. Es wird aber sicher ein allgemein zugängliches Produkt geben. In Freiburg ist die deutsche Blondel-Forschung seit Jahrzehnten mit verschiedenen Promotionen zuhause (zuletzt 1999), die in absehbarer Zeit auch auf dem Freiburger Dissertationsserver zugänglich sein sollten.

    Die Beispiele haben Modell-Charakter. Sie sind zunächst bibliotheksseitig begonnen worden. Inzwischen ist einiges auf Wunsch der Fakultät und aus konkreten Fragen der Lehre realisiert worden. Es gibt weitere Interessen aus der Fakultät, wobei die Bibliothek hier nur Anregungscharakter haben und bei der Vermittlung des technischen Wissens helfen kann. Es ist jedenfalls wichtig, daß die Bibliothek und ihre Mitarbeiter auf diese Weise auch wieder an neuen Punkten Kontakte bekommen, mit durch die sie ihre Angebote weitervermitteln können.

  13. Lehrangebot, Schulung, Vermittlung
  14. Damit ist implizit schon die Frage der Vermittlung und Schulung angesprochen. Auch traditionell stand sie immer im Blick der bibliothekarischen Arbeit. Seit Anfang der 80er Jahre wurden Einführungen ins wissenschaftliche Arbeiten und die Bibliotheksbenutzung in eigenen Proseminaren durchgeführt. Hier kam in den letzten Jahren natürlich auch die neue Medienwelt vor. Um ein breiteres Spektrum zu erreichen, wurden sodann einzelne Datenbankschulungen eingerichtet. Da hier nur individuelle "Klienten" erreicht werden konnten, wurde dies als allgemeines Angebot wieder aufgegeben. Diese Anfragen lassen sich individuell abarbeiten. Dafür wurden in den letzten Jahren Informationstage in der Fakultätsbibliothek Theologie abgehalten als "Road Shows", in denen zentral im Eingangsbereich der Bibliothek PCs aufgebaut und - mit Beamer - Demonstrationen der für die Theologie relevanten elektronischen Medien - zunächst noch der Einzelplatz CDs, inzwischen vor allem der Netzanwendungen - durchgeführt wurden.

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    Der kursorische Überblick gibt sozusagen nur Schlaglichter aus der laufenden Arbeit. Die Entwicklung der letzten Jahre war so schnell, daß man sich auf alle Fälle hüten sollte, zu stark prognostisch zu arbeiten. Jedenfalls bietet das neue technische Umfeld für die bibliothekarische Arbeit aber genügend an Möglichkeiten, traditionelle bibliothekarische Dienste und Tätigkeiten zu optimieren und manchmal auf eine qualitativ neue Ebene zu heben. Die Entwicklung wird sicher in diese Richtung weitergehen...



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