EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 3 (1993)

Neue Strukturen in der Informationsvermittlung an der Universität Freiburg

Hans-Adolf Ruppert (UB Freiburg)


1. Rückblick

Seit 1979 bietet die Universitätsbibliothek bediente Recherchen als Dienstleistung für die Wissenschaftler der Universität an. Das Angebot beschränkte sich in der ersten Zeit zunächst nur auf den medizinischen Bereich und den Host DIMDI, dessen Datenbanken von der Bibliothek zentral wie auch dezentral im Klinikum angeboten wurden. Ab 1982 - mit der Verfügbarkeit offener Netze (DATEX-P) - wurde das Angebot erheblich erweitert. In den letzten Jahren wurde deutlich, daß die UB nicht weiter alleinige Anbieterin der IVS-Dienstleistung bleiben konnte.

Aus diesem Grund wurde 1992 eine Kooperation mit dem Universitätsrechenzentrum ins Leben gerufen mit dem Ziel, interessierte Fachwissenschaftler(innen) gezielt zur Eigenrecherche hinzuführen und dabei zu unterstützen. Organisation, Schulung und Rechnungswesen wurden dabei von URZ und UB gemeinsam betreut. Parallel dazu liefen in den Fakultäten für Physik und Mathemathik IVS-Projekte an, die unter erheblicher Förderung des Bundes und unter fachlicher Leitung der jeweiligen Fachgesellschaften (DPG, DMV) bereichsbezogen das Angebot an Fachinformation vor Ort verbessern sollten. In diesen Projekten zeigte sich deutlich, daß die bis dahin bestehende Zurückhaltung den Fachinformationssystemen gegenüber zum großen Teil auf fehlender Information und schwierigen Prozeduren bei der Nutzung begründet war.


2. Hemmnisse der Nutzung von Fachinformationssystemen

Als Nutzungshemmnisse können im wesentlichen folgende Faktoren angesehen werden:

  1. Unüberschaubares Angebot, fehlende Relevanzkontrolle
  2. Technisch uneinheitliche Zugangsschnittstellen
  3. Unterschiedliche Retrievalsysteme
  4. Unterschiedliche Datenaufbereitung
  5. Räumliche und zeitliche Verfügbarkeit der Dienste
  6. Probleme bei der nachgeordneten Quellenbeschaffung
  7. Kosten und Abrechnungsverfahren


Konzeptionelle Änderungen müssen daher sinnvollerweise helfen, diese vorgenannten Nutzungshemmnisse abzubauen. Durch Dezentralisierung des Datenbankangebotes in die Universität oder in einzelnen Institute sowie pauschale Nutzungverträge mit Datenbankanbietern kann insbesondere das Hemmnis "Kosten und Abrechnungsverfahren" weitestgehend beseitigt werden.

Die UB hat die traditionell gute und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Universitäts-Rechenzentrum (URZ) jetzt intensiviert und bietet nunmehr eine Reihe von Datenbanken als zentralen Service erreichbar für alle Endgeräte im Universitätsnetz an (derzeit ca. 1500 am X.25 Netz sowie 400 am TCP/IP-Netz). Erfahrungswerte aus der Nutzungsstatistik im CD-Pool der UB liefern die Entscheidungshilfen für die Auswahl der CD-Datenbanken.


CD-ROM / OVID Projekt UB-URZ Freiburg

CD-ROM / OVID Projekt UB-URZ Freiburg


3. CD-Datenbank-Nutzung

Basierend auf der folgenden Unterteilung wird an der Universität Freiburg versucht, die Datenbanken kostenbewußt gleicherweise im universitären und im Kliniksystem zu verteilen:

  1. Spezielle Datenbanken für wenige Wissenschaftler mit seltener Nutzung werden direkt am Arbeitsplatz des Interessenten installiert.
  2. Allgemeine Datenbanken für mehrere Institute mit seltener Nutzung werden (nach wie vor) im CD-Pool der UB bereitgestellt.
  3. Datenbanken mit hoher Nutzungserwartung innerhalb nur eines Wissenschaftsbereichs (Instituts) und häufiger Nutzung werden nach Möglichkeit im lokalen Netzwerk (LAN) des Instituts installiert.
  4. Allgemeine Datenbanken für mehrere Bereiche und mit hoher Nutzungserwartung werden im zentralen Infoserver des Rechenzentrums angeboten. Dieser enthält sowohl CD-Datenbanken, wie auch Harddisk-Systeme.


Da heute die Beschaffung von CD-Datenbanken (nicht nur) in der Universität Freiburg abstimmungspflichtig ist (vergleichbar dem Verfahren bei Zeitschriftenabonnements), besteht auch die Möglichkeit, bei der Beschaffung von Datenbank-CD's in den Instituten und im Klinikum entsprechend beratend zu wirken. In Folge davon werden heute zumindest testweise auch so erworbene CD's im Infoserver universitätsweit angeboten. Stellt sich für ein Produkt nicht die erwartete Nutzungsfrequenz ein, erfolgt eine Rückgabe an das Institut. Das zentrale CD-System basiert auf der allgemein bekannten Technik (LogiCraft) unter Steuerung durch einen RS/6000-Rechner des URZ. (Vgl. auch Abb. S. 22).


4. Höchste Datenbank-Nutzungen mit neuester Technik

Bei der Datenbank MEDLINE zeigt sich die Grenze der CD-Technik im DOS-Bereich (wie auch immer die WAN-Fähigkeit erreicht wird). Aus anderen Installationen ist bekannt, daß unabhängig von der gewählten Technik, die gleichzeitige Nutzung dieser Datenbank von mehr als 4-5 Stellen aus technisch zwar möglich, jedoch vom Antwortzeitverhalten sehr ungünstig ist. Zur Deckung des Bedarfs an Informationen aus dieser Datenbank - allein im Klinikum sind 13 Lizenzen, teilweise im LAN installiert - wurde als Lösung OVID/MEDLINE der Firma CD-PLUS gewählt. Auf einem UNIX-Rechner des URZ (RS/6000) wird die Datenbank auf rund 8 GByte Massenspeicher installiert und mit dem Retrievalsystem OVID bedient. Das System läßt (in der vorliegenden Softwarelizenz) bis zu 10 gleichzeitige Sitzungen aus dem gesamten Universitätsbereich zu. Erhöhungen sind möglich, erfordern jedoch auch einen entsprechenden Rechnerausbau. Da der Dienst aber rund um die Uhr an 7 Tagen in der Wochen allen Interessenten zur Verfügung steht, wird auf Dauer eine Entzerrung der Betriebslasten in Spitzenzeiten erwartet. Die Datenbank wird monatlich aktualisiert und ist somit genauso aktuell wie ihre "kommerziell angebotenen Pendants".

Weitere Datenbanken, insbesondere im medizinischen Bereich, aber auch für Sozial- oder Wirtschaftswissenschaften sowie Current Contents, sind für diese zukunftsweisende Lösung verfügbar. Sie werden derzeit wwegen zu hoher Lizenzkosten noch nicht eingesetzt.


5. Weitere Nutzungshemmnisse werden abgebaut, andere bleiben

Beide Systeme, CD-ROM-Server und OVID/MEDLINE, werden über einen gemeinsamen Servicerechner des URZ bedient und sind aus Sicht des Benutzers ein technisches System mit einer Schnittstelle zum Datennetz. Allerdings muß der Anwender nach wie vor mehrere Retrievalsysteme bedienen können um sich durch die unterschiedlichen Datenbestände zu navigieren. Die Ergebnisse hängen in sehr starken Maße von der gewählten Suchstrategie ab, die oftmals dem "Selten-Benutzer" nicht vollständig bekannt ist. Die Klagen, daß eine Datenbank "ja nichts biete" oder nur "nicht-relevante Nachweise liefere", sind sicher auch an anderer Stelle hinreichend bekannt. Nachrecherchiert durch "Profis" findet man oftmals ein passables Ergebnis. Im Rahmen der o.a. Projekte in den Fakultäten Physik und Mathematik wurden zur Schulung und Betreuung vor Ort Informationsbeauftragte eingesetzt.


6. Was bleibt zu tun?

Offen bleiben auch bei neuer Technik und neuen Organisationsstrukturen immer noch die Positionen "unüberschaubares Angebot, Relevanzkontrolle und Probleme bei der Quellenbeschaffung". Hier sind zweifellos erhebliche Anstrengungen vor allem in der Bibliothek notwendig, um die Situation noch zu verbessern. Mit den heute schon existierenden und in den kommenden Jahren verfügbaren Online-Katalogen, Online-Lieferung von Zeitschriftenartikeln sowie einer beschleunigten Abwicklung der Fernleihverfahren bestehen technische Möglichkeiten, deren organisatorische Einbindung in bestehende Geschäftsgänge dringend geprüft werden muß.

Die derzeitige Entwicklung läßt deutlich erkennen, daß durch die Nutzung elektronisch gespeicherter und in Selbstbedienung recherchierbarer Informationen im weitesten Sinn UB, URZ und Fakultäten gleicherweise neue Aufgaben durch Informationsressourcenberatung, Gruppenschulung und Einzelbetreuung erfüllen müssen. In der UB wird daher für den bibliothekarischen Bereich geplant, eine Informationsabteilung im Sinne des Informations-Managements zu bilden, in der alle konventionellen und EDV-gestützten Informationsdienste (Allgemeine Information, Kataloginformation, allgemeine und spezielle Fachinformation, Benutzerschulung, Öffentlichkeitsarbeit u.a.) zusammengefaßt werden. Zu gegebener Zeit soll hierüber an anderer Stelle berichtet werden.


7. Kosten und Lizenzfragen

In dem gemeinsamen Projekt hat das URZ mit großem Engagement die vollständige Rechner- und Softwarebeschaffung sowie deren Installation durchgeführt. Die UB ist verantwortlich für die Auswahl und Beschaffung der Datenbanken. Addiert man die Kosten insgesamt auf und vergleicht diese mit den bestehenden Kosten (für z.B. 13 MEDLINE-Lizenzen im Klinikum oder den Recherchekosten bei externen Hosts), so ergeben sich schon nach kurzer Zeit "schwarze Zahlen". Es ist sicherlich aber nicht sinnvoll und auch nicht möglich, alle Aufgaben zu dezentralisieren. Um dem Wissenschaftler und auch den Studierenden der Universität kurzfristig und kostengünstig Fachinformationen anzubieten, ist der weitere Ausbau der lokalen Dienste auch nötig. Die bediente Fachinformation wird aber ebenso ein Bestandteil des Gesamtdienstes bleiben wie auch selbst durchgeführte Recherchen bei den Fachinformationszentren. Hierzu muß allerdings eine noch stärkere Pauschalierung der Gebühren, verbunden mit einer - zumindest teilweise - freigegeben Nutzung durch Mitglieder der Universität erreicht werden.

Eine neue Perspektive ergibt sich durch den Einsatz der Datenbanken unter UNIX-Rechnern. War die CD-ROM noch Einzelplatzmedium, allenfalls auf dem Wege spezieller Techniken LAN- oder auch begrenzt WAN-fähig, so liegt mit der UNIX-Implementierung ein vollwertiges System vor, das ohne technische Probleme auch regional (und darüber hinaus) eingesetzt werden könnte. Dies ist noch lizenztechnisch untersagt, die Nutzung ist auf die installierende Institution beschränkt. Bereits heute werden aber zwei Positionen bei den Lizenzkosten unterschieden: die Jahres-Nutzungpauschale und die Ladepauschale. Die erstere fällt an jeder Institution an, die die Daten nutzt, die zweite nur dort, wo die Datenbank physikalisch geladen wird. Dies ergibt nicht nur neue Möglichkeiten in der Zusammenarbeit der Universitäten untereinander, sondern auch für zentrale Fachbibliotheken und Sondersammelgebietsbibliotheken mit ihrem Service für einzelne Universitäten.



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