EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 3 (1993)
Schwerpunktthema: UB Karlsruhe


Von der Magazin- zur Freihandaufstellung
- Planungen der Universitätsbibliothek Karlsruhe -

Sybille A. Mauthe


Die Universitätsbibliothek Karlsruhe ist für die Literaturversorgung einer im wesentlichen technisch-naturwissenschaftlich geprägten Universität zuständig, steht als größte technische Bibliothek des Landesteils Baden aber auch der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Das 1966 bezogene Bibliotheksgebäude liegt im Hochschulgelände in unmittelbarer Nähe der Hauptzufahrt neben der Mensa. Die günstige Lage der Bibliothek mußte mit dem Nachteil eines relativ kleinen Grundstückes (2.500 m2) erkauft werden. Es entstand ein 51 m hoher "Bücherturm" mit 14 Geschossen, der heute weit über 700.000 Bände beherbergt.

Die funktionale Dreiteilung in Benutzung, Verwaltung und Magazin wird schon an der Aussenfassade deutlich. Erdgeschoß und 1.-3. Obergeschoß umfassen die Benutzungsräume, 4.-6. Obergeschoß den Verwaltungstrakt, 7.-11. Obergeschoß das (geschlossene) Magazin, in dem über 80 % der Literatur lagert.

Die für den Benutzer frei zugängliche Literatur beschränkt sich im wesentlichen auf die im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoß befindliche Lehrbuchsammlung, die Bestände des allgemeinen Monographienlesesaales (2.OG), die im Zeitschriftenlesesaal (3. OG) bereitgehaltenen neueren Jahrgänge vielgenutzter Zeitschriften und die außerhalb der Universitätsbibliothek in ihren Fachlesesälen für Chemie und Physik bereitgestellte Fachliteratur. Die im Magazin - überwiegend nach dem Numerus-Currens-Prinzip - aufgestellte Literatur muß vom Benutzer über das EDV-Ausleihsystem bestellt werden.

Die Universitätsbibliothek Karlsruhe ist also den klassischen Magazinbibliotheken zuzuordnen. Eine Umstrukturierung der Bestände in Richtung auf eine erweiterte Freihandpräsentation ist auf der Grundlage der augenblicklichen Raumsituation nicht vorstellbar.

Schon zu Beginn der 80er Jahre ließen die rasant steigenden Studentenzahlen, die damit verbundene Zunahme der Ausleihen und der stetige Literaturzuwachs eine Erweiterung der Benutzungsflächen und damit die Möglichkeit, vermehrt Literatur frei zugänglich aufzustellen, wünschenswert erscheinen. 1985 wurde ein Architekturwettbewerb im Zusammenhang mit der geplanten Mensaerweiterung durchgeführt, jedoch zunächst nur der Umbau der Mensa realisiert. Erst 1992 wurde ein Planungsauftrag bezüglich des Bibliotheksgebäudes vergeben. Die augenblicklich vorliegenden Pläne, die auch der Tatsache Rechnung tragen, daß die Universitätsbibliothek als typisches Gebäude der 60er Jahre unter Denkmalschutz steht, sehen eine Erweiterung durch Anbauten an der Süd- und Ostfront bis zur Höhe des 3. OG vor. Der Bibliothek würden damit zusätzlich ca. 6.000 m2 - hauptsächlich für den Benutzungsbereich - zur Verfügung stehen.


UB Karlsruhe


Basierend auf diesen Vorstellungen wurden von Seiten der Bibliothek genauere Überlegungen zur zukünftigen Präsentation der Bestände angestellt. Als Faustregel für den Anteil frei zugänglich aufzustellender Literatur wird im allgemeinen das 10-15fache des jährlichen Buchzuganges angegeben, wobei der Wert bei naturwissenschaftlich-technischen Beständen eher zum 10fachen des Jahreszuganges tendiert.

Unter der Prämisse, daß die aktuelle Literatur an der Universitätsbibliothek Karlsruhe auch die vielgenutzte darstellt, entschloß man sich bei einer Freihandaufstellung die letzten 10 Jahreszugänge zu berücksichtigen. Magaziniert werden sollen lediglich Kleinschriften, nicht im Buchhandel erschienene Dissertationen, minderwichtige Reihen etc. Die Entscheidung trifft im Einzelfall der zuständige Fachreferent.

Während bei den ursprünglichen Planungen Mitte der 80er Jahre noch eine Aufstellung der Bestände nach dem Numerus Currens präferiert wurde, entschied man sich nun - nach durchaus kontrovers verlaufenden Diskussionen - dafür, die Literatur grob-systematisch in sog. Fachlesesälen, die sich über die Stockwerke 1 bis 3 im Erweiterungs- und Altbau verteilen sollen, aufzustellen. Zeitschriften und Monographien eines Faches sollen dabei zusammenstehen.

Aufgrund des Literaturzuganges der letzten Jahre wurde für die einzelnen Wissenschaftsfächer der voraussichtliche Platzbedarf berechnet. Die architektonischen Vorgaben, die Nutzungserwartung und den systematischen Zusammenhang berücksichtigend wurden verschiedene Fächer zu Großgruppen zusammengelegt und folgende Fachlesesäle konzipiert:

1. Informatik24.000 Bände
2. Mathematik15.000 Bände
3. Naturwissenschaften17.000 Bände
4. Technik34.000 Bände
5. Architektur13.000 Bände
6. Wirtschaftswissenschaften27.000 Bände
7. Geisteswissenschaften12.000 Bände
 
- Räumlich getrennt aufgestellt:
8. Chemie27.000 Bände
9. Physik25.000 Bände


Mit den gesondert aufzustellenden Beständen der Lehrbuchsammlung, die ungefähr 60.000 Bände umfassen soll, wären also ca. 254.000 Bände frei zugänglich.

Den einzelnen Fachlesesälen wurde gemäß der erwarteten Nutzung - soweit es die räumliche Situation erlaubt - eine entsprechende Zahl von Lesesplätzen und Carrels zugeordnet.

In den Fachlesesälen sollen Präsenz- und Ausleihbestände - optisch gekennzeichnet - nebeneinander stehen. Den von einigen Bibliothekaren geäußerten Bedenken, die beiden Funktionen seien in ihren Anforderungen nur schwer vereinbar, muß durch entsprechende innenarchitektonische Maßnahmen (z.B. konzentrierte Anordnung der Leseplätze in ruhigen Zonen) Rechnung getragen werden. Der augenblicklich existierende "klassische" Monographienlesesaal würde damit aufgelöst und bestünde nur noch als kleiner Bereich allgemeiner Nachschlagewerke (Allgemein-Enzyklopädien, Wörterbücher, Adreßbücher etc.).

Als Grundlage der sachlichen Aufstellung soll die bereits vorhandene, hauseigene Lesesaalsystematik, die auch in der Lehrbuchsammlung und in den zur UB gehörenden Chemie- und Physik-Lesesälen Anwendung findet, dienen. Es handelt sich hier um eine hierarchisch aufgebaute, alphanumerische Systematik. Die Fachgruppen werden nach dem Muster "math 4.1", "biol 3.12" vergeben. Monographien werden mit einem entsprechenden farbigen Schild gekennzeichnet.

Um den Anforderungen einer umfassenden Freihandaufstellung gerecht zu werden, mußte diese Systematik in vielen Fällen von den Referenten überarbeitet und erweitert werden. Auch sollen formale Unterteilungen (Nachschlagewerke, Gesamtdarstellungen etc.) grundsätzlich in gleicher Weise vorgenommen werden. Da sich die Vergabe der Fachgruppen nun nicht mehr auf die herkömmliche Lesesaalliteratur beschränkt und pro Monographie natürlich nur eine Fachgruppe vergeben werden kann, waren darüberhinaus Absprachen über die Zuordnung bestimmter Wissenschaftsaspekte bzw. Literaturgruppen notwendig.

Seit 1.1.1993 vergeben die Fachreferenten der UB für die freizugänglich aufzustellenden Monographien neben den Notationen des Sachkatalogs diese Fachgruppen. Ebenso erhalten nach und nach alle Zeitschriften eine fachliche Zuordnung.

Die daraus resultierenden Probleme bezüglich des Geschäftsgangs wurden innerhalb einer Arbeitsgruppe behandelt. Unter anderem wurde festgelegt, daß die Fachgruppen sowohl in das EDV-Ausleihsystem - statistischer Auswertungen wegen - als auch in den Südwest-Verbund eingebracht werden. Die Fachgruppen werden damit über den in naher Zukunft zur Verfügung stehenden OPAC der UB recherchierbar sein. Da die UB Karlsruhe beabsichtigt, ihre Sacherschließung ab 1994 nicht mehr nach der hauseigenen Systematik, sondern nach den RSWK zu betreiben [1], kann diese Fachgruppe auch als systematische Komponente bei sachlichen Recherchen im OPAC dienen. Sowohl Monographien als auch Zeitschriften werden analog der Vorgehensweise bei Lesesaalbeständen mit den zugeordneten Fachgruppen bzw. Fächerbezeichnungen beschildert. Auf die zahlreichen darüberhinaus zu regelnden Detailfragen soll hier nicht weiter eingegangen werden.

Aufgrund der finanziellen Lage der öffentlichen Haushalte kann zum Beginn des Erweiterungsbaus keine konkrete Aussage gemacht werden, doch hoffen die Mitarbeiter der UB Karlsruhe weiterhin auf eine baldige Umsetzung der Planungen.




 
[] Vgl. Gorenflo, H. u. Kandil, F.: Die Katalogsituation an der Universitätsbibliothek Karlsruhe. - in diesem Heft
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Letzte Änderung: 26.07.1999
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