EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 3 (1993)
Schwerpunktthema: UB Karlsruhe


Die UB Karlsruhe im Internet

Peter Grünewald


Internet als Schlagwort birgt in Diskussionen um Rechnernetze noch immer oft genug nebulöses und geheimnisvolles in sich. Was nun eine Bibliothek damit anfangen soll, ist daher meist noch wenig bekannt.

Momentan wird in den meisten Bibliotheken die Netzanbindung über die X.25-Norm betrieben. Auch in der Universitätsbibliothek Karlsruhe wird noch ein Teil der Katalogisierung mit Gerätschaften bewerkstelligt, die mittels der X.25 Norm auf die entfernten Datenbanken zugreifen. Dies wird sich in Zukunft ändern. Die Entwicklungen der Universitätsbibliothek Karlsruhe setzen eine Netzanbindung an das Internet voraus.

In diesem Abschnitt werden ein paar Stichworte zum Mitreden über das Internet verloren und eine kurze Beschreibung der Dienste gegeben, die einem dasselbe bietet.


1. Allgemeines über Internet

Was ist Internet überhaupt?

Internet ist ein nationales wie auch internationales Netz von Computern unterschiedlicher Hersteller (IBM, DEC, HP, ...). Entstanden ist dieses Netz aus den Bestrebungen, Rechner mit UNIX-basierten Betriebssystemen zu vernetzen.


Was macht man mit einem solchen Rechnernetz ?

Mit dem Internet werden Dienste zur Informationsgewinnung angeboten. Die Themenbereiche betreffen alles, was irgendwie interessieren könnte. Momentan überwiegt noch Material über Rechner o.ä., doch der weitere Ausbau des Informationsnetzes betrifft auch Themen wie Sport, Musik, Literatur, ... .

Literatursuche auf einem Internet wird somit auch für bibliothekarische Dienste interessant. Es wird möglich, Recherchen nach bibliographischen Daten über das Internet zu betreiben. Man loggt sich in einem fernen Rechner ein und stöbert dort nach Werken literarischen Ursprungs. Kann man das nicht auch mit Datex-P oder WIN machen?


Wo liegt jetzt der Vorteil ?

Zur Beantwortung dieser Frage muß man recht weit ausholen und die Architektur dieses Netzwerkes kennen. Einen Kernpunkt dieser Architektur bildet das Protokoll TCP/IP im Internet.


Was ist TCP/IP ?

Eine Abkürzung. Ausgeschrieben heißt TCP/IP: Transmission Control Protocol / Internet Protocol.

Diese Sammlung an Protokollen, die entwickelt wurde, um UNIX-Rechner unterschiedlicher Hersteller zu vernetzen, legt den Datenaustausch im Internet fest (Datenformat, Geschwindigkeit, Dienste, ...). Sie ist mittlerweile zum Industriestandard herangereift und steht inzwischen auch für Rechner mit anderen Betriebssystemen wie DOS, OS/2, MVS zur Verfügung.

Der wesentliche Unterschied zwischen X.25 und den TCP/IP-Protokollen besteht darin, daß TCP/IP neben der reinen Transportfunktion zusätzliche Dienste zur Verfügung stellt.


Was für Dienste sind das?

Hier begeben wir uns wieder auf Gebiete, die auch den Benutzer interessieren. In loser Folge seien einige Dienste genannt und anschließend kurz erläutert.

FINGER
Mit FINGER kann man in Erfahrung bringen, ob ein Lebewesen mit einer bestimmten USERID an einem Server existiert.

FTP (File Transfer Program)
Dieses Programm ermöglicht das Einloggen auf einem fremden Rechner und die Suche nach Informationen und Dateien. Weiterhin ist es möglich, Dateien von einem zum anderen Rechner zu übertragen. Vorraussetzung ist eine gültige USERID für den angewählten Rechner und die Berechtigung für diese USERID, in den Verzeichnissen zu stöbern. Viele FTP-Server stellen darüber hinaus einen Anonymous FTP-Dienst zur Verfügung, der es erlaubt, ohne spezifische USERID bestimmte Dateien zu übernehmen.

RSHELL, RLOGIN, REXEC
Diese Dienste ermöglichen ein Einloggen auf einem anderen Rechner mit einer USERID und einem Passwort. Möglich wird dies durch sogenannte virtuelle Terminals, die man während eines Kontaktes vom Server zuordnet bekommt. Diese virtuellen Terminals enthalten eine begrenzte Auswahl an möglichen Befehlen, die man dem Rechner schicken kann und eine genau definierte Form des Bildschirms, den man benutzt.

Telnet
Telnet ist eine Form des Rlogin, die auf dem eigenen Rechner einen Fullscreen-Bildschirm simuliert. Damit werden die zeilenweise eingehackten Kommandos in eine Bildschirmanwendung umgekrempelt. Es können beispielsweise die Festlegungen für einen Bildschirm der Sorte VT100 oder VT220 verwendet werden. Das bedeutet, daß man bei der Verbindung mit einem fernen Rechner das hohe Gefühl hat, man säße an diesem Rechner an einem VT100-Bildschirm. Dies ist gegenüber dem Zeilenmodul komfortabler.

TNGLASS
Dieser Dienst stellt einem die Verbindung zu einem Server unter Berücksichtigung einer gewünschten Terminalemulation zur Verfügung. Beispielsweise kann man mit diesem Dienst Recherchen in dem Verbundkatalog in Konstanz durchführen, unter Simulation der dort verwendeten Rechercheoberfläche.

EMAIL
Dieser Dienst ermöglicht die Kommunikation mit Benutzern im Internet, sofern man deren Mailadresse kennt. Elektronische Mitteilungen können erstellt und verschickt werden, um Informationen an die entlegensten Orte der Welt (rechnertechnisch gesehen) zu verschicken.

ARCHIE
Dieser Dienst stellt eine Umgebung für den Benutzer zur Verfügung, mit der er mit einfachen, weitgehend selbst erklärlichen Befehlen in einem Rechner nach Informationen zu irgendwelchen Problemem forschen kann. Ziel des ganzen ist eine einheitliche Benutzungsführung auf den Internet-Rechnern, die Informationen zur Verfügung stellen wollen.

WAIS
Wide Area Information System ist die Bemühung, die Suche der Informationen auf der Welt der Internet-Rechner noch komfortabler zu gestalten. Mit diesem Dienst kann man beispielsweise nach einem Stichwort zu einem Thema suchen, ohne den Rechner zu kennen, auf dem die Informationen liegen.
Bei der Suche des Systems nach dem Stichwort werden automatisch alle zur Verfügung stehenden Rechner im Internet nach dem Stichwort befragt und eine Liste der Adressen der Rechner produziert, auf denen Informationen zu diesem Stichwort vorhanden sind.

GOPHER
Mit GOPHER wird einem Benutzer ein Informationsinstrument zur Verfügung gestellt, bei dem er überhaupt keine USERID und Passwort oder sonstigen Schnickschnack braucht. Sobald der Benutzer eine freie Leitung zu einem Server erwischt, kann er diesen Dienst benutzen, um in einer menügeführten Weise nach Informationen zu suchen.
Ziel war es auch hier, die Suche nach Informationen mit so wenig wie möglichem Know-How (über den angewählten Rechner) zu ermöglichen.


Wie rufe ich jetzt diese tollen Dienste auf ?

Normalerweise handelt es sich bei diesen Diensten um Kommandos, die auf einem Rechner eingetippt und benutzt werden können.

Beispiel für FINGER:

finger@rechnerxy (rechnerxy ist die Adresse des Rechners)

Als Ergebnis erhält man die in den Rechner eingeloggten Personen.

Diese einfachen Dienste, wie auch FTP und Telnet sind bei den TCP/IP-Programmpaketen für den entsprechenden Rechner vorhanden. Weitergehende Dienste wie WAIS oder GOPHER müssen von dem lokalen Systemadministrator auf einem Rechner zur Verfügung gestellt werden. Dieser kann sich über das Internet die nötigen Programme und Bauanleitungen besorgen und sie auf dem Server-Rechner zur Verfügung stellen. Häufig existieren auch graphische Benutzeroberflächen, z.B. XGOPHER, XWAIS.

Ein Beispiel, wie so etwas aussehen kann, folgt weiter unten in dem Abschnitt:
"Schön, was hat das jetzt alles mit Bibliotheken zu tun ?"


Kann jetzt jedermann in meinem Rechner herumstöbern ?

Die Frage der Sicherheit wird dem einen oder anderen vielleicht doch in den Sinn kommen. Diese ganze Vernetzerei wird durch folgende technischen Schranken kontrollierbar.

Um Dienste auf einem Rechner benutzen zu können (FTP, RLOGIN, ...) muß der Server, der dies bewerkstelligt, dafür eingerichtet werden. Deutlicher gesprochen, es muß genau definiert werden, welcher Benutzer welche Dateien und Verzeichnisse verunstalten kann. (Kopieren, Anschauen, Editieren, ...). Die derzeitigen Server werden überwiegend mit einem UNIX- oder UNIX-ähnlichen Betriebssystem betrieben.

Die Architektur des TCP/IP und des Betriebssystems erfordert für jeden Benutzer eines solchen Rechners genau definierte Rechte, was, wer, wann und mit welchen Mitteln benutzen darf. Selbstverständlich muß es diesen Benutzer erst einmal geben.

Dateien, die einem Benutzer nicht freigegeben werden, bekommt dieser schon gar nicht zu Gesicht. Befehle, die einem Benutzer nicht gewährt werden sollen, sind für ihn nicht benutzbar. Dies gilt für alle Benutzer dieses Rechners und somit erst recht für einen, der von irgendwoher in den Rechner einsteigen will. Durch die Eindeutigkeit der Internet-Adressen ist eine Kontrolle der Zugriffe noch weiter ausbaubar. Diese Adressen werden von einem internationalen Institut vergeben. (EUnet und NIC).


Wie komme ich jetzt an einen fremden Rechner, wenn ich gar keine USERId hab ?

Es werden auf den Servern "standardisierte Benutzer" verwendet. Zum Beispiel gibt es auf den Rechnern einen Benutzer "FTP", der als Passwortabfrage die Adresse des Einloggers wünscht. Oder einen Benutzer "GUEST", der oftmals keine Passwortabfrage verlangt. Diese Benutzer besitzen auf den Servern sehr eingeschränkte Rechte und minimale Befehlsgewalt. Meist können sie nur in wenigen Verzeichnissen suchen, aber beim Editieren von Dateien weist der Server freundlich darauf hin, daß man genau dazu keine Rechte besitzt.


2. Die Universitätsbibliothek im Internet

Schön, was hat das jetzt alles mit Bibliotheken zu tun ?

In den oberen Abschnitten hat man jetzt die Möglichkeiten kennengelernt, die mit dem Internet zu bewerkstelligen sind. Nehmen wir jetzt einmal an, wir wollen nach literarischen Werken fahnden.

Der bisherige Weg sieht so aus, daß man über eine X-25 Verbindung (PC mit Modem o.ä.) in diverse Datenbanken einsteigt und nach einem Werk sucht. Im Bibliotheksverbund in Baden-Württemberg hat man zumindest die Möglichkeit, in einem zentralen Katalog in Konstanz nach einem Werk zu suchen. Alle anderen Möglichkeiten müssen nacheinander ausprobiert werden. Also:

  1. Datenbank anwählen (STN, DIALOG, ZDB, ...)
  2. Einloggen
  3. Suchen nach Werken
  4. Ausloggen

Leider gibt es bei den Datenbankanbietern keine einheitliche Oberfläche für den Benutzer. Mit allerlei Tastaturakrobatik und Kommandovielfalt kämpft der Rechercheur sich durch die Datenbanken (Ctrl, Shift, Gatter- und Buchstabenpirouetten). Jede Datenbank hat ihre eigene Kommandostruktur, die leider auch nicht immer selbsterklärend ist.

Betrachtet man nun die Möglichkeiten, die das Internet bietet, so erlaubt die Architektur des Netzwerks und der Rechner, eine einheitliche Menüführung des Benutzers zu entwickeln. In den ISO/OSI-Standardisierungsgremien werden solche Standards erarbeitet, die zu einem normierten Dienstangebot führen. Dies bedeutet, auf allen Datenbankrecherche-Rechnern könnte man mit den gleichen Typen von Funktionen nach Literatur forschen. Man muß sich dann nicht mehr mit den verschiedenen Kommandos herumschlagen. Überhaupt wird es durch dieses Netz erst möglich, Menüführungen über eine Fenstertechnik bereitzustellen. Somit wird eine Benutzung der Datenbanken mit Hilfe von Mausklicks möglich. Dies würde die Arbeit der Recherche erheblich erleichtern.

Spannt man den Bogen weiter, könnte man auf folgende Idee kommen: In einem Standardmenü gibt man einen Suchbegriff ein und das System sucht selbstständig auf allen zugänglichen Rechnern nach Informationen mit diesem Suchbegriff. Ein explizites Anwählen der Rechner wird nicht mehr nötig. Mit solch einem Dienst könnte man in allen verfügbaren ONLINE-Katalogen Recherchen über einen Suchbegriff durchführen.



Gibt's das auch, oder ist das nur Zukunftsmusik mit eingeschränkter Realisierungswahrscheinlichkeit?

Tatsache ist, daß in den USA und Europa einige Datenbankanbieter schon einen Zugang über das Internet bereitstellen. Hier ist die Anwendung von FTP-Diensten schon realisiert. Ebenso real ist der TCP/IP-Anschluß an den Verbundkatalog in Konstanz. Der Verbund stellt bereits einen GOPHER-Server zur Verfügung und bietet so seine Leistungen im Rahmen dieses Dienstes an.

Ebenso real ist das bestehende weltweite Usenet, in dem ein reger Austausch von Informationen zwischen den Servern betrieben wird. In der UNIX-Welt bildet die Verbindung über TCP/IP den Standard.

Durch die Vielzahl der Themen haben sich bestimmte Server schon auf Themen beschränkt, für die sie Informationen zur Verfügung stellen. Es findet eine Art "internationale Arbeitsteilung" in der Bereitstellung von Informationen statt. Dadurch werden Mehrfachdatenhaltungen auf Servern vermieden und die Ressourcen der Server sinnvoller ausgenutzt. Weiterhin gibt es auf vielen Rechnern schon einen funktionierenden WAIS-Service. Man wählt die Verbindung zu einem Server, ruft den WAIS-Service auf und erhält die Möglichkeiten, Informationen zu suchen, erhalten, ... .

Über diesen WAIS-Dienst erhält man auch Zugang zu weltweiten Bibliotheken, in denen nach Büchern recherchiert werden kann. Über WAIS erhält man somit auch Zugang zu den OPAC's in der Welt. Die Benutzerführung erfolgt auch hier über Menüs und ist auch für den ungeübten Benutzer durchführbar.

Auch das neue Ausleih- und Katalogsystem OLIX [1] der Universitätsbibliothek Karlsruhe kann über Internet angewählt werden. Hier wird die Möglichkeit geschaffen, auch außerhalb der Universitätsbibliothek mit Hilfe des Internet, Recherchen mit Menüführung durchzuführen. Diese Entwicklung orientiert sich an den internationalen Standards der Datenübertragung bibliothekarischer Daten.

Das Institutssystem "KARIN" [2], das in dem Bibliothekssystem der Universität Karlsruhe schrittweise ausgebaut wird, verwendet ebenfalls die technischen Möglichkeiten des Internet. In ihm kann mit Hilfe der Fenstertechnik katalogisiert und im Südwestverbund recherchiert werden.




 
[1] Vgl. Kristen, H.: OLIX als Einstieg in die Welt Offener Systeme. - In diesem Heft
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[2] Vgl. Mönnich, M.: Karlsruher Informationssystem KARIN für Institutsbibliotheken. - In: EUCOR-Bibliotheksinformationen Nr. 2 (1993) S. 17-20
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