EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 4 (1994)

Glückliche 14 Jahre - Dr. Gerhard Römer in den Ruhestand verabschiedet

Rüdiger Schmidt (BLB)


Der Direktor der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Leitender Bibliotheksdirektor Dr. Gerhard Römer, ist am 31. Juli 1993 in Ruhestand gegangen. Am 20./21. September 1993 wurde er feierlich verabschiedet.

Drei Veranstaltungen waren an den beiden Tagen Herrn Römer gewidmet. Das Echo auf die Einladungen war groß. Bei zwei Veranstaltungen mußte ausgewichen werden, weil der Vortragsraum der Badischen Landesbibliothek entschieden zu klein gewesen wäre.

Am Nachmittag des ersten Tages wurde ein Kolloquium abgehalten unter dem Thema "Bibliotheken mit regionalen Funktionen - Standortbestimmung und Entwicklungschancen". An ihm nahmen Kolleginnen und Kollegen aus vielen Bundesländern teil. Unter der souveränen Leitung des Berliner Generaldirektors Dr. Landwehrmeyer wurden vier Referate gehalten, an die sich jeweils eine Diskussion anschloß. Trotz des Anlasses, der eher Themen mit Leistungsbilanzen hätte erwarten lassen können, standen bewußt Themen mit Zukunftsausrichtung im Vordergrund. Landwehrmeyer wies auf die "tiefgreifenden Strukturveränderungen" hin, mit denen wir es zu tun haben und die sich durch die Informationstechnik, durch "politische Veränderungen, wie sie die Vereinigung Deutschlands und die europäische Integration mit sich bringt" und durch "das sich ändernde Verhältnis des Staates zu seinen Einrichtungen" (Stichwort Privatisierung) kennzeichnen ließen.

Der Direktor der Sächsischen Landesbibliothek Dresden Dr. Frühauf beschäftigte sich mit dem "Selbstverständnis von Landesbibliotheken. Situation und Probleme in den neuen Bundesländern". Er legte dar, wie nach dem zweiten Weltkrieg fast alle Landesbibliotheken aufgelöst und umgewandelt wurden. Die Wiederherstellung der alten Länderstrukturen nach der Wende von 1990 führte auch zur Wiederbelebung einiger Landesbibliotheken. Anpassungen an die neuen Gegebenheiten waren unvermeidlich. An der Sächsischen Landesbibliothek, die als einzige Landesbibliothek die DDR-Zeit recht unbeschadet überstanden hat, wehrt man sich heftig dagegen, mit der Universitätsbibliothek Dresden vereinigt zu werden.

Gedanken zur "kulturellen Außenarbeit" trug der Direktor der Niedersächsischen Landesbibliothek Dr. Dittrich vor. Im Ausstellungswesen sollten die Bibliotheken stärker darauf achten, daß Bereiche des riesigen Bibliotheksfundus' bekannt gemacht werden. Das müßten nicht nur die Zimelien sein.

Ebenfalls um Fragen der Außenwirkung ging es bei der Referentin, die nicht Bibliothekarin ist, sondern am bekannten ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München tätig ist, Diplom-Volkswirtin Marlies Hummel. Sie beschäftigte sich mit dem aktuellen Thema "Kultursponsoring - Nutzen Bibliotheken ihre Chancen zu wenig?" Anschaulich wurden Beweggründe, Erwartungen der Unternehmen und konkurrierende Sponsoringfelder geschildert. Für die Bibliotheken sind die langfristigen Aussichten nach Meinung der Referentin eher günstig.

Der Direktor der Bayerischen Staatsbibliothek München Dr. Leskien stellte selbst fest, daß sein Thema "Effizienzsteigerung - Abschied vom Prinzip des Wachstums als Chance für Reformen" kein angenehmer Gegenstand sei, weil es bei vielen keine guten Assoziationen wecke. Kernpunkte waren die Fragen: "Tun wir die richtigen Dinge?" und "Tun wir die Dinge richtig?", basierend auf Gedanken des Lean Managements. Daraus ergeben sich Forderungen wie: Einbeziehung des Nutzers, um wirkliche Bedürfnisse zu befriedigen, Teambildung mit Eigenverantwortung, um die Erfahrungen der Mitarbeiter besser nutzen zu können, und Organisation der Geschäftsgänge von vereinbarten Zielen her.

Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kolloquiums wurden eine Vielzahl von Anregungen gegeben. Sie werden in Kürze in einer kleinen Publikation der Badischen Landesbibliothek nachzulesen sein.

Am Abend versammelte sich eine große Schar von Mitgliedern der Badischen Bibliotheksgesellschaft, dem Förderkreis der Badischen Landesbibliothek, im Schloß Gottesaue, das die Hochschule für Musik beherbergt. Bei einem eindrucksvollen musikalisch-literarischen Abend wurden Lieder von Nietzsche, Schumann und Wolf vorgetragen und Texte von Nietzsche sowie von H. J. C. von Grimmelshausen, G. K. Pfeffel und A. Mombert rezitiert. Der Präsident der Badischen Bibliotheksgesellschaft Professor Dr. Walter Odersky, Präsident des Bundesgerichtshofs, dankte Herrn Römer als dem bisherigen Geschäftsführer der Gesellschaft.

Am nächsten Tag, dem 21.09.1993, wurde Herr Römer offiziell im Hauptlesesaal unter der Kuppel von Ungers im großen Kreis von Minister für Wissenschaft und Forschung Baden-Württemberg Klaus von Trotha verabschiedet. Der Minister ging auf den Lebenslauf und die Verdienste von Herrn Römer ein. Er ist 1928 in Südbaden geboren und seiner Heimat immer sehr verbunden geblieben. Nach dem Studium und der Promotion in katholischer Theologie war er zunächst im Kirchendienst tätig. Er wechselte dann in den höheren wissenschaftlichen Bibliotheksdienst, legte 1969 die Laufbahnprüfung ab und fand eine Anstellung an der Württembergischen Landesbibliothek. 1979 übernahm er die Leitung der Badischen Landesbibliothek. Besondere Verdienste erwarb sich Herr Römer auf verschiedenen Gebieten. Das gelungene Konzept und die Fertigstellung des Neubaus 1991 sind fest mit seiner Person verbunden. Für Aus- und Weiterbildung hat sich Herr Römer besonders eingesetzt. Der Aufbau der Bibliotheksschule in Stuttgart und die Oberwolfacher Fortbildungskurse für Angehörige des höheren wissenschaftlichen Bibliotheksdienstes des Landes seien besonders hervorgehoben. Ganz wesentlich ging es Herrn Römer darum, Leistungen und Personen vor dem Vergessen zu bewahren. Die Basis für sein Handeln war die Region. Die meisten kulturellen Aktivitäten weisen einen Bezug zu Baden auf. Die Region versteht Herr Römer jedoch als eng mit den benachbarten Ländern Frankreich (Elsaß) und Schweiz verflochten.

Das vielfältige erfolgreiche Wirken Herrn Römers ist ohne die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit nicht denkbar. Seine christlichen Werten und humanistischen Traditionen verbundene Persönlichkeit hat ihm immer wieder Pforten zu den Menschen geöffnet und es ihm erleichtert, Menschen für seine Anliegen zu gewinnen.

In Würdigung der Verdienste überreichte der Minister das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse an Herrn Römer.

Weitere Redner waren der Stellvertreter an der Badischen Landesbibliothek Dr. Schmidt, der Oberbürgermeister von Karlsruhe Professor Seiler, der Präsident der Badischen Bibliotheksgesellschaft Professor Odersky, der Direktor der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart Dr. Geh, der Personalratsvorsitzende Appenzeller und schließlich Herr Römer selbst. Die Ansprachen werden in Kürze publiziert.

Die von verschiedenen Gästen als niveauvoll und beeindruckend bezeichneten Veranstaltungen fanden am Mittag ihren Abschluß, als man in verkleinertem Kreis bei Speis und Trank und Darbietungen einer Bänkelsängergruppe zusammen mit dem Ehepaar Römer den Tag ausklingen lassen konnte.



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