§ 4. Exkurs
Hans Wagners Geltungsreflexion in "Philosophie und Reflexion"

4.1 Vorbemerkungen

H. Wagner hat in seinem Buch "Philosophie und Reflexion" einen imponierenden Entwurf transzendentaler Philosophie vorgelegt, der einerseits durch die konsequent kritische Fragestellung, andererseits durch den Blick auf das Gesamt der für die Philosophie relevanten Phänomene besticht. Ausgehend von der Universalität des Geltungsproblems für jeden geistigen Akt, entfaltet er nach einem Rückgang auf den absoluten Boden allen gültigen Bestimmens deduktiv eine Systematik der philosophischen Disziplinen, indem er vom absoluten Boden her ihren jeweiligen prinzipientheoretischen Ort und damit ihre Notwendigkeit für das Ganze des sich bestimmenden Denkens aufweist.

In unserem Zusammenhang ist lediglich die Frage zu stellen, wieweit die Geltungsreflexion Wagners eine Lösung des ursprünglichen Gültigkeitsproblems für eine sich kritisch begründende Philosophie erbringt. Durch diese thematisch bedingte Beschränkung muß das Gesamt des Wagnerschen Werkes - innerhalb dessen die Geltungsreflexion nur gleichsam das "Skelett" darstellt - weitgehend außer Betracht bleiben.

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4.2 Der Ausgang beim Urteil als Synthesis

Wagner geht von dem Faktum eines "theoretischen Geschehen(s), wie wir es etwa im Leben der Wissenschaften vor uns haben" (1), aus, das er zunächst auf seine wesentlichen Elemente hin analysiert. Aus dem weiteren Zusammenhang ist klar, daß ihn dieses Geschehen hier nur interessiert, insofern es als Urteilssetzung auftritt (nicht also etwa in der Bestimmtheit des Fragens) (2). Entscheidend für den geltungstheoretischen Rückgang (3) ist bei Wagner das Urteil ausschließlich in seiner Funktion als Bestimmung des Gegenstandes, als Synthesis von Gegenstand und Bestimmungsbegriff (4). Gegen diesen Ansatz würde Maréchal dasselbe einwenden, was er schon seit seinen ersten erkenntnistheoretischen Untersuchungen gegen Kant gesagt hat: daß hiermit das Phänomen des Urteilens um ein entscheidendes Moment verkürzt sei, nämlich um den "finalen" Aspekt der Affirmation (5).

4.3 Theoretische und praktische Vernunft

Ein weiterer Einwand gegen den Wagnerschen Ansatz zur Grundlegung gültiger Erkenntnis wäre im Hinblick auf seine Unterscheidung zwischen theoretischen und praktischen Vollzügen zu machen. Nachdem er zunächst die den theoretischen wie praktischen Vollzügen gemeinsame formale Struktur des geltungsdifferenten Noema (der vom Subjekt geleistete Gehalt) herausgestellt hat, unterscheidet Wagner zwischen theoretischen und "thelematischen" bzw. "axiotischen" Noemata (6) (in traditioneller Terminologie: die Bestimmungsgehalte der theoretischen und praktischen Vernunft). Hier ist nun interessant, daß Wagner im Verfolgen der Geltungsreflexion auf praktische Setzungen nur noch den ersten Reflexionsschritt [Reflexions-

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schritt] als "axiotische" Reflexion, die weitere Reflexion auf die absolute Gültigkeit solcher Werturteile aber als eine rein "theoretische" Reflexion begreift (7). Die Geltungsreflexion auf den absoluten Gültigkeitsboden unseres Denkens ist nach Wagner dementsprechend die Arbeit rein theoretischen Philosophierens. Erst in der Selbstentfaltung des absoluten Bodens vermittelt sich das Denken zur praktischen Philosophie (8).

Aus dieser Deduktion des von vornherein praktisch bestimmten Denkens ist zwar rückschließend zu entnehmen, daß die Geltungsreflexion als solche (also auch ihr theoretischer Abschluß) als praktische Aufgabe zu verstehen ist. Außer Betracht bleibt aber der Sachverhalt, daß die "theoretische Reflexion" nicht nur als gestellte Aufgabe, sondern auch in ihrem Vollzug praktisch bestimmt ist, die alte Frage also, wie man die "priorité" mutuelle" von "intellectus" und "voluntas" zureichend erfassen kann. Hier bleibt Wagner, darin wohl einseitig von der neukantianischen Tradition bestimmt, sowohl hinter dem transzendentalen Ansatz Maréchals zurück, der in seiner "finalistischen" Urteilstheorie, von Blondel inspiriert, über Kant auf die scholastische Tradition zurückgreift, als auch gegenüber jenem transzendentalen Philosophieren, das sich dem Denken Fichtes verpflichtet weiß (9).

4.4 Die ausgeklammerte Metaphysik

Entscheidend für den geltungstheoretischen Ansatz Wagners ist, wie oben (10) schon bemerkt, das Ausklammern jeder metaphysischen Problematik aus der Frage nach dem absoluten Gültigkeitsboden. Für jeden Ansatz transzendentalen Philosophierens muß (bzw. müßte) das bloß "Ontische"- das "andere" des Denkens in seinem bloßen, unbezogenen An-sich - als möglicher Bestimmungsgrund des Denkens ausgeschlossen bleiben. Für Wahrheit als Ereignis des Bewußt-Seins kann das "Sein" (als unbezogenes "Gegenüber" begriffen) keinen Möglichkeitsgrund abgeben. In diesem Sinne wird "Sein" denn auch von Wagner ausschließlich verstanden: als der Prinzipieninbegriff der Seienden, d.h. der möglichen Gegenstände für das Bewußtsein, die es von sich her aber keineswegs mit Reflektiertheit, mit Wahrheit zu tun haben. Metaphysik ist dementsprechend die Wissenschaft, die sich mit dem letzten Grund dieser Seienden beschäftigt. Sie wird für das Subjekt insofern relevant, als es unaufhebbar in Faktizität verspannt ist, nicht aber für die Frage nach der Möglichkeit des Wissens und der Wissensgewißheit (11).

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Der Begriff "ontologisch" wird von Wagner zwar für die transzendentale Kennzeichnung des Wahrheitsphänomens anerkannt (12), er erhält innerhalb der Geltungsreflexion jedoch keinen Stellenwert, da für diese das Moment der "Geltungsdifferenz" ausschlaggebend ist. Die "ontologische" Betrachtung des Noema bekomme das Spezifische am Wesen des Noema, daß es nämlich als vom Denken geleisteter Gehalt wahr und falsch sein kann noch nicht in den Blick (13).

Hat Wagner damit von vornherein das "Sein" als möglichen Grund von Wahrheit ausgeschlossen, so ist nun das reflektierende Denken bei der Suche nach einem absoluten Geltungsboden auf sich allein verwiesen. "Wie die letzte Quelle seines (sc. des Noema) Zustandekommens das Subjekt ist, so ist auch das Subjekt der allein zureichende und letzte Grund seiner Gültigkeit" (14).

Hier ist nun für den Wagnerschen Rückgang des Subjekts auf sich selbst als den "Urheber" (15) der Denkgehalte kennzeichnend, daß im ganzen Reflexionsverfahren Begriffe wie "Subjekt" und Denken" undifferenziert gelassen werden. Daß der absolute Grund von Wahrheit nur von der Art des Bewußtseins sein kann, daß es insofern "Subjekt" und "Denken' sein muß, ist für einen transzendelitalphilosophischen Rückgang von vornherein klar. Nicht ausgeschlossen aber - und von dem tatsächlichen Ausgang der Geltungsfrage bzw. dem notwendigen Ausgang der Reflexion bei der Skepsis (16) nahegelegt - ist doch, daß innerhalb des transzendentalen Bodens noch einmal eine Unterscheidung zwischen dem "Denken des Ich" und dem allein wahrhaft absoluten Denken, an dem das Ich nur "partizipiert", nötig wird, eine Unterscheidung, die man als

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eine "metaphysische auf transzendentaler Ebene" ansehen müßte. Die metaphysische Frage nach einer Transzendenz stellt Wagner jedoch nur für den Bereich der "Seienden", nicht für den geltungsbetroffenen Bereich der Noemata: Hier kann es nur "transzendentale" Gründe geben. Die Frage nach einer Transzendenz innerhalb des transzendentalen Gründens wird nicht gestellt.

Es wird sich zeigen, daß aus ebendiesem Grund der Begriff des Absoluten, den Wagner entfaltet, in einen kaum lösbaren Widerspruch gerät.

4.5 Der "absolute Boden" von Geltung

Ausgehend vom Urteil als Bestimmung eines Gegenstandes nach Begriffen, fragt Wagner weiter danach, was eine solche Bestimmung zu einer gültigen macht. Es kommt alles auf die (durch das Denken geleistete) Bestimmtheit des Prädikatsbegriffs als des bestimmenden Begriffes an (17). Das Geltungsproblem läßt sich von daher (verkürzt) so zusammenfassen: Damit das Denken der Gültigkeit seines Bestimmens sicher sei, muß es die Bestimmtheit seiner bestimmenden Begriffe (18) auf einen letzten und absoluten Boden zurückführen können. Ohne daß wir hier auf die subtilen Erörterungen im Zusammenhang der Bestimmung von Begriffen eingehen können (19), läßt sich das eigentliche Problem des notwendigen Reflexionsabschlusses so wiedergeben: Es ist ein letzter Abschluß der Geltungsreflexion erfordert. Der Abschluß muß in einem letzten Begriff liegen, der notwendig bestimmt sein muß (nicht etwa unbestimmt sein kann), da nur so die Bestimmungen des Denkens auf einen letzten Boden zurückgeführt werden können. Dieser letzte Begriff muß das schlechthin Absolute sein. Das Absolute einmal "als das positiv Unendliche" - "als das schlechthin Ganze, als das, was schlechterdings nichts mehr außer sich und gegen sich haben kann" (20) -, denn nur so kann es die Gültigkeit aller Bestimmungen des Denkens begründen; zum anderen "als das Unbedingte" (21), denn nur so kommt es zu einem Abschluß, wenn das "Letzte" nicht wieder bedingt ist.

Dieses Absolute sieht Wagner in einer Relation, nämlich dem Denken als der einzig möglichen "Selbstbestimmung in der Weise der Selbstbeziehung auf ein von ihm selbst begründetes und von ihm selbst unterschiedenes Anderes" (22). Dies ist richtig, insofern das Absolute tatsächlich

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als "Denken" verstanden werden muß. Wie Wagner aber das Denken versteht, läßt es sich kaum als Absolutes begreifen.

Die Unbedingtheit des Absoluten (und damit das Absolute selbst (23)) nimmt Wagner bereits innerhalb desselben Paragraphen zurück, indem er es "bedingt" sein läßt. Als absoluter Grund muß das Absolute notwendig begründend sein, also das Andere seiner selbst setzen. Wagner sagt zwar:

"Das Absolute verliert dadurch seine Unbedingtheit nicht, daß es Implikat jenes Anderen ist, das selbst nur besteht, insofern es vom Absoluten nicht nur mitbedingt, sondern völlig und schlechthin konstituiert wird. Der absolute Grund verliert durch das Andere, ohne das er freilich nicht begründend sein kann, den Charakter als absoluter Grund nicht ..." (24)

Diese Unbedingtheit wird aber gleich im darauffolgenden Satz aufgehoben:

"Dies also, daß das Andere den Abschluß bedingt, besagt nicht mehr, als was in der Tat unerläßlich ist: die Unterschiedenheit des Grundes und des vom Grund Begründeten. Dies also, daß das Absolute als Grund vom Nichtabsoluten, seinem Begründeten unterschieden ist, hebt die Absolutheit des Absoluten nicht auf" (25).

Hier liegt offenbar ein Widerspruch vor (26), der durch die Beteuerung, daß die "Absolutheit des Absoluten nicht aufgehoben" sei, nicht bereinigt wird. Man kann diesen Widerspruch auch nicht als eine begriffliche Unschärfe an dieser Stelle übergehen. Der Sachverhalt selbst gibt nichts anderes her. Denn damit die Geltungsreflexion zu einem Abschluß komme, muß das Absolute bestimmt sein. Es ist aber nur bestimmt, indem es sich selbst bestimmt. Sich selbst bestimmen kann es jedoch nur, indem es das Andere seiner selbst entwirft. Das Andere des Absoluten ist also notwendige Bedingung für seine Bestimmtheit. Das Absolute ist bedingt.

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Daß auf diese Weise die Reflexion nicht zu einem Abschluß gebracht werden kann, wird noch deutlicher, wenn wir die zweite von Wagner geforderte Bestimmung des Absoluten ins Auge fassen, seine "positive Unendlichkeit" (27). Die Selbstbestimmung des Absoluten (und damit seine für den Abschluß der Geltungsreflexion erforderte Bestimmtheit) ist nur in einem unendlichen Prozeß möglich. Wenn Wagner in seiner Geltungsreflexion dem "regressus in infinitum" entgehen wollte, so gerät er hiermit in einen "progressus in infinitum" hinein. Der Weg der Selbstbestimmung des Denkens ist ein unendlicher in dem Sinne, daß er niemals zu einem Abschluß gelangt (28).

Auf die Konsequenzen, die sich hieraus für die konkreten Urteilssetzungen und für die Grundlegung der Ethik ergeben, ist hier nicht näher einzugehen (29). Es ist nur festzustellen, daß Wagner hiermit nicht zu einer Bestimmung des Absoluten "als das schlechthin Ganze ..., als das positiv Unendliche" (30) gelangt ist, sondern zu einer "schlechten Unendlichkeit" (31), zur "Ohnmacht des Unendlichen". Ein Fortschreiten, das per definitionem nicht zu einem Ende gelangen kann, kann nur als quantitativer Progreß ins Unendliche" begriffen werden. Die für den Abschluß der Geltungsreflexion notwendige Bestimmung des Absoluten ist also nach der Auffassung des Absoluten bei Wagner grundsätzlich unabschließbar; das "Absolute" bleibt daher in einem ständigen Prozeß der Selbstbestimmung ohne Ende, d.h. letztlich unbestimmt.

ANMERKUNGEN

1 Philosophie und Reflexion 15.

2 S. bes. ebd. 92 ff. Im Hinblick auf die Grundlegung von Ontologie sagt Wagner: "An einem hat noch kein Einsichtiger jemals gezweifelt: daran, daß die ontologische Frage nur unter Ausgang vom Urteilsproblem überhaupt bestimmt gestellt werden kann. Denn nur im Urteil kann dies in verbindlicher Weise geschehen, daß von etwas gedacht wird, es sei und es sei dies oder das, so oder so. Der Ansatz zur ontologischen Problematik ist allemal das 'ist' des Urteils" (ebd. 181).

3 Die Begründung der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Geltungsreflexion aus der Universalität der "Wahrheits-" oder "Geltungsdifferenz" jedes Denkgehaltes (s. bes. a.a.O., § 3) brauchen wir hier nicht zu referieren, weil wir sie zu Eingang dieses Kapitels in etwas anderer Form schon vorausgeschickt haben.

4 A.a.O. 92 ff.

5 Vgl. etwa: "Jugement 'scolastique' concernant la racine de l'agnosticisme kantien" (1914), in: Mél. Maréchal I 278: "il (sc. Kant) a consideré trop exclusivement l'acte judicatif comme 'synthèse' d'un donné, en négligeant 'l'affirmation' qui double inévitablement cette synthèse et la pose dans l'ordre de la finalité". - Von Wagners Ansatz her dürfte sich auch das Mißverständnis der Maréchalschen Geltungsreflexion bei H. Holz erklären lassen (s. o. S. 113-115).

6 Philosophie und Reflexion § 9.

7 Ebd. bes. 84.

8 Ebd. bes. § 25.

9 Wie bisher, stellen wir auch hier die systematische Frage nach der Einheit von theoretischem und praktischem Philosophieren zunächst zurück.

10 S. S. 122.

11 Vgl. Philosophie und Reflexion 406 u. ö.

12 "Ebenso steht ... außer Frage, daß das gesamte Vermittlungsverhältnis eine bestimmte Seite hat, nach der es mit Recht als das ontologische Verhältnis schlechthin bezeichnet werden darf. Nimmt man dieses Vermittlungsverhältnis völlig fundamental und als Prinzip mit Bezug auf alle denkbaren bestimmten und konkreten Vermittlungsverhältnisse zwischen Aktleben und begegnendem Seienden, so hat es seine volle Berechtigung, wenn man dieses fundamentale und prinzipielle Vermittlungsverhältnis, aufgrund dessen allererst Einzelseiendes begegnen und irgendein konkretes Vermittlungsverhältnis Ereignis werden kann, als ontologisch (d.h. Seiendes prinzipiell enthüllend) bezeichnet" (Philosophie und Reflexion 33).

13 Vgl. a.a.O. 33. - Von hierher verweist Wagner sowohl die "Fundamentalontologie" M. Heideggers als auch die konstitutionstheoretische Forschung E. Husserls als "transzendental-ontologische" Subjektrückgänge gegenüber dem primären "transzendentallogischen" Subjektrückgang auf einen "zweiten Platz" (s. bes. a.a.O. ġġ 6, 7, 30, 31) - wobei Wagner bezüglich Husserl wenigstens anerkennt, daß es ihm durchaus um das Geltungsproblem zu tun gewesen sei, wenn er es auch wegen der Suche nach "ganz ausgezeichneten Noesen ... (nämlich) Evidenzen absoluter, apodiktischer Artung' (ebd. 331) zur Begründung von letzter Geltung verfehlt hätte. - Zum Evidenzproblem s. u. S. 132-134.

14 A.a.O. 52.

15 Vgl. a.a.O. 69.

16 Vgl. Philosophie und Reflexion § 32.

17 Ebd. § 12.

18 "Begriff" ist hier natürlich nicht rein statisch-formalistisch verstanden, sondern als der Gehalt des Denkens, in dem es sich aktiv selbst vollzieht und bestimmt dadurch, daß es anderes bestimmt.

19 A.a.O. §§ 13-15.

20 Ebd. 122.

21 Ebd.

22 Ebd. 129.

23 Vgl. ebd. 122: "das Unbedingte oder Absolute".

24 Ebd. 127 f. Auf die Unterscheidung zwischen Grund und Bedingung (das Begründende ist zwar durch das Begründete bedingt, wie es umgekehrt dieses bedingt; hinsichtlich des Begründens aber liegt nur ein einseitiges Verhältnis vom Grund her vor, vgl. ebd. 127), mit der Wagner der von Hegel aufgeworfenen Schwierigkeit für das Begreifen von Begründungsverhältnissen entgehen will, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Denn Wagner hatte nicht nur die Unbegründetheit des Absoluten, sondern seine Unbedingtheit behauptet.

25 A.a.O. 128 (unsere Hervorhebung).

26 Nicht zwar dem Wortlaut nach (Wagner sagt hier nur, daß "der Abschluß bedingt" sei). Sachlich aber ist ein Widerspruch gegeben, sofern der Abschluß nur als ein unbedingter und absoluter Abschluß sein kann - wie der Zusammenhang ergibt. Vgl. W. Cramer (der selbst allerdings nicht von einem Widerspruch gegen den Begriff des Absoluten spricht): "Also ist das Denken eines Subjekts ein Absolutes, das durch das Absolute bestimmt worden ist, absolut zu sein" (Rez. in: Phil. Rundschau 11, 1963, 76).

27 Philosophie und Reflexion 122.

28 "Das System der ganzen überhaupt möglichen Wahrheit, das sich also als der unerläßliche und in sich absolute Boden für jedwede Einzelwahrheit und für jedweden Einzelprogreß in der Erkenntnis offenbart, ist keine Wirklichkeit, nie und nirgends wird es Ereignis. Es ist Idee, die Idee der ganzen Wahrheit, der ganzen theoretischen Wahrheit. Es definiert als solche Idee eine unendliche, niemals abschließbare ... Aufgabe" (ebd. 212 f., vgl. 368 u. ö.).

29 Indem die Idee einer absoluten Selbstbestimmung - im Sinne dieser progressiven, nicht abschließbaren Unendlichkeit - zur grundlegenden Bestimmung der Freiheit erklärt wird (a.a.O. bes. § 25), gerät das Denken in einen unerträglichen Widerspruch: Es soll die unbedingte Aufgabe der Selbstgestaltung verfolgen, wohl wissend, daß es sich notwendig in die Unübersehbarkeit des nicht mehr Einholbaren verliert. - Hierzu Hegel: "Was den Gedanken erliegen macht und das Fallen desselben und den Schwindel hervorbringt, ist nichts anderes als die Langeweile der Wiederholung, welche eine Grenze verschwinden und wieder auftreten und wieder verschwinden ... läßt und nur das Gefühl der Ohnmacht dieses Unendlichen oder dieses Sollens gibt, das über das Endliche Meister werden will und nicht kann." (Wissenschaft der Logik I, 226 f.).

30 Vgl. Philosophie und Reflexion 122.

31 Im Sinne Hegels: "Die schlechte Unendlichkeit pflegt vornehmlich in der Form des Progresses des Quantitativen ins Unendliche, - dies fortgehende Überfliegen der Grenze, das die Ohnmacht ist, sie aufzuheben, und der perennierende Rückfall in dieselbe, - für etwas Erhabenes ... gehalten zu werden, sowie derselbe in der Philosophie als ein Letztes angesehen worden ist ... Die Dürftigkeit dieser subjektiv bleibenden Erhebung, die an der Leiter des Quantitativen hinaufsteigt, tut sich selbst damit kund, daß sie in vergeblicher Arbeit dem unendlichen Ziele nicht näher zu kommen eingesteht, welches zu erreichen freilich ganz anders anzugreifen ist' (Wissenschaft der Logik I, 225 f.).


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