EUCOR-Bibliotheksinformationen - Informations des bibliothèques: 7 (1995)

o....Résumé en français

Wolfgang Kehr (Bollschweil):
Differenzierte Buchaufstellung für wissenschaftliche Arbeit, Massenbenutzung und Bestandsausgliederung

- Planung und Praxis in Freiburg i.Br. (1967-1994) -

Unser Denken ist möglicherweise ein Beispiel eines selektiven Systems. Zuerst kämpfen viele wahllos verstreute Ideen ums Überleben. Dann kommt die Selektion im Sinne dessen, was am besten funktioniert - eine Idee setzt sich durch und wird daraufhin verstärkt. Die Lehre daraus könnte sein, daß man nichts lernt, wenn man nicht bereit ist, ein Risiko einzugehen und ein wenig Zufall in seinem Leben zuzulassen.

H. Pagels, The Dreams of Reason (1988)


Zusammenfassung

Der folgende Beitrag von Prof. Dr. Wolfgang Kehr, dem ehemaligen Direktor der UB Freiburg, ist Dr. Fredy Gröbli gewidmet, der in Kürze aus dem Amt des Direktors der UB Basel ausscheiden wird. Der Text ergänzt den Beitrag des Verfassers "Die Freihanddiskussion in Deutschland nach 1945" in der Festschrift (in Druck) f&uum l;r Fredy Gröbli.
Dargestellt werden die Planungsphase und die Realisierung des neuen Aufstellungssystems der UB Freiburg ab 1967. Dieses zielte darauf ab, die bis dahin praktizierte systematische Aufstellung abzubrechen und stattdessen die häufig verlangte Liter atur, d.h. die Erwerbungen der letzten 20 Jahre, in Freihandmagazinen nach Großgruppen mit Jahres-numerus currens und entsprechenden Großgruppensignaturen aufzustellen.
Im einzelnen werden die Konzeption und die Verwirklichung der Lehrbuchsammlungen (LB I und II) als erster Freihand-Ausleihbibliothek der UB Freiburg, der "Freizeitbücherei (FZ)", deren Charakteristikum Weltliteratur, moderne Literatur und das an spruchsvolle Sachbuch sein sollte, sodann die Einrichtung eines großen Freihandmagazins (FM) im neuen Bibliotheksgebäude beschrieben. Die Entwicklung des FM wird bis in die 90er Jahre, als erstmals einige ältere Bestandsgruppen aus Raumgründen in das Tiefmagazin abgesenkt werden mußten, skizziert, einschließlich der wichtigen Rolle, die das EDV-Ausleihsystem "OLAF I" für die stetig steigenden Ausleihfrequenzen des gesamten Selbst bedienungs-Ausleihbereichs spielte.
Schließlich beschreibt der Verf. die neue Aufstellung der in den Lese-/Arbeitsbereichen und im Informationszentrum zur Verfügung stehenden Präsenzliteratur.
Das beschriebene System der differenzierten Buchaufstellung hat sich in der Praxis als eine erfolgreiche und von den Benutzer(inne)n akzeptierte Alternative zur systematischen Aufstellung in toto und zur Aufstellung nach numerus currens erwiesen.


Résumé:

Cette contribution de Wolfgang Kehr, précédent directeur de la BU de Fribourg, est dédiée à Fredy Gröbli qui va quitter prochainement la direction de la BU de Bâle. Elle complète son article "Le débat sur le libre accès en Allemagne après 1945" dans les mél anges Fredy Gröbli (en cours d'impression).
L'auteur expose l'élaboration du nouveau système de classement de la BU de Fribourg et sa mise en oeuvre à partir de 1967. L'objectif était d'abandonner le classement systématique en vigueur et à la place de regrouper dans un magasin en libre accès la littérature la plus demandée, c'est-à-dire les acquisitions des 10 à 20 dernières années, en la répartissant par grands ensembles thématiques avec une sous-cotation par numéros d'entrée.
Il décrit en détail la conception et la réalisation de la collection de manuels, première bibliothèque de prêt en libre accès de la BU de Fribourg, de la bibliothèque de loisirs dont la sp&eacute ;cifité devait être la documentaire attractif, et enfin l'aménagement du magasin en libre accès dans le nouveau bâtiment. Le développement de ce magasin en libre accès est retracé jusqu'aux années 90, lorsque, faute de place, des collections plus anciennes durent pour la première fois être refoulées dans les magasins fermés du sous-sol. Ets montré également le rôl e important du système informatique de prêt "OLAF I" pour les transactions toujours plus nombreuses dans les salles de prêt en libre service.
En dernier lieu, l'auteur décrit le nouveau classement des usuels dans les salles de lectures et dans le centre d'information.
Dans la pratique, ce système bien accepté par les usagers s'est révélé une alternative heureuse au classement systématique intégral ou au classement par ordre d'entrée.

(Trad. par G. Littler)


1. Entscheidungskriterien und erste Reformmaßnahmen

Das neue System einer differenzierten Buchaufstellung im Neubau der UB Freiburg muß im historischen Rückblick - wie an anderer Stelle dargelegt - als praktischer Beitrag zur Freihand-Diskussion in Deutschland nach 1945 und als Alternative zur Buchaufstellung in anderen Bibliotheksneubauten bzw. Neubauplanungen (Frankfurt, Hamburg, Marburg, Hannover, Münster, Würzburg, Bremen, Bielefeld, Konstanz, Regensburg u.a.) beurteilt werden (Kehr 1995).
Welche Gründe gab es, sich im Herbst 1967 für einen Abbruch der alten systematischen Buchaufstellung und für eine Vereinfachung des Geschäftsganges zu entscheiden? Warum wurden die neuen Monographien ab Jan. 1968 und alle neuen Zeitschriften jahrgänge in 4 Großgruppen aufgestellt? Aus welchen Über legungen heraus entwickelte sich kurz darauf während der Neubauplanung ein neues Konzept für die "Selbstbedienung des Benutzers"? Hier sollen nur die wesentlichen lokalen Randbedingungen und Überlegungen für die Reformpläne erwähnt werden:

1. Im alten Bibliotheksgebäude aus dem Jahr 1902 mit einer raumbeanspruchenden durchgehenden systematischen Buchaufstellung nach einer hausgemachten Klassifikation aus dem 19. Jh. und mit komplizierten, zum Teil schwer lesbaren Buchsignaturen he rrschte eine katastrophale Raumnot. Die für Jan. 1968 zu erwartende provisorische Auslagerung von 150.000 Bdn der Naturwissenschaften und der Medizin und von 500.000 Diss. würde nur kurzfristig eine Entlastung im Hauptgebäude bringen k&ouml ;nnen. Die Feststellung in den Jahresberichten der Bibliothek (1968: 1 u. 1969: 9) war nicht übertrieben, daß "in einigen Jahren die Bibliothek durch Raumnot in Magazin, Publikumsbereich und Lesesaal nicht mehr funktionsfähig sein wird".

2. Zwar war bekannt, daß 1968 mit den ersten Planungen (Struktur- und Bedarf) für ein neues Bibliotheksgebäude begonnen werden kann. Ob dieses aber jemals entstehen würde, war und blieb einige Jahre lang völlig ungewiß . Ein geeignetes Grundstück im Universitätszentrum dafür existierte nicht. In der Prioritätenliste des Landes für den Hochschulbau in den nächsten 10 - 20 Jahren spielte ein solcher Neubau keine Rolle. Stattdessen war nicht a uszuschließen, daß, ähnlich wie in Straßburg, in den räumlich voneinander entfernt liegenden Universitätsbereichen (Zentrum - naturwiss. Institutsviertel - Klinikum) separate Zentren für die Literaturversorgung eingerichtet werden sollten. Auch die zukünftige Entw icklung im Bereich der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften war völlig offen. Im Fall solcher Strukturveränderungen wäre es nötig gewesen, die neuere Literatur aus der UB ausgliedern zu können und die Verwaltung großer Zweigbibliotheken zu übernehmen.

3. Eine Universitätsbibliothek konnte nur dann wieder als leistungsfähig angesehen werden, wenn die Neuzugänge 4 - 6 Wochen nach Eingang der Bücher benutzbar waren. Als nachteilig hatte sich u.a. im Geschäftsgang der "Flaschenhals" der Systematisierung herausgestellt. Um die umfangreichen Arbeitsrückst&auml ;nde aus den letzten Jahren (ca. 20.000 Monogr. u. ca 21.000 Diss.) abbauen und die Bibliothek für seine Benutzer wieder attraktiver machen zu können, mußte der Geschäftsgang des Buches wesentlich vereinfacht werden.

4. Andere Reformziele waren vordringlicher als die Systematisierung sämtlicher Neuzugänge. Das vorhandene wissenschaftliche Personal wurde dringender benötigt für: eine neue Erwerbungspolitik, den Aufbau einer neuen Lehrbuchsammlu ng, die Umorganisation der "Akademischen Lesehalle" in eine moderne "Bildungsbücherei" für Studenten und andere Bibliotheksbenutzer, für die intensivere Benutzerberatung, die Vorbereitung eines Neubaus und nicht zuletzt für den ehrgeizigen Plan des Aufbaus eines universitären Bibliothekssystems. Zum Letzteren gehörte auch die Zusammenlegung kleiner Institutsbibliotheken zu Fakultätsbibliotheken und die schrittweise Übern ahme von Sanierungs- und laufenden Verwaltungsarbeiten dort.

5. In diesen dezentralen Bibliotheken standen 1 Mio Bde systematisch gegliedert, mehr als 30.000 Monographien kamen jährlich neu hinzu. Daher waren Zweifel angebracht, ob es zweckmäßig ist, daneben den gesamten Neuzugang in der Zentra lbibliothek weiterhin systematisch geordnet aufzustellen. Der Gedanke lag nahe, die weithin geübte Praxis der Selbstbedienung (von der Tankstelle bis zum Kaufhaus) auf eine Bibliothek mit einer zu erwartenden Massenausleihe zu übertragen und daf ür eine andere geeignete Organisationsform zu finden.

6. Denn was in Frankfurt, Hamburg, Köln und anderswo längst Realität war, würde auch in Freiburg das Bibliothekswesen verändern. Die stetig wachsende Zahl von Wissenschaftlern, Studenten und Information suchenden außeru niversitären Benutzern würde auch in Freiburg die zentrale Ausleihbibliothek der Universität und der Region sehr bald vor Probleme in einem bis dahin nicht bekannten Ausmaß stellen.

Eine Befragung der Professoren mit Zugangserlaubnis für die systematisch gegliederten Magazinbestände hatte ergeben, daß in den meisten Fällen nicht "browsing" am Bücherregal der Grund für die Freihandbenutzung war sond ern der schnelle, unbürokratische Zugriff auf das gewünschte Buch. Dies bestätigte frühere Feststellungen von Leyh (1913: 258) und spätere von Ratcliffe (1968: 102).

7. Welche ausleihbare Literatur eignete sich dann aber für eine Freihandaufstellung? In der neueren Fachliteratur war im Zusammenhang mit eingeschränkter Freihandaufstellung meist von "aktueller Literatur" die Rede, so auch in der "internen Freihanddiskussion" 1970. Dieses Auswahlkriterium war für einen größeren Freihand-Ausleihbereich aber viel zu diffus und nicht verwendbar. Die Meinungen der Fachreferenten darüber, was in den einzelnen Wissenschaftsfächern "aktuell" ist, würden weit voneinander abweichen. Trends in der Benutzung ließen hingegen darauf schließen, daß die oft zitierte Äußerung Milkaus, "daß sich zu 90 und mehr Prozent die W&uum l;nsche des Benutzers auf die Literatur des letzten Jahrzehnts beziehen" (Leyh 1913: 127) so völlig falsch nicht sein konnte. Häufig verlangte Literatur war im Unterschied zur "aktuellen" eine meßbare, überprüfbare und kalkulier bare Größe. Neben den neueren Jahrgängen der ca. 2000 wichtigsten Zeitschriften, der Studien- und Examensliteratur und den Beständen in der sog. Bildungsbücherei gehörten die Monographien der letzten 10 - 20 Jahre, vor allem die gezielt durch Kauf erworbenen, zu dieser Kategorie. Diese in Großgruppen mit Jahres-numerus currens gegliederten Neuzugänge mußten für die zu erwartende Massenbenutzung in das Freihandkonzept eines Neubaus miteinbezogen werden.

8. Eine nicht unwesentliche Rolle spielte in den weiterführenden Überlegungen auch die Feststellung, daß die in- und ausländische Buchproduktion rasch und stetig anwuchs und ebenso rasch veraltete. Mit dem wachsenden Literaturbed arf in der Universität und der höheren Zahl an Neuerwerbungen würden sich auch die Struktur und die Benutzung in der Zentralbibliothek verändern. Zu dem Problem der Benutzermassen würde sich das der Büchermassen und der Magazinierung "toter Literatur" gesellen. Bereits 1931 war es als "von bedrängender Aktualität" diskutiert worden (Juntke 1931, Kehr 1994), dann aber durch Devisenmangel, Krieg und Zerstörun g in den Hintergrund getreten. In den USA hingegen hatten Bibliothekare immer wieder vor "cancerous tendencies" im Bibliotheksbau gewarnt und "some kind of bibliothecal birth control" gefordert (Ellsworth 1969 : 25). Jetzt waren auch in Deutschland in ein zelnen wissenschaftlichen Bibliotheken die Neuzugänge auf 50.000 und mehr Einheiten jährlich angewachsen. (Bestand Freiburg: 1970 rund 1 Mio Einheiten; 1990 rund 2,5 Mio Einheiten; 1994 2,87 Mio Einheiten)
Das neue Aufstellungssystem in Freiburg mußte daher so beschaffen sein, daß es damit möglich würde, ganze Blöcke selten oder gar nicht benutzter Gebrauchs literatur aus Freihandbereichen in geschlossene Magazine oder von do rt in regionale Speicher zu überführen, ohne daß dadurch weitere Folgearbeiten an den Katalogen oder bei der Buchbeschriftung entstehen.
Ein solches Speichermagazin war zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht konkret geplant, wurde aber schon bald darauf im "Gesamtplan" (Bd 1: 143) gefordert und später im Auftrag des Ministeriums in einer kleinen Arbeitsgruppe (Hauser, Hering, Kehr, Mittler) genauer analysiert (Hauser 1983).

9. Außer diesen Gründen waren aber auch noch die von Kehr in einem Brief an Tiwisina (27.2.70) erwähnten dafür ausschlaggebend, daß die systematische Aufstellung abgebrochen und der Gesichtspunkt des "browsing" bei einem ne uen Freihand-Ausleih-Konzept von sekundärer Bedeutung wurde: die dezentralen Freihandbibliotheken in den Fakultäten, die schwindende Bedeutung der Monographie in der Forschung, der Trend zur fächerübergreifenden wissenschaftlichen Arbe it und die gegenseitige Durchdringung der Wissenschaftsfächer in der einzelnen Monographie sowie das negative Urteil befragter Wissenschaftler über die Verwendbarkeit rasch veraltender gängiger Klassifikations systeme in Bibliotheken.

In seinem Bericht über den Fortgang der Reformarbeiten teilte der Freiburger Bibliotheksdirektor im Mai 1968 der Bibliothekskommission knapp mit: "Für die Neuzugänge ab 1968 wurde das Aufstellungssystem geändert und vereinfacht." (Jahresbericht der Bibliothek 1968:

Was bedeutet dies konkret?

Als erste Reformmaßnahme wurden nach dem Abbruch der systematischen Buchaufstellung und mit der Einführung des vereinfachten Geschäftsganges in der Buchbearbeitung (d.h. ab Jan. 1968) die neuen Monographien nach Großgruppensigna turen (GE =Geisteswissenschaften; MD = Medizin; NA = Naturwissenschaften; SW = Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) mit jeweils diesen 2 Buchstaben, der zweistelligen Zahl des Erwerbungsjahres und einer laufenden Nummer in der Signatur (z.B. G E 68/1) aufgestellt. Die neuen Zeitschriftenjahrgänge und -titel erhielten entsprechend die Signaturen ZG, ZM, ZN uz. ZR mit einer laufenden Nummer, Zeitungen die Signatur ZT. Mit dieser neuen Aufstellung war beabsichtigt, die in den verschiedenen G roßgruppen unterschiedlich rasch veraltende Literatur nach Jahresringen blockweise und ohne besonderen Verwaltungsaufwand wie Umsignieren, Katalogisieren, Neubeschriftung in andere Aufstellungsbereiche (Zweigbibliotheken, geschlossene Magazine im Neubau, Landesspeicher) ausgliedern zu können.
Das neu erworbene Schrifttum, das in einem geplanten Neubau auf jeden Fall in den geschlossenen Magazinen archiviert werden sollte, erhielt andere Signaturen, so z.B. KA für (Kapsel-) Kleinschrifttum, DS/DS4 für neue Dissertationen, VS für Vorlesungsverzeichnisse und Schulschriften, TM/TX (ab 1971) für spezielle Mo nographien (Antiquaria, Kunstbände u.a.), BS/BX für zentral zu magazinierende veraltete Bestände aus den dezentralen Bibliotken der Universität.
Kurz darauf, schon in der ersten Planungsphase für den Neubau (1968) bildete sich die Meinung heraus, daß die neue Großgruppenaufstellung auch für das geplante Freihandmagazin mit 200.000 - 400.000 Bdn geeignet sein könnte.

2. Lehrbuchsammlungen (LB I u. LB II)

Der zweite Schritt zu einem neuen System der differenzierten Buchaufstellung für Benutzer und zur SB (Selbstbedienungs) - Ausleihe hin war die neue "Lehrbuchsammlung". Sie wurde mit Unterstützung der Lehrstühle und der Fachschaftsvertr eter der Studenten im Frühjahr 1968 in wenigen Wochen aufgebaut und räumlich mit einer Bildungs- bzw. Freizeitbücherei vereinigt. Der Student wurde damit in direkten Kontakt mit dem am häufigsten benötigten und freihand in systema tischer Gliederung aufgestellten Buch gebracht. Er konnte es direkt am Regal entnehmen und sofort entleihen (Moser 1991: 252).
Bis dahin existierte in Freiburg nur ein separater Magazinbestand (6.000 Bde) mit Mehrfachexemplaren von teilweise viel zu speziellen und zu wenig benutzten Titeln mit Semesterausleihe.
Die neue Freihandbibliothek mit ihrer mißverständlichen Bezeichnung hingegen, die bereits zum SS 1968 mit 14.000 Bdn eröffnet wurde, enthielt nicht nur Lehrbücher im engeren Sinn. Die gibt es bekanntlich nur in bestimmten, vor al lem in den naturwissenschaftlichen Fächern. Sie stellte vielmehr den Studenten aller Fächer die für Studium und Examen nachweislich am meisten benötigten Bücher mit Mehrfachexemplaren zur Verfügung. Das vorherrschende Auswahl kriterium war und ist bis heute der Bedarf, feststellbar durch Vormerkungen und Nutzungshäufigkeit (anfangs durch Ausleihstempelung im Buch). Seit der Einführung des automatisierten Ausleihverfahrens (1977) werden für den bedarfsorientierten Ausbau spezielle Instrumente der Erwerbungssteuerung - vor allem Computerstatistiken in Form von laufenden Vormerkkontrollen, Ausleihprof ilen der einzelnen Titel u. sog. Renner- u. Nullerlisten für größere Zeiträume - benutzt. Der einzelne Fachreferent benötigt sie, um mit diesen Angaben sowie mit seinen persönlichen Kenntnissen über längerfristige und wiederkehrende Lehrveranstaltungen in der Universität, mit den Lektüreempfehlungen für Examina und auf Grund seiner Ko ntakte zum Lehrpersonal und zu den Studenten darüber entscheiden zu können, was aus dieser Freihandbibliothek ausgesondert und was neu eingestellt werden soll.
Dies bedeutet praktisch, daß außer dem Lehr- und Studienbuch vor allem in den geisteswissenschaftlichen Fächern auch Texte und Monographien in Mehrfachexemplaren zu finden sind. Dabei werden Vorliebe und Abneigung des Lehrpersonals f ür oder gegen bestimmte Titel ganz pragmatisch durch solche Computerstatistiken und den "Realismus" der Studenten korrigiert, die zumeist sehr genau wissen, welche Bücher für Seminare u. Examina am häufigsten benötigt werden. Anha nd der Entleihungen läßt sich jedenfalls prüfen, ob die Titelauswahl eines Fachreferenten richtig oder falsch war.

Bei der "Lehrbuchsammlung" als der ersten Freihand- Ausleihbibliothek war man bemüht, den Arbeitsaufwand für die Systematisierung möglichst gering zu halten. Die Signaturen sollten einfach zu vergeben, zu benutzen und zu revidieren sein. Neben dem Wissenschaftsfach enthalten sie nur eine Unterteilung in Untergruppen von einer Größenordnung, die trotz der weiteren rein akzessorischen Gliederung noch eine gute Orientierung am Regal ermöglicht. Dieses Prinzip wurde daraufhin bei allen Teilbereichen mit systematischer Buchaufstellung angewendet. In der "L ehrbuchsammlung" verzichtete man auf jede weitere systematische Gliederung. Die Praxis hat bestätigt, daß die akzessorische Aufstellung innerhalb mittelgroßer Sachgruppen für die Orientierung des Benutzers am Regal völlig ausreichend ist.
Gleichwohl erlaubte das neue Aufstellungsschema beim weiteren Ausbau, "einen Buchbestand von über 100.000 Bdn noch übersichtlich, mit einfachen Buchsignaturen und daher gut benutzbar zu gliedern" (UB Freiburg, Jahresbericht 1971 : 34).
Auch für die Buchbearbeitung einer solchen rasch wachsenden und stark frequentierten Freihandbibliothek wurde ein möglichst einfaches Verfahren gewählt (UB Freiburg, Jahresbericht 1971 : 34; Amedick 1991). Zwar waren alle Bücherti tel in den alphabetischen Katalogen enthalten, nicht aber Auflagenbezeichnung und Exemplarzahl. Deren Verzeichnung nur in einem internen Standortkatalog ersparte Korrekturen in allen anderen Katalogen, solange der Titel als solcher ausleihbar in der Freihandbibliothek verblieb. (Heute werden diese Daten allerdings im Ausleihrechner geführt und sind an den Benutzerterminals abrufbar).
Diese neue Freihandbibliothek, die 1971 bereits 4360 Titel und 19.390 Bde enthielt, entwickelte sich sehr schnell zu einem Zentrum in der studentischen Literaturversorgung. Noch im Eröffnungsjahr zählte man 57.000 Entleihungen.
Um sie im Netz der universitären Verkehrswege möglichst günstig zu plazieren, wurde sie bereits zum SS 1969 mit der in einem separaten Block aufgestellten neuen "Bildungsbücherei" im Kollegiengebäude II (Universitätszent rum) räumlich und organisatorisch vereinigt: "ohne Formalitäten für jedermann zugänglich, sachlich und übersichtlich gegliedert zur Selbstbedienung aufgestellt, mit vergleichsweise geringem Zeitaufwand für den Benutzer und minimalem Verwaltungs- und Personalaufwand für die Bibliothek" (Kehr 1972:23). Wer als Student dort sein Fachbuch für das Studium holte, konnte sich gleichzeitig zur "Lektüre in der Freizeit" a nregen lassen.
Bereits 1971 entliehen dort rund 10.000 Benutzer mehr als 112.00 Bde, d.h. die Benutzung war gegenüber der Organisationsform von 1967 um mehr als das 10fache gestiegen. Für die Ausleihverwaltung wurden nur zwei Bibliotheksangestellte, f&uum l;r die gesamte Buchbearbeitung eine Diplombibliothekarin halbtags benötigt.
Allen Zweifeln und Warnungen zum Trotz ergab eine Revision drei Jahre nach Eröffnung trotz fehlender Ausgangskontrolle eine Verlustquote von nur 294 (z.T. schon veralteten) Lehrbüchern und 49 Bdn aus der "Bildungsbücherei". Die räumliche Einheit von Lehrbuchsammlung und Bildungsbücherei i.S. einer "core collection" (Kehr 1966) hatte sich sowohl hinsichtlich der ständig steigenden Benutzung als auch der Bearbeitung der Bücher und der Führung der Kataloge bewährt (UB Freiburg, Jahresbericht 1970: 16). Diese Feststellung ist auch heute noch zutreffend.
Allerdings ließ es die beginnende Massenbenutzung ratsam erscheinen, schon bald danach eine zweite Lehrbuchsammlung (LB II) in unmittelbarer Nähe der Fakultätsgebäude für die Naturwissenschaften und die theoretische Medizin (direkt neben der Mensa II) einzurichten. Dies ersparte den Studenten dieser Fachrichtungen den Weg ins Universitätszentrum. Sie existiert dort - räumlich beengt - seit April 1973 und enthielt 1994 über 20.000 Bde.
Für die 107.000 Entleihungen und die sämtlichen anderen anfallenden Arbeiten (Neuanmeldungen, Gebühreneinzug, Rückbuchen, Rückstellen der Bücher, Ordnungsarbeiten, Revision u.a.m.) benötigte man dank Freihand und de s automatisierten Ausleihverfahrens 1994 nur einen einzigen Bibliotheksangestellten (zusätzl. Urlaubs- und Krankheitsvertretung).

3. Freizeitbücherei (FZ)

Gleichzeitig mit dem Aufbau einer modernen "Lehrbuchsammlung" wurde die seit 1964 im Kollegiengebäude II existierende "Akademische Lesehalle" mit ausgelegten Zeitungen, Zeitschriften und einem Präsenzbestand hauptsächlich von Werken de r deutschen und ausländischen Klassiker zu einer Freihand-Ausleihbibliothek (mit Leseplätzen) umgestaltet (Amedick 1991).
Die Erfahrung der vergangenen Jahre hatte deutlich gezeigt, daß ein akademisches Konzept für eine attraktive "Bildungsbücherei" ungeeignet war. Gleichwohl verfolgte man mit allen Möglichkeiten des "browsing" am Regal zunäch st noch ein didaktisches Ziel. Die neue öffentlich zugängliche und mitten im Universitätszentrum unübersehbar gelegene Freihandbibliothek sollte der fortschreitenden Ideologisierung der Studenten entgegenwirken. Sie sollte "der lebendi gen Teilhabe der Studenten an den allgemein bewegenden Fragen der Zeit - philosophischen, künstlerischen, geschichtlichen, politischen, sozialen und wissenschaftlichen - dienen und helfen, den intellektuell redlichen, illusionslos kritischen, offenen und toleranten, politisch wachen Menschen heranzubilden, der Bürger einer offenen Gesellschaft sein will und nicht ihr Opfer (Kehr 1966: 68f.).
Der Bestand war nicht, wie der in der "Lehrbuchsammlung", durch das Fachbuch, sondern durch das anspruchsvolle Sachbuch charakterisiert. Ihr Kernstück bildete Literatur als "Inbegriff des intellektuellen Lebens der Nation", d.h. Weltliteratur so wie die zeitgenössische in- und ausländische Literatur. Das neue Konzept, das übrigens bis heute auch für viele ausländische Gaststudenten und ausländische Teilnehmer der universitären Sommerkurse attraktiv geblieben ist , war nicht "akademisch", aber auch nicht "popularistisch".
Unter dem Eindruck der Studentenunruhen in diesen Jahren, der Intoleranz und der Neigung zu einseitiger Betrachtungsweise mit vorgefaßten Meinungen wurde es zunehmend "pluralistisch". Entscheidend für die Anschaffung eines Titels durch ein en für die ganze Sammlung verantwortlichen Fachreferenten war, daß das Buch "solide gearbeitet, lesbar geschrieben und seiner Thematik nach für einen größeren Leserkreis interessant" war.
Als zehn Jahre nach der Eröffnung diese "Studentenbücherei" zu einer "Freizeitbücherei" (FZ) umbenannt wurde, weil die alte Bezeichnung auf nichtuniversitäre Bibliotheksbenutzer prohibitiv wirkte, da hatte man längst ein Niveaugefälle zugelassen, ohne damit zugleich Trivialliteratur, reine Unterhaltungs literatur oder allzu populärwissenschaftliche Sachbücher zu akzeptieren. Die neue "Freihandbücherei" hatte sich nach den Worten ihres langjährigen Betreuers zu einer "qualitätsbewußt moderierten Übergangsform zwischen U niversitätsbibliothek und Volksbücherei" entwickelt (H. Knufmann). Nach der räumlichen und organisatorischen Vereinigung von "Lehrbuchsammmlung " und dieser "Bildungs- bezw. Freizeitbücherei" bildeten beide Freihandbereiche gleichsam die "vorderste Benutzungsfront" der UB. Sie sind es auch im neuen Biblio theksgebäude geblieben. -
Vor dem Umzug in diesen Neubau (1978) und dem Routinebetrieb des neuen automatisierten Ausleihverfahrens hat man die "FZ" noch einmal neu organisiert: übersichtlicher durch eine neue Systematik, mit neuen, einfacheren Signaturen (FZ und eine zwe istellige Zahl) und mit Erfassung der Buchsignatur und einer (im Waschkorbverfahrenen vorgegebenen) Buchnummer auf Selbstklebeetiketten für den Ausleihrechner. (Mittlerweile sind auch die Büchertitel abrufbar gespeichert). Zuvor hatte man zerles ene oder gar nicht bzw. selten ausgeliehene Titel ausgesondert (1230 Bde von 6.000). Obsolet gewordene Titel werden seit der Umstellung auf EDV jetzt in kürzeren Zeitabständen ausgeschieden. Dies mag außer einer guten Auswahl der neuen Titel ein Grund dafür sein, daß die im Neubau direkt hinter dem zentralen Zu- und Abgang zum SB-Ausleihbereich günstig gelegene &uu ml;bersichtliche Sammlung, in der heute 11.000 Bde stehen, nichts von ihrer Attraktivität verloren hat.

4. Freihandmagazin (FM)

Folgenreicher als "Lehrbuchsammlung" und "Freizeitbücherei" war bei den Bemühungen, günstige Lösungen für die sich abzeichnenden Probleme der Massenbenutzung zu finden, die Einrichtung eines großen Freihandmagazins im neuen Bibliotheksgebäude. Unmittelbar unter der Leihstelle im Eingangsbereich gelegen, bildet es gemeinsam mit den angrenzenden beiden Freihandbibliotheken (LB I u. FZ) den sog. SB - Ausleihbereich. Dieser ist über eine Zu- und Abgangsstelle mit EDV - Verbuchung am Ende der Leihtheke leicht und ohne weitere Formalitäten oder Kontrollen zugänglich. Im Freihandmagazin haben derzeit, ohne die zw ischenzeitlich von der Universität genutzten Raumreserven, 400.000 Bde Platz.
Wie bereits erwähnt, wurde es 1968 in der Erwartung geplant, daß sich schon wenige Jahre nach Umzug in einen Neubau mindestens 75% aller Entleihungen auf den Bücherbestand in diesem SB - Ausleihbereich beziehen würden.
Die Entscheidung, die Monographien mit den neuen Großgruppensignaturen ab Jan. 1968, wie anfänglich geplant, in diesem Freihandmagazin in toto aufzustellen, fiel definitiv im Frühjahr 1970.
Anders als bei den systematisch geordneten Beständen der "Lehrbuchsammlung" und der "Freizeitbücherei" entscheidet i.d.R. nicht der Fachreferent über die Aufstellung einer neu erworbenen Monographie im Freihandmagazin. Unabhängig von seinem mehr oder minder subjektiven Urteil wird die Signatur bereits bei der Inventarisierung in der Erwerbungsabteilung anhand einer Liste mit formalen Kriterien vergeben.
In den Jahren 1968-1970 hat man noch viel zu viele Monographien mit diesen Großgruppensignaturen versehen. Nachdem aber endgültig feststand, daß diese Signaturen auch für die Aufstellung der Bücher im geplanten Freihandmagazin eines Neubaus verwendet werden können, wurde diese Kriterienliste erstm als korrigiert. Ab 1971 wurden bestimmte Gruppen, darunter Antiquaria, teure Ab bildungsbände, Kleinschrifttum, von der Aufstellung dort ausgeschlossen. 1979, als zu erwarten war, daß die Universität die für Übungsräume zwis chenzeitlich genutzte Verfügungsfläche neben dem Freihandmagazin aus Gründen der Raumnot nicht würde freigeben können und der Stellraum allmählich knapper wurde, hat man nach Nutzungsanalysen mit Hilfe der EDV die Auswahlkrit erien erneut überarbeitet. Nun wurden auch alle Neuzugänge mit Erscheinungsjahr älter als 5 Jahre, Reprints, Titel aus Geschenk und Tausch, fremdsprachige Literatur mit Ausnahme in Englisch, Französisch und Latein, Bücher im Quart - oder Folioformat u.a.m. nur noch in den geschlossenen Tiefmagazinen aufgestellt. Durch diese neuen Zugangsbeschränkungen sank der jährliche Neuzugang im FM auf bis zu 10.000 Bde ab. Abgesehen von der Benutzung der Bücher im Quartformat, die man lieber im Freihandmagazin belassen hätte, führte dies zu keiner nennenswerten Mehrbelastung bei der Ausleihe aus den Tiefmagazinen und auch zu keinen Benutzerklagen. Stattdessen wurden aber Stellraumreserven geschaffen, die Übersichtlichkeit erhalten und die Benutzerorientierung erleichtert. Durch Etaterhöhung und verstärkten Kauf von Monographien stieg d ie Zahl der Neuzugänge im Freihandmagazin aber schon nach wenigen Jahren wieder an. Inzwischen hatte sich der Freihandbereich aber als "so benutzerfreundlich und personalsparend" erwiesen, daß "eine Absenkung einzelner Bestandsgruppen in die Ti efmagazine so spät als möglich erfolgen sollte" (Kowark 1991: 282).
Um die Vorteile des direkten Zugangs zu den stärker gefragten Monographien möglichst lange zu erhalten, wurden daher 1986 durch bestimmte Maßnahmen - Verringerung der Zahl der Anleseplätze, Aufstellung weiterer Regale, Einziehen eines 7. Fachbodens auch bei den Jahresringen 1968-1978 u.a.m. - weitere 2112 Stellm eter gewonnen.
Als 1992 ein letzter Versuch scheiterte, die Raumreserven für die Erweiterung des Freihandmagazins (auf ca. 600.000 Bde) in Anspruch nehmen zu können, war ein "Absenken" der ältesten Bestandsgruppen in die geschlossenen Magazine nicht mehr zu vermeiden. Sicherheitshalber ermittelte man über das EDV-Ausleihsystem die Ausleihzahlen des Zeitraums Jan. - Okt. 1992 für die Signaturgruppen MD, NA, SW 1968-1974 und für GE 1968-1991. Wie erwartet, waren diese Zahlen für Naturwissenschaften, Medizin und Rechts- u. Sozialwissenschaften nicht mehr hoch. Diese Lit eratur veraltet vergleichsweise rascher als die in den Geisteswissenschaften. Bei der Signatur GE, mit insgesamt 243.000 Entleihungen im angegebenen Zeitraum, war "ein konstant linearer Aufwärtstrend" erkennbar. Die Signatur GE 68 war noch mit fast 23%, GE 78 mit 28%, GE 88 mit 35% und GE 91 mit 47,4% beteiligt. Im Gesamtbereich GE 68-91 gab es sogar 2.890 Signaturen, die "permanent" (9-20 Mal) ausgeliehen waren (Arnold 1991: 10)
Daraufhin wurden die 30.000 Bde der Jahresringe 1968-70 in die Tiefmagazine überführt. "Dank der idealen Signaturstruktur war die Ausgliederung en bloc innerhalb von 4 Arbeitstagen (in der Weihnachtspause 1993) vollzogen." (Arnold 1991: 10). Die Neuzugänge ab 1994 findet der Benutzer jetzt wieder auf kurzem Weg unm ittelbar hinter dem Eingang.
Für die Realisierung der Planungskonzepte in der Massenbenutzung war ein automatisiertes Ausleihsystem unverzichtbar. Es wurde bekanntlich seit 1976 in Freiburg entwickelt und zunächst als "OLAF I" bei der Ausleihe aus den "Lehrbuchsammlungen" und der "Freizeitbücherei" erfolgreich getestet. Im September 1980 wurde d er gesamte SB - Ausleihbereich (LB I, FZ, FM) im neuen Bibliotheksgebäude mit EDV-Verbuchung für den Benutzer geöffnet. Seit 1978 hatten Studenten die bis dahin vorhandenen 150.000 Bde der Großgruppenaufstellung mit Signatur und Buchn ummer (Selbstklebeetiketten) für den Ausleihrechner erfaßt.
Schon ein Jahr nach der Eröffnung bestätigte die Benutzung das Konzept. Von 800.000 Entleihungen insgesamt (31% mehr als 1979) entfielen rund 555.000 auf den SB-Ausleihbereich (Kowark 1991: 270); allein auf das Freihandmagazin, wo 376.500 Bde standen, entfielen 1993 mehr als 513.700 Entleihungen. Die Erwartungen wurd en erfüllt. Seitdem kommen 75-80% aller entliehenen Schriften aus dem SB-Ausleihbereich und nur noch 20-25% aus den geschlossenen Magazinen. Für den gesamten SB-Ausleihbereich wurden 2,5 Magazinerstellen (Rückstellen, Ordnen, Revision, Bera tung) benötigt, für die geschlossenen Magazine hingegen 7 (Kowark 1991: 277).
Für die 390.000 Verbuchungen des Jahres 1994 an der einzigen Ausgangsstelle der SB-Ausleihbereiche waren bei 42,5 wöchentlichen Öffnungsstunden nur 1 Planstelle (zusätzl. Urlaubs- u. Krankheitsvertretung) und 1 studentische Hilfskraft 2 St. täglich nötig.
Was unter "Massenbenutzung" zu verstehen ist, wird am besten durch die Computer statistik eines einzigen Tages (7.1.1982) mit Spitzenwerten verdeutlicht: 5.364 aktive Entleiher, 22.805 Buchungen, davon 4.719 Entleihungen, 7.510 Rückbuchungen, 10.576 Fristverlängerungen. Die Gesamtzahl der Entleihungen betrug im Monat Jan. 1993 mehr als 145.900, die Gesamtzahl der Vormerkungen im ganzen Jahr 115.000.
Welche Bedeutung Freihandbereiche in der Massenbenutzung spielen, geht aus der Ausleihstatistik der Jahre 1976 (vor Umzug in den Neubau mit Freihandmagazin) bis 1991 hervor.

JahrBereichZahl der EntleihungenPersonal für Magazine
und Leihstelle
1976Freihand (LB 1, LB 2)

geschlossene Magazine

154.000

245.000

Personal: 3,5

Personal: 20

1981Freihand (LB 1, LB 2, FZ, FM)

geschlossene Magazine

550.000

252.000

Personal: 7,5

Personal: 17,5

1991Freihand (LB 1, LB 2; FZ, FM)

geschlossene Magazine

1.050.000

360.000

Personal: 11,5

Personal: 15,5

(Angaben nach DBS, ohne aktiven ALV und Ausleihe aus LS)

Allen Warnungen und Voraussagen über "chaotische Zustände", Diebstahl und Beschädigungen, über "Frustration des Benutzers" und "sittenwidrige Zumutung" zum Trotz haben die Benutzer die neuen Organisationsformen und Serviceangebote schnell akzeptiert und respektiert. Die letzte Revision im Jahr 1992 bestätigte das Ergebnis früher Revisionen: 0,1% Fehlquote und eine Quote von verstellten Büchern unter 1% erscheinen als tolerabel.

Es ist daher anzunehmen, daß die Prognose Kowarks zutrifft: "Mit einem leistungsfähigen EDV-System, großen Freihandbeständen und schnellem Zugriff auf Information und Literatur wird die Bibliothek auch den künftigen Anforderungen des Massenbetriebes gewachsen sein" (1991: 282).

5. Lese- u. Arbeitsbereiche (LS I, LS II, SLS) und Informationszentrum (HBA)

Eine Universitätsbibliothek kann für die wissenschaftliche Arbeit im weitesten Sinn nur dann attraktiv sein, wenn sie neben dem leichten Zugang zum ausleih baren Buch in den Lese- und Informationsbereichen umfangreiche Literaturbestände und bequeme Arbeitsplätze (convenience) bietet. Diese Feststellung der Library Research Group in Cambridge nach Benutzerumfragen hat die Neubauplanung in Freiburg entscheidend beeinflußt. Welches Lesekonzept wurde hier realisiert, und was hat entscheidend dazu beigetragen, daß nicht nur die SB - Ausleihbereiche sondern auch die Arbeitsbereiche so stark frequentiert werden.
Im Bedarfsplan (1968) hat man Stellraum für über 150.000 Bde in den Lesesälen, für 15.000 Bde im Sonderlesesaal für Handschriften etc. und insgesamt 800-1000 Arbeitsplätze gefordert. Im Informationszentrum sollten 35.000 Bde allg. Nachschlagewerke, Bibliographien u.a. stehen. Dieses Programm wurde am E nde auch realisiert. Ein systematisch geordneter Bücher- u. Zeitschriftenbestand von maximal 181.000 Bden in den zwei Haupt-Lesegeschossen und ein großes separates Informationszentrum waren zu dieser Zeit für die Zentralbibliothek einer al ten Universität ungewöhnlich. Den Prognosen über eine Erhöhung der Studentenzahlen auf über 20.000 wollte 1968 keiner so recht Glauben schenken. Der Vorwurf der Megalomanie verstummte erst ein Jahr nach Einzug in den Neubau (1978 ), als sich herausgestellt hatte, daß die Lesebereiche überfüllt und die Garderobe (900 Haken) bereits zu klein war.
Die Einzelheiten der Buchaufstellung und Signaturen waren frühzeitig, schon im Nov. 1969, schriftlich fixiert. Die weitergehenden Beratungen waren Anfang 1975 soweit abgeschlossen, daß mit den konkreten Um- und Ausbauarbeiten begonnen werden konnte.
Da Erfolg oder Mißerfolg ganz entscheidend von der richtigen Literaturauswahl abhängen würde, hatte man mühevoll ein Konzept ausgearbeitet und im Nov. 1974 (mit Überarbeitung 1981) festgeschrieben, das von dem in den traditionellen Lesesälen anderer Bibliotheken erheblich abweicht.
Die Literatur wird bis heute nicht nach dem Gesichtspunkt der "Repräsentation der Literatur eines Faches" ausgewählt sondern nach der Benutzungserwartung und mit Rücksicht auf längerfristige Forschungs- und Lehrschwerpunkte in der Universität. Es ist selbstverständlich, daß in den Lesebereichen Werke mit Nachschlagecharakter und die grundlegende Literatur in den einzelnen Fächern, vor allem für die fächerübergreifende und interdisziplinäre wissenschaftliche Arbeit, steht. Da die Lesesäle aber auch dem Studium und der Exam ensvorbereitung dienen, wurde von jedem Titel in der Lehrbuchsammlung mindestens ein Exemplar (häufig auch mehr) auch im Lesesaal aufgestellt und das Literaturangebot so erweitert, daß ein Grundlagenstudium auf breiter Basis möglich ist. < BR> Konkret bedeutet dies, daß außer Nachschlagewerken, systematischen Gesamtdarstellungen des Faches (längerfristig vielgebraucht und umfassend), Einführungen, Handbüchern, Lehrbüchern, wissenschaftlichen Kompendien und methodologischen Grundwerken auch Standardwerke der Teildisziplinen und größerer Teilgebiete aufgestellt wurden. Dabei bestimmten sich "größere Teilgebiete" von der Forschungssituation, ggf. dem Lehrangebot her, "Standard" definierte sich primär qualitativ. Hinzu kamen Epochendarstellungen, Gattungsdarstellungen (Geschichte u. Theorie), Sammelbände und Forschungsberichte zu wichtigen Ge genständen in qualitativ strenger Auswahl sowie vielgebrauchte Quellenwerke in Absprache mit den Lehrstühlen.
In die Auswahl einbezogen wurden auch die Werke bedeutender Autoren, vor allem solcher, die in den Lehrveranstaltungen immer wieder behandelt und in Examina geprüft werden. Bevorzugt wurden zitierfähige kritische Studienausgaben, die Hauptwerke in Einzelausgaben, dazu Standardmonographien, Lexika und hie und da auch Konkordanzen. In Kunst und Musik wollte man auf Oeuvrekataloge einzelner wichtiger K ünstler und Gesamtausgaben nicht verzichten. In der Landesgeschichte wurde ein umfangreicher Bestand zu Baden, Elsaß, Südwürttemberg - Oberschwaben und Schweizer Rhein - Kantone aufgebaut.
Die Präsenzbestände werden ergänzt durch sog. Semesterapparate für bestimmte Lehrveranstaltungen mit befristet präsent aufgestellter Literatur nach Vorschlägen des Lehrpersonals.
Gegliedert wurden die LS - Bestände nach 30 Fachgruppen und 5 formalen Gruppen (Parlamentaria, Histor. Dokumente und Quellensammlungen, Zeitschriften der geschichtlichen Landeskunde für das Oberrheingebiet, geographische und historische Atlanten und, auf Wunsch der Benutzer, Reiseführer). Innerhalb dieser Gruppen folgen sachliche Unterteilungen mit akzessorischer Folge in einer Größenordnung der Gruppen, die noch in der letzten Ausbaustufe die geforderte Überschaubarkeit und "optische Orientierung am Regal" möglich macht.
Getrennt von den Büchern wurden rund 2000 wichtige wissenschaftliche Zeitschriften - ausgewählt nach Benutzungshäufigkeit, Bedeutung im Fach und in Absprache mit den Instituten - mit den jeweils letzten 20 Jahrgängen ab 1968 und Schrägablage der ungebundenen Hefte am Ende der Regalreihe aufgestellt. Die Hauptmasse der wichtigen wissenschaftlichen Zeitschriften der Biologie, der Chemie und Pharmazie und der Physik steht in den öffentlich zugänglichen Fakultätsbibliotheken. 1975 hatte man 4 verschiedene Alternativen für die Präse ntation dieser Zeitschriften in der Zentralbibliothek nach den Kriterien "Benutzerservice" und "Verwaltungsaufwand" geprüft. Am Ende gab man einer Aufstellung in Fachgruppen (analog den Fächern für die Monographien) und innerhalb der Fachgr uppen nach dem Alphabet der Titel den Vorzug. Diese Form erfordert zwar einen vertretbaren Mehraufwand, erspart dem Benutzer aber die Recherchen am Katalog.
In den letzten Jahren sind die Lese- und Arbeitsbereiche weitergehend "modernisiert" worden, mit 12 an das Uni-Netz angeschlossenen PC-Arbeitsplätzen, Scanner, Graphikprogrammen, CD-ROM (Textslgen u. Lexika), Multimedia, Audio-Video- Plätzen, Zeitungen und Bildarchive auf Mikrofiche, Reader-Printer, Kopiergeräten, Lesegeräten, EDV-gestützten Arbeitsplätzen für Blinde und stark Sehbehinderte.
Literaturauswahl, Aufstellungssystem, Arbeitsplatzgestaltung und nicht zuletzt die Ausstattung mit neuen Medien haben wesentlich mit dazu beigetragen, daß rund 800 Arbeitsplätze zu bestimmten Tageszeiten im Semester restlos besetzt sind. 1991 wurden 1,15 Mio "Durchgänge" zu diesen Arbeitsplätzen gezählt, 1993 1 ,27 Mio.
Auch hier haben sich erfreulicherweise alle Voraussagen über Vandalismus, Diebstahl, Verstellungen und Beschädigungen durch die Benutzer nicht bewahrheitet. Bei einer Revision im Jahr 1980 wurden im Lesesaal I (Geisteswissenschaften) von insgesamt 25.000 Büchern nur 102 als Verlust registriert, im LS II (Rechts- Sozi alwissenschaften, Naturwissenschaften u. Medizin) von 21.000 insgesamt 426 (meist Lehrbücher und andere wiederbeschaffbare Titel).
Eine Teilrevision im Dezemer 1992 ergab bei 28.400 Bdn der überwiegend mit "diebstahlgefährdeter" Studien- und Examensliteratur ausgestatteten Fächer Rechtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Medizin eine Verlustquote von 0,26% (Arnold 1994: 19f).
Die Bereitschaft, "ein Risiko einzugehen und ein wenig Zufall in seinem Leben zuzulassen" hatte sich demnach am Ende doch gelohnt. -

6. Schlußbetrachtung

Schon heute ist für die Forschung in einzelnen Wissenschaftsfächern neben den üblichen persönlichen Kontakten der Wissenschaftler untereinander, ihrer Korrespondenz, der (Pre-) Papers, Kongreßpublikationen u.a.m. die elektronisch gespeicherte und recherchierbare Information wichtiger als die Monographie.< P> Bei der derzeit rasch fortschreitenden Entwicklung der wissenschaftlichen Biblio theken zur "electronic library" hin und der absehbaren Bedeutung der spezielleren Monographie für Forschung, Lehre und Studium mag es anachronistisch erscheinen, sich überhaupt noch über Bücheraufstellungssysteme den Kopf zu zerbrechen. In den großen wissenschaftlichen Universalbibliotheken und Bibliothekssyst emen liegt die Zahl der jährlichen Neuzugänge bei weit über 50.000 Einheiten, in manchen bei weit über 100.000; unter den Millionen Einheiten in ihren Beständen wächst die Zahl der Mikroformen sehr schnell. Die Benutzer finde n immer häufiger den Zugang zu Titeln, Themen, Inhaltsverzeichnissen und Indices über den Bildschirm.

Sind systematische Aufstellung und "browsing" für die wissenschaftliche Arbeit und bibliothekspolitisch wirklich noch so entscheidend, wie einzelne Bibliothekare vor mehr als 2 Jahrzehnten dies annahmen? Muß der freie Zugang des Benutzers zu größeren aktuellen Freihandbeständen in den Zentralbibliotheken zwangsläufig auch systematische Gliederung großer Bestände bedeuten (Stoltzenburg 1967)? Sind systematische und rein akzessorische Aufstellung überhaup t noch geeignete Verfahren, wenn immer mehr veraltete Gebrauchsliteratur in zentrale Speichermagazine ausgegliedert werden muß? Können sich die Bibliotheken die Doppelarbeit für die systematische Klassifikation des größten Teils ihrer Neuzugänge einerseits und ihre Mitwirkung an einer elektronisch recherchierbaren, verbalen Erschließung im regionalen oder gar nationalen Verbund andererseits in Zukunft noch leisten? Ist es für die zentrale Funktion der Universitätsbibliothek und ihre Bedeutung für Wissenschaft und Forschung nicht wichtiger, wenn sie neben der Erfüllung traditioneller Aufgaben ihre Ressourcen auf die Beschaff ung, Vermittlung und Bereitstellung von elektronisch verfügbaren Informationen und auf die Benutzerberatung in diesem Innovationsbereich konzentriert?

Solange die Flut des gedruckten Schrifttums nicht abebbt, solange das Buch in einzelnen Wissenschaftsfächern noch eine zentrale Funktion hat, wird die Frage nach dem geeigneten Aufstellungssystem aktuell bleiben. Doch wird man sie heute differenzierter sehen und Bedarf, Nutzen, Verwaltungsaufwand, Ressourcen und Priorität en vorsichtiger beurteilen müssen als einige Reformer dies zur Zeit der Gründung neuer Universitäten getan haben.

Was läßt sich aus den Entscheidungen der Jahre 1967/68 in Freiburg i.Br. und den praktischen Erfahrungen seitdem ableiten? Ist das dort praktizierte Auf stellungssystem, gemessen am "besten und natürlichsten Aufstellungssystem " (Leyh und Stoltzenburg), nichts weiter als eine Notlösung zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten lokalen Umfeld? Ich denke, sie ist mehr als dies.

An den Vorteilen des freien Zugangs zur grundlegenden und zur benutzungsintensiven Literatur sowie des beschränkten Zugangs zu den übrigen Beständen für Forschung, Lehre, Studium und allgemeine Information wird man heute nicht meh r zweifeln können. Es ist nicht notwendig, hierfür das ius naturale (Kluth) oder "ein tief verwurzeltes Verlangen nach Orientierung am Bücherregal" (Stoltzenburg) zu bemühen. Der Benutzer hat nicht das vorausgesagte Chaos im offenen Ma gazin verursacht. Das Freihandmagazin bietet auch nicht nur ihm große Vorteile. Kombiniert mit einem automatisierten Ausleihsystem und räumlich und organisatorisch günstig installierten Verbuchungsstellen führt dieser freie Zugang des Benutzers zu den am stärksten ausgeliehenen Teilbeständen auch zu bemerkenswerten Personaleinsparungen bzw. -umschichtungen.

Zahlreiche Universitätsbibliotheken in zweischichtigen Bibliothekssystemen mit großen systematisch aufgestellten und übersichtlich zu haltenden Präsenzbeständen in den Fakultäten sehen sich in ihren Gebäuden konfrontiert mit den drängenden Problemen der Massenbenutzung, der Raumnot und der rationellen Ausgliederung von veralteten Büchern und Zeitschriften, mit wachs endem Beratungsbedarf ihrer Benutzer und wachsendem Personalbedarf für elektronische Informationsdienstleistungen. Sie müssen früher oder später für die Frage, wie sie den freien Zugang zum Buch in einem möglichst günsti gen Verhältnis zwischen Verwaltungs- und Kostenaufwand einerseits und einem bedarfsgerechten Benutzerservice andererseits organisieren wollen, eine Lösung finden.

Die Freiburger Erfahrungen mit über 1,5 Mio Bdn systematisch geordnet in den dezentralen Bibliotheken, bald 3 Mio Einheiten in der Zentralbibliothek, davon 2,3 Mio in beschränkt zugänglichen Tiefmagazinen, 700.000 Bde in frei zugänglichen Benutzungsbereichen (davon 200.000 systematisch geordnet und präsent in Informations- und Arbeitsbereichen, 100.000 Bde systematisch geordnet zusammen mit 400.000 Bdn gruppenakzessorisch im SB-Ausleibereich) haben gezeigt, daß es auch für die "eingeschränkte Freihandaufstellung" kostengüns tige, zweckmäßige und vom Benutzer akzeptierte Lösungen gibt.

Entscheidend für die Akzeptanz durch den Benutzer sind dabei einfache Signaturen, Übersichtlichkeit, leichte Zugänglichkeit, klare Wegweisung und ein automatisiertes Ausleihverfahren mit hohem Selbstbedienungskomfort und mit der Möglichkeit, am Bildschirm festzustellen, ob bzw. wann das gewünschte Buch verfügbar ist.

In den alten Universitäten erwarten die Wissenschaftler und Studenten nicht nur den direkten Zugriff auf lokale und externe Datenspeicher sondern auch eine weitestgehende Selbstbedienung durch den freien Zugang zum Buch. Nach den Erfahrungen in der Universität Freiburg erwarten sie heute von ihrer Zentralbibliothek aber nich t mehr in erster Linie, daß dort der größte Teil der ausleihbaren Bestände freihand in systematischer Ordnung steht. Es genügt ihnen vielmehr, wenn wichtige Teilbestände systematisch und andere stark gefragte Ausleihbest&au ml;nde leicht benutzbar, ohne weitere systematische Gliederung frei zugänglich aufgestellt sind.

Bis Ende 1967 hatte auch in der UB Freiburg der Lehrkörper einen unkontrollierten Magazinzutritt zu den bis dahin streng systematisch aufgestellten Beständen. Dies hat im Gegensatz zur Argumentation von Stoltzenburg das rasche Wachstum alte r Institutsbibliotheken ebenso wenig zu verhindern vermocht wie die Entstehung neuer (Gesamtzahl 1967: 134) und die fortschreitende Isolation der wissenschaftlichen Bibliothekare in der Universität. Heute (1994) hat diese Bibliothek mit ihren 37.500 (1967: 11.000) aktiven Entleihern, über 1,6 Mio (1967: 152.000) Entleihungen und über 1,2 Mio LS-Benutzungsfällen sowie mit ihrer neueren Entwicklung zur "electronic library" hin auch ohne umfassende systematische Freihandaufstellung l&auml ;ngst wieder die gewünschte zentrale Rolle in der universitären und regionalen Literatur- und Informationsversorgung zurückgewonnen. Sie ist nachweislich auch für viele in- und ausländische Forscher und Wissenschaftler wieder attr aktiv, z.T. sogar unentbehrlich geworden (Raible 1992). Entscheidender als die systematische Freihandaufstellung ausleihbarer spezieller Monographien war hierfür eine planvolle und bedarfsorientierte Erwerbungspolitik in enger Kooperation mit den Fa kultäten, und dies nicht nur für die Studenten sondern durchaus schon im Sinne des "Gesamtplans" (1973-75) und von Liebers (1978) auch für Wissenschaft und Forschung. Ebenso entscheidend war die rasche Bereitstellung der Neuerwerbungen f&uu ml;r die Selbstbedienung und ein komfortabler Benutzerservice, nicht zuletzt auch in den Lesebereichen und im Informationsbereich. Der Aufbau eines Bibliothekssystems mit leistungsfähigen größeren Teilbibliotheken direkt bei Forschung und Lehre und in Verwaltung der Zentralbibliothek hat diese zentrale Rolle verstärkt und die Bibliothek wieder in die Universität integriert.

Ob über die 4 Blöcke in der gruppenakzessorischen Aufstellung der neueren Monographien im Freihandmagazin hinaus noch weiter untergliedert werden soll (z.B. nach der Fächersystematik in den Lesebereichen oder nach der Erwerbungsstatistik) muß jede Bibliothek selbst prüfen. In Freiburg ergab die Güte rabwägung 1970, daß eine weitere Unterteilung (in ca. 25 - 30 Gruppen) nicht annähernd die Vorteile der systematischen Freihandaufstellung gebracht, stattdessen aber für die Bibliothek den Verwaltungsaufwand erheblich erhöht hätte. (Zum gleichen Ergebnis kam später Lohse 1974: 10f). So blieb es bei der alten Lösung von 1967/68 in dem Bewußtsein, daß "was einfach ist, das ist immer falsch; was nicht einfach ist, das ist unbrauchbar (P. Valéry)."

Eine Überprüfung des Struktur- und Baukonzepts nach 15 Jahren Erfahrungen mit dem Freiburger Neubau kam bei den Hauptplanungszielen der Jahre 1967/68 zu einem positiven Ergebnis (Schubel 1994: 216f). Dennoch ist bei der Übertragung solcher und ähnlicher Konzepte auf andere Bibliotheken in einem anderen Umfeld Vorsicht geboten. Aus der Freiburger Praxis lassen sich vielleicht brauchbare Anregungen gewinnen, jedoch kein "Modell" und keine Theorie. Wer dies dennoch unbescheiden versuchen wollte, müßte sich eingestehen, daß eine solche "Theorie" nicht mehr sein könnte als die Rechtfertigung einer bis heute erfolgreichen Praxis an einem bestimmten Ort und unter bestimmten Umständen.

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