"Für alle(s) offen"
- ein Blick in die Festschrift für Fredy Gröbli
Bekanntlich hat unser geschätzter Kollege Fredy Gröbli zum Jahresende 1995 seinen Abschied aus dem aktiven Berufsleben als Direktor der UB Basel genommen. Dies haben seine - nun schon "ehemaligen" - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Anlaß genommen, ihrem scheidenden Direktor eine Festschrift zu widmen, mit dem zukunftsweisenden Titel:
Für alle(s) offen - Bibliotheken auf neuen Wegen. Basel: Öffentliche Bibliothek der Universität Basel (1995) (348 S.) ISBN: 3-85953-065-8 |
Der Band vereinigt - außer dem Geleitwort des Präsidenten der Bibliothekskommission - insgesamt 35 thematisch unterschiedliche Beiträge, deren Mehrzahl offensichtlich zumindestens zwei Leitlinien folgen: zum einen dem Ziel, die während der Ära Gröbli eingeleitete und in weiten Teilen vollzogene Hinwendung der UB Basel zur elektronischen Datenverarbeitung herauszustellen, zum anderen dem Ziel, die Einbindung der Bibliothek in die Bibliothekslandschaften der Region Basel wie der Schweiz insgesamt zu betonen. Auch in dieser Hinsicht spiegelt das Werk ein Kernanliegen Fredy Gröblis in den vergangenen 30 Jahren wider.
Den Kolleginnen und Kollegen der UB Basel als Initiatoren der Festschrift ist es überzeugend gelungen, zu den beiden genannten Themenfeldern durchweg gut geschriebene und lesenswerte Abhandlungen anzuregen und dann auch tatsächlich zu bekommen. Darüber hinaus ließen sie Platz für weitere Texte, die sich scheinbar dem skizzierten Kontext nicht ohne weiteres fügen wollten, die sich aber bei näherem Hinsehen aufs Beste mit dem Bestreben Fredy Gröblis fügen, neue Gedanken stets "neugierig" und "offen" aufzunehmen, diese genau und kritisch zu prüfen und dann für die eigenen Zwecke zu übernehmen, sofern sie der eingehenden Prüfung standgehalten haben.
Die unmittelbar der UB Basel geltenden Beiträge befassen sich mit:
Einige Festschriftbeiträge von Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern der UB Basel dokumentieren, daß man dort die großen Herausforderungen der Informationstechnologie an das Selbstverständnis der Bibliothek sieht und sich ihnen aktiv stellen möchte. Regina Cornut und Dorothea Trottenberg beschäftigen sich mit dem Wandel des bibliothekarischen Berufsbildes angesichts der Entwicklung der Bibliotheken "von Ninive zum WWW". Sie fassen dieses neue Selbstverständnis unter dem Begriff "Informationsbibliothekar(in)" und sehen als deren Hauptaufgaben zwar weiterhin die Auskunftserteilung und Informationsbeschaffung, jedoch nicht nur bezogen auf die (konventionellen) Bestände der eigenen Bibliothek, sondern auch auf die elektronisch gespeicherten Informationsmittel und -ressourcen. Daneben sehen sie die Aufgabe der Benutzerschulung als besonders wichtig an. Ohne entsprechende Ausbildung und Personalschulung seien die neuen Anforderungen und Probleme, denen die Informationsbibliothekare ausgesetzt sind, aber nicht zu bewältigen.
Mit dem dramatischen funktionellen und betrieblichen Wandel der Bibliothek befassen sich zwei weitere Beiträge von Kollegen der UB Basel:
Gebührenden Niederschlag findet sodann die Bibliothekslandschaft der Region Basel in mehreren Festschriftbeiträgen:
Das schweizerische Bibliothekswesen bzw. Schweizer Bibliotheken sind Gegenstand von insgesamt sieben Abhandlungen:
Die von Fredy Gröbli stets gepflegten grenzüberschreitenden Bibliotheksbeziehungen finden ihren Niederschlag in mehreren Abhandlungen:
Schließlich versammelt die Gröbli-Festschrift einige Texte, die sich mit allgemeinen bzw. grundsätzlichen Fragen der Bibliotheken - bzw. die Bibliotheken betreffend - beschäftigen: Beispielsweise machen sich Pierre Gavin und Anne Jolidon Gedanken über verbesserte Indexstrukturen in automatischen Katalogen, fragt Simon Geiger, ob die wissenschaftliche Kommunikation in der Krise ist oder unterzieht sich Hermann Köstler dem ehrgeizigen Versuch, einen rudimentären Ansatz zu einer Epistemologie der Bibliothek zu entwickeln, der auf der Kette Denken-Sprechen-Schreiben-Lesen fundiert ist.
Weitere Beiträge dieser schier unerschöpflichen Festschrift für Fredy Gröbli, z.B. von Elisabeth Oeggerli und Ursula Steinegger zur Situation von Frauen in der Bibliotheksarbeit oder von J. Claude Rohner zur Buchpreisbindung, könnten genannt werden, denn auch sie zeichnen sich sowohl durch Informations- und Ideenreichtum als auch durch gelungene sprachliche Konzeption aus.
Zumindestens eine dieser Arbeiten sei am Schluß noch näher vorgestellt - nicht zuletzt deshalb, weil sie auf wenigen Seiten ein zentrales Thema der Bibliothek im elektronischen Zeitalter prägnant entwickelt: Welche Form der Bibliographie sollten unsere Benutzerinnen und Benutzer wählen: Print, Online (sofern möglich) oder CD-ROM? Alice Spinnler-Dürr sichtet in ihrer bedenkenswerten Studie die bislang vorliegenden Untersuchungen und Erkenntnisse zu dieser Fragestellung. Daraus gewinnt sie einige zum Teil zu erwartende, zum Teil aber auch überraschende Schlußfolgerungen. Keineswegs sind Online-Dienste den gedruckten Bibliographien in jeder Hinwicht überlegen - vielmehr müssen für eine umfassende Literatursuche eigentlich sowohl die gedruckten als auch die elektronischen Datenbanken berücksichtigt werden. Jedoch geht aus den vorliegenden Untersuchungen und Studien zu dieser Frage eindeutig hervor, daß fast immer einer elektronischen Literaturrecherche der Suche in den gedruckten Diensten der Vorzug gegeben wird.
Spinnler-Dürr zeigt außerdem nachdrücklich auf, daß die CD-ROM-Version einer Datenbank keineswegs immer identisch mit der Online-Version ist (Beispiel: PsycLIT und Psycinfo). CD-ROM wird allerdings von den Benutzern klar bevorzugt - wegen des schnellen, bequemen Zugriffs auf große Zitatmengen vor allem. Unvollständigkeit der erzielbaren Treffermenge, mangelhafte Qualität der Recherche, Suche in der falschen Datenbank, fehlende Konsultation der Thesauri usw. stören die Endnutzer dabei kaum. Daraus ergeben sich ernsthafte Fragen für die Schulungs- und Beratungsaktivitäten der Bibliothek.
Insofern leistet Spinnler-Dürr einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachdenklichkeit und Differenziertheit hinsichlich der Nutzung verschiedener Informationsmedien. "Nicht die Datenmenge ist das Problem, sondern Selektion und Qualitätsprüfung".
Der Blick in die Festschrift für Fredy Gröbli hat sich für den Rezensenten gelohnt! Er dürfte sich auch für viele andere Leserinnen und Leser lohnen, zumal das Werk auch von der Präsentation her viel Freude bereitet. Einerseits haben Festschriften den - freilich nicht immer so gesehenen - Vorteil der Themenvielfalt, andererseits scheint es gerade im Fall der vorliegenden Festschrift gelungen zu sein, der Gefahr des Beliebigen und Ausufernden zu entgehen. Damit steht sie Fredy Gröbli wahrlich gut zu Gesicht!