Oberrheinischer Humanismus und Geographie

Martin Waldseemüller & die Entdeckung der neuen Welt

Antike Wurzeln

Die für den Humanismus charakteristische Beschäftigung mit antiken Autoren und Texten beschränkte sich nicht nur auf die Literatur, Philosophie und Theologie, sondern schloss auch Naturwissenschaften ein. In der Mathematik und Physik griff man ebenso auf griechische und römische Vorbilder zurück wie in der Medizin und Pharmakologie. Selbst ausgesprochen praktisch orientierte Disziplinen wie die Architektur oder die Kriegskunst ließen sich von Quellen des klassischen Altertums inspirieren. So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch Geographie und Kartographie nachhaltig an der Antike orientierten.

Im Mittelpunkt der Betrachtung humanistischer Gelehrter stand dabei vornehmlich die gegen Ende des 13. Jahrhunderts wiederentdeckte Geographike hyphegesis des Klaudios Ptolemaios aus Alexandria (Mitte 2. Jh. n. Chr.). Dieses Wunderwerk antiker Geographie wurde bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts von Jacopo di Angelo da Scarperia ins Lateinische übersetzt und konnte damit auch der europäischen Gelehrtenwelt zugänglich gemacht werden. Die Erfindung des Buchdrucks beschleunigte diese Entwicklung weiter. Es erschienen zahlreiche Druckausgaben des antiken Autors, die heute als herausragende Zeugnisse humanistischer Schaffenskraft gelten. Hierfür verantwortlich sind nicht nur die prächtigen Karten, welche den meisten dieser Editionen beigegeben sind, sondern auch der Umstand, dass ihre Herausgeber die im Laufe der Jahrhunderte hinzugekommenen Erweiterungen des geographischen Wissens berücksichtigten.

Die Bedeutung der Oberrheinregion

Innerhalb dieser Entwicklung und insbesondere im Zusammenhang mit der Entdeckung Amerikas kommt dem Oberrhein und seinen benachbarten Gebieten eine zentrale Bedeutung zu: In Straßburg und Basel wurden Ausgaben der ptolemäischen Geographie gedruckt, die neuen wissenschaftlichen Standards genügten. Der aus Wolfenweiler bei Freiburg stammende Martin Waldseemüller schuf nach seinem Studium an der Universität Freiburg im nahen Saint-Dié eine Weltkarte und einen Faltglobus, auf denen die Neue Welt erstmals mit dem Namen Amerika bezeichnet wird. Zu diesem aus zwei Teilen bestehenden Kartenwerk steuerte der Elsässer Matthias Ringmann als dritten einen erläuternden Begleitband bei, der den Titel Cosmographiae introductio trägt.

Dieses am 25. April 1507 in Saint Dié veröffentlichte „Medienpaket“ bildet den Kern der Ausstellung. Neben etwas späteren Ausgaben der Cosmographiae introductio wird den Besuchern auch ein Exemplar des Erstdrucks aus dem Besitz der Stadtbibliothek Colmar gezeigt. Zudem präsentiert die Ausstellung den Faltglobus der Historischen Bibliothek Offenburg, von dem weltweit nur vier weitere Exemplare – eines wurde erst letztes Jahr in München gefunden – bekannt sind. Auch die 128 mal 233 cm große Weltkarte ist im Museum für Stadtgeschichte zu sehen: Hierbei handelt es sich um eine originalgetreue Nachbildung des einzigen erhaltenen, heute in der Library of Congress in Washington befindlichen Exemplars des sogenannten Taufscheins Amerikas.

Diese spektakulären Exponate werden durch zahlreiche weitere Objekte ergänzt. Sie alle zeichnen die bahnbrechenden Entwicklungen nach, welche Geographie und Kartographie im Humanismus genommen haben. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Reaktionen, die durch die transatlantischen Entdeckungen in der Gelehrtenwelt Europas hervorgerufen wurden.

Trotz dieser „internationalen“ Perspektive verliert die Ausstellung den Oberrhein und die angrenzenden Regionen nicht aus den Augen und zeigt insbesondere Werke wie jene von Gregor Reisch, dem Lehrer Ringmanns und Waldseemüllers, von Sebastian Münster, der seine stupende Cosmographia in Basel schuf, und von Heinrich Glarean, der fast die Hälfte seines Lebens in Freiburg verbrachte. Gerade letzterer war nicht nur auf dem Gebiet der Geographie aktiv, sondern erwarb sich als Universalgelehrter auch in zahlreichen anderen Bereichen beachtliche Verdienste, welche die Ausstellung in einem Ausblick auf die Leistungen des Freiburger Humanismus ebenfalls würdigt. In diesem Zusammenhang werden auch der mehrmals in Freiburg wirkende neulateinische Dichter und Philologe Jakob Locher sowie Erasmus von Rotterdam berücksichtigt, der als bekanntester Vertreter des Humanismus gilt und von 1529 bis 1535 im Breisgau weilte.

Virtuelle Ausstellung

Die UB Freiburg bietet einen besonderen Service zur Ausstellung: Sie erstellt Digitalisate von allen Exponaten, die aus ihren Beständen stammen, und macht diese sowohl über ihre eigene Homepage als auch über jene des Projekts online zugänglich. Da die UB den Hauptanteil der gezeigten Bände zur Verfügung stellt, bedeutet dies, dass auch ein virtueller Rundgang durch die Ausstellung möglich ist.

Projektpartner

Die Ausstellung „Oberrheinischer Humanismus und Geographie : Martin Waldseemüller und die Entdeckung der neuen Welt“ wurde in Kooperation mit der UB Freiburg und dem Museum für Stadtgeschichte Freiburg erstellt. Sie ist Teil des Projekts Interreg IV / Oberrhein B.22, das aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert wird. Die Devise des Programms lautet „Der Oberrhein wächst zusammen: mit jedem Projekt“.

Der Internetauftritt zur Ausstellung wurde von der UB Freiburg erstellt. Die Digitalisierung der Vorlagen erfolgte durch das Digitalisierungszentrum der UB.

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